Umweltfreundliche Beschaffung ist auf lange Sicht oft billiger als Ignoranz und Schnäppchenjagd

Am umweltfreundlichsten ist die Energie, die nicht gebraucht wird. Nach diesem Motto verfährt das Hochbauamt in Frankfurt/ Main. Mathias Linder, Leiter der Abteilung für Energiemanagement, hat zusammen mit seinen Kollegen die Erfahrungen der vergangenen Jahre zusammengetragen und daraus Standards entwickelt. Die gehören nun in Frankfurt in jede öffentliche Bauausschreibung. Muss eines der 2.500 städtischen Gebäude saniert werden oder errichtet die Stadt eine neue Turnhalle oder Kita, sind Architekten und Handwerker verpflichtet, sich an die Vorgaben zu halten. Eine immer ausgeklügeltere Gebäudeautomation, bei der Temperatursensoren dafür sorgen, dass sich Fenster wie von Geisterhand öffnen oder schließen, lehnt der 52-jährige Ingenieur ab. "So was ist mit hohen Investitions- und Unterhaltskosten verbunden. Außerdem können viele Nutzer nicht gut damit umgehen." Auch von Klimaanlagen hält er wenig: Schließlich hat ein Sonnenschutz vorm Fenster die gleiche Wirkung - benötigt aber nicht dauerhaft Energie.

Der Erfolg gibt den Menschen im Frankfurter Hochbauamt Recht: In den vergangenen 25 Jahren konnte die Stadt ihren Stromverbrauch trotz der massiven Zunahme der IT-Ausstattung um zehn Prozent senken. Der Aufwand fürs Heizen und Kühlen ging sogar um 36 Prozent zurück. Das ist gut fürs Klima - und erspart den Steuerzahlenden Geld. Damit auch andere Kommunen von den Erfahrungen profitieren können, haben die Frankfurter ihre Leitlinien für ihre Ausschreibungen öffentlich gemacht. "Man muss ja nicht alle Fehler immer wiederholen", sagt Linder.

Schwimmringe, Abwasserrohre, Brücken und Klopapier

Niemand anderes kauft in Deutschland so viel ein wie die öffentliche Hand: 400 Milliarden Euro gibt sie aus - das entspricht 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die größten Besteller sind Kommunen. Sie ordern Straßenbahnen und Schwimmringe, Abwasserrohre, Brücken, Musikvorführungen und Klopapier. Mit dieser Marktmacht können sie durchaus Einfluss nehmen auf die Produktionsweise von Waren und Dienstleistungen.

Galt früher der billigste Kaufpreis als ausschlaggebendes Kriterium, so sollen die staatlichen Einkäufer inzwischen auch die Betriebs- und Entsorgungskosten einbeziehen. Verbindliche Vorgaben dazu gibt es nicht, doch wer danach sucht, findet im Internet Kalkulationsprogramme. Außerdem veranstaltet das Umweltbundesamt (UBA) regelmäßig Fachworkshops und stellt praxisnahe Ausschreibungsempfehlungen zur Verfügung.

Auch wenn es am Ende für die öffentliche Hand teurer wird, erlaubt die EU ihr inzwischen, bei fairen oder ökologischen Produkten zuzugreifen. So dürfen staatliche Einkäufer vorgeben, dass Bodenbeläge wenig ausgasen, Strom grün ist und Holzmöbel kein Formaldehyd enthalten. "Sehr engagierte Kommunen im Bereich umweltfreundliche Beschaffung sind zum Beispiel Berlin, Erlangen, Hamburg, Bremen, Mainz oder Freiburg im Breisgau", sagt die im UBA zuständige Dagmar Huth.

Beim Einsatz von Recyclingpapier gibt es seit Jahren einen offiziellen Wettbewerb unter den deutschen Kommunen. Aktuell steht die Stadt Gütersloh oben auf dem Siegertreppchen. "Wir haben seit 2006 eine Dienstanweisung, dass in der Verwaltung ausschließlich Recyclingpapier mit dem blauen Engel verwendet werden darf", sagt Marion Grages vom dortigen Umweltamt. Das spart 60 Prozent Energie und 70 Prozent Wasser. Außerdem verbraucht Gütersloh 361,5 Tonnen Holz weniger im Jahr als Städte, die entsprechend viele Bescheinigungen und Flyer auf Frischfaserpapier drucken. Darüber hinaus sind in der westfälischen Stadt auch die Kopierer und Drucker in Ämtern, Schulen und Bibliotheken umweltfreundlich. Multifunktionsgeräte, auf denen ein Blauer Engel prangt, emittieren nur etwa halb so viele klimaschädliche Gase wie konventionelle Geräte.

Soziale Aspekte noch nicht verankert

Im April tritt in Deutschland das neue Vergaberecht in Kraft, das vor allem darauf abzielt, Ausschreibungen zu entbürokratisieren. Auch ökologische Anforderungen wurden etwas gestärkt. "Dagegen mangelt es weiterhin daran, soziale Aspekte wie Tariftreue und Sozialstandards in der Zulieferkette als Pflicht im Vergaberecht zu verankern", kritisiert Uwe Wötzel von der ver.di-Bundesverwaltung. Während es in Nordrhein-Westfalen seit 2012 verbindliche Vorgaben zu Mindestlöhnen und anderen sozialen Aspekten gibt, verpflichtet Sachsen die Vergabestellen nicht, bei Auftragnehmern auf Tariftreue zu achten. Bayern verzichtet sogar ganz darauf, den Städten und Gemeinden Vorschriften zu machen.

Das Bundesrecht lässt diese Praxis weiter zu: Soziale und umweltrelevante Aspekte können verlangt werden, müssen aber nicht. So kommt es stark auf das persönliche Engagement der Beschäftigten und ihrer Vorgesetzten in den Behörden an, welche Vorgaben sie den Lieferanten machen.

Als vorbildlich in puncto fairer Beschaffung von Dienstkleidungen gilt Dortmund. Zusammen mit der Christlichen Initiative Romero, die sich seit Jahren intensiv mit den Arbeitsbedingungen in asiatischen Textilfabriken beschäftigt, hat das Vergabe- und Beschaffungszentrum der Stadt die sozialen Kriterien bei der Beschaffung von Dienstkleidung systematisch weiterentwickelt. 2015 wurde ein Rahmenvertrag über die Lieferung von Arbeits- und Schutzbekleidung für städtische Bedienstete bei der Feuerwehr, im Zoo, im Umweltamt, im Tiefbauamt, bei den Friedhöfen und der Stadtentwässerung abgeschlossen.

"Wir schreiben gerade an einem Leitfaden und hoffen, dass den dann auch andere einsetzen", sagt Stadtsprecherin Heike Thelen. Nutzen den viele staatliche Einkäufer, könnte das helfen, die katastrophalen Arbeitsbedingungen in Bangladesch oder Kambodscha entscheidend zu verbessern - schließlich geht es hier zusammengerechnet um ein Auftragsvolumen von mehreren Milliarden Euro im Jahr.

Annette Jensen