Werner Rügemer ist freier Autor und Publizist

Hinter dem medialen und politischen Großtheater von Eurokrise, Griechenland, Flüchtlingen, Pegida und AfD bereiten Bundesregierung und Unternehmerlobby einen Durchmarsch vor: Neue Privatisierungen, in großem Stil und vielfacher Gestalt, im Bund, in Bundesländern und Kommunen.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD, will seit 2014 die Deutsche Bank, Versicherungskonzerne wie Allianz und andere Investoren dazu bringen, ihr heimatloses Kapital in Autobahnen, Straßen, Brücken, Leitungssystemen, Kanalisationen und Schulen anzulegen. Der Reparatur- und Modernisierungsstau liegt bei hohen dreistelligen Milliardenbeträgen. Renditeerwartung: vier bis sieben Prozent jährlich, die der Staat garantieren soll.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt, CSU, will eine private Bundesfernstraßengesellschaft. Die soll die Autobahnen und Fernstraßen betreiben. Sie unterläge keiner parlamentarischen Kontrolle, bekäme Kredite von Investoren und könnte durch einen Börsengang noch weiter privatisiert werden. Die Einnahmen kommen aus der Lkw-Maut auf Autobahnen. Aber ab 2018 soll die Maut auch auf Fernstraßen fällig sein. Über eine Pkw-Maut wird auch schon "nachgedacht". Transportierte Produkte und das Autofahren würden noch teurer. Die bisherigen 18.000 Arbeitsplätze in der Straßenbauverwaltung der Bundesländer stehen auf der Kippe.

Überall wird nach dem Muster Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) verfahren. Es zieht seit anderthalb Jahrzehnten eine Spur des Scheiterns hinter sich her. Die Hamburger Elbphilharmonie, die 90 Schulen des Landkreises Offenbach und die Gefängnisse in Waldeck, Hünfeld und Burg sind bekannte Beispiele. Das größte Projekt ist die Autobahnmaut Toll Collect. Weil Daimler, Telekom und cofiroute nicht vertragsgemäß geliefert haben, schulden sie dem Staat mit Zins und Zinseszins jetzt sieben Milliarden Euro. Für die erfolglose Beratung während zwölf Jahren hat der Bund diversen Großkanzleien wie Freshfieds bisher über 130 Millionen Euro gezahlt.

Ein nächstes Projekt ist das Berliner Museum der Moderne. Es soll den Gemäldesammlungen dreier Multimillionäre eine repräsentative Hülle verschaffen - für erstmal freundlich geschätzte 200 Millionen. Die Bundesregierung fördert, auch mit der Peitsche der Schuldenbremse, ÖPP-Projekte für Kitas, Studentenheime, Alters- und Pflegeheime. Etliche kommunale Krankenhäuser sind inzwischen privatisiert, mit verheerenden Folgen für Beschäftigte und Patienten.

Mit dem Personenbeförderungsgesetz gab der Bundestag 2013 zunächst den privaten Fernbusverkehr frei. Auch der Staatskonzern Deutsche Bahn AG betreibt jetzt private Bus-Gesellschaften. Nun dringen private DB-Regionalgesellschaften auch in den Öffentlichen Personen-Nahverkehr der Kommunen ein. Die Stadt Pforzheim, mit erheblichem privatem Beratungsaufwand über den Tisch gezogen, ist das erste Opfer. Den Beschäftigten droht der Verlust ihrer Arbeitsplätze. Die DB sieht das als Pilotprojekt.

Privatisierungen führen zu Niedriglöhnen, zu verteuerten Dienstleistungen, auch zu Nachforderungen und Pleiten der Investoren. Schäubles "Schwarze Null" soll Privatisierungen auf allen Gebieten fördern, ja erzwingen. Während die öffentliche Hand in Deutschland seit Jahren Kredite praktisch zum Null-Zins bekommt, sind Privatkredite um ein Vielfaches teurer, und Gewinn für die Investoren soll auch noch herausspringen. Die verschärfte Privatisierung ist auch eine Vorleistung auf Freihandelsabkommen wie CETA, TISA und TTIP. Sie würden Privatisierungen noch leichter machen, wohl nicht zuletzt auch im bereits begonnenen Geschäft mit Flüchtlingen.

Die zum (un)christlichen Glaubensbekenntnis hochstilisierte "Schwarze Null" macht keinen Sinn für Beschäftigte und Steuerzahler. Im Endeffekt würde sogar das Gegenteil erreicht: Privatisierungen sind sowieso viel teurer als traditionelle staatliche Erledigungen. Damit treibt die asoziale Logik der "Schwarzen Null" die öffentlichen Haushalte in neue Schulden. Und wenn dann die "Schwarze Null" weiter erhalten werden soll, müssen den verschiedensten Gruppen der Bevölkerung noch weitere Kürzungen aufgedrückt werden. Schwarze Null und Schuldenbremse gelten auch als Begründung für ein anderes sozial- und rechtsstaatsschädliches Hobby des Finanzministers: die Steuerflucht von Konzernen und Vermögenden weiterlaufen zu lassen und sie steuerlich nach Kräften zu schonen. Die Steuerpolitik muss radikal anders werden.

Um Privatisierungen war es lange still geworden. Das täuschte. Jetzt soll es nochmal heftiger losgehen. Und das erfordert auch heftigen Widerstand, und zwar mehr noch als bisher.

Öffentlich-Private-Partnerschaft zieht seit anderthalb Jahrzehnten eine Spur des Scheiterns hinter sich her