Im Winter sorgt Thomas Tekath mit Lammfellen für Wärme und Sitzkomfort

Seit April 1999 fährt Thomas Tekath mit einer Rikscha durch Berlin. "Ich bin einer der dienstältesten Rikschafahrer", sagt der kräftige, blonde Mann, dem man zutraut, dass er seine Lola - so nennt er seine Rikscha - mit Fahrgästen durch Berlin schaukelt. "Ich bin Rikschafahrer und Stadtführer, denn ich erkläre den Leuten die Stadt, die ich oft selbst nicht verstehe. Schon in der Schule habe ich mich für Geschichte interessiert." Seine Lieblingsstrecke? "Psssst, nicht weitersagen! Das Südgelände. Das ist mein Lieblingspark in der Stadt."

Seine Lola kommt aus China und ist zehn Jahre alt. "Meine Rikscha ist eine Diva, kein hochgerüstetes Velotaxi. Es ist keine Fabrikfertigung. Sie bockt, wenn ich die Radlager nicht gut geschmiert habe. Oder sie quietscht beim Bremsen." Lola trägt einen rotes Baldachindach zum Ausziehen, damit die Fahrgäste und der Fahrer bei Regen im Trockenen sitzen. Die rote Lichterkette und ein Lichtschlauch, die um die Dachstange gewickelt sind, laufen über Batterie. Das Verdeck kann hochgeklappt werden. Am Lautsprecher unterm Rücksitz kann der Fahrgast seine eigene Musik über Youtube hören. Gerade läuft ganz aktuell David Bowie. Am Lenker, um den ein Kranz bunter Plastikblumen gewickelt ist, sitzt ein Plastikschmetterling. "Das sind Erbstücke von meiner Mama."

Thomas ist Berliner, in Friedenau geboren, in Spandau aufgewachsen. "Gelernt habe ich Maler und Tapezierer. Mit der Ausbildung habe ich insgesamt zehn Jahre in diesem Beruf gearbeitet, aber in den 90er Jahren hat man in Berlin keine Firma gefunden, die Tariflohn bezahlt hätte oder kein Sklaventreiber war. Das durfte alles nichts kosten und musste vorgestern fertig sein. Und dafür habe ich nicht drei Jahre lang gelernt."

Er schmiss den Beruf und fing 1999 als Rikschafahrer an. "Bei Velotaxi konnte man ein Velotaxi tageweise mieten. Am Anfang hatte ich mit so politisch korrekten Leuten zu tun. Die haben gesagt, also das können wir Ihnen doch nicht zumuten, dass Sie für uns strampeln. Das verstehe ich gar nicht. Die Leute essen doch auch im Restaurant und da ist es ihnen egal, unter welchen Bedingungen der Koch arbeitet. Aber ich habe die Leute immer auf meine Seite bekommen, weil ich gesagt habe, das ist mein Job. Ich mache das freiwillig, treibe dabei Sport und bekomme es bezahlt. Andere gehen dafür ins Fitnessstudio und müssen Geld ausgeben."

Die Konkurrenz auf dem Berlin Markt der Rikschafahrer wächst. "Es gibt ja mittlerweile 150 verschiedene Rikschafahrer. Es gibt drei große Unternehmen und die Unabhängigen und es werden immer mehr. Als ich angefangen habe 1999, da waren 15 Rikschas Unter den Linden und 15 am Ku ́damm unterwegs."

Als Festangestellter zu arbeiten, kann sich Thomas nicht mehr vorstellen. Trotz harter Bedingungen: "Im Sommer muss man wie ein Hamster arbeiten für die Vorräte im Winter. Und im Winter kann ich gerade meine Kosten decken. Ich bin froh, dass ich eine verständnisvolle Vermieterin habe. Deren Sohn ist auch Rikschafahrer, da kann ich auch mal die Mietzahlung hinauszögern. Ärger machen immer die Krankenkassen, wenn der Beitrag fällig ist."

Thomas schätzt die Freiheit, mit seiner Lola durch die Stadt zu fahren. "Aber das ist auch geregelt. Wir brauchen zum Beispiel Ausnahmeregelungen, weil es die Straßenverkehrsordnung untersagt, Leute, die älter als acht Jahre sind, mit dem Fahrrad zu befördern. Um die zu bekommen, muss man eine Gewerbehaftpflicht haben, die hoch genug sein muss. Und man braucht ein TÜV-Zertifikat."

Sein eigener Urlaubstraum ist es, mit dem Fahrrad oder der Rikscha den Kopenhagen-Radweg nach Usedom zu fahren. "Aber wenn die Zeit dafür schön ist, dann bin ich am Arbeiten. Und jetzt im Winter macht es keinen Spaß." Bei 10 Kilometern in der Stunde, die er mit Lola schafft, wäre er fünf Tage unterwegs. "Mal sehen, dieses Jahr schaffe ich mir erst mal zum Anfahren einen Elektromotor an. Geladen mit Öko-Strom. Selbstverständlich."

Protokoll: Edith Kresta

"Im Sommer muss man wie ein Hamster arbeiten für die Vorräte im Winter."