Pflegehelferinnen erhalten weiterhin nur den Niedriglohn

Um ganze 34 Cent pro Stunde soll der allgemeine gesetzliche Mindestlohn zum 1. Januar 2017 steigen. Das hat die Mindestlohnkommission der Bundesregierung vorgeschlagen. Mit einer Höhe von dann 8,84 Euro erreicht er die Neun-Euro-Marke in den kommenden beiden Jahren nicht, erst für 2019 wird die Kommission eine neue Empfehlung aussprechen. "Damit bleibt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland deutlich hinter denen der westlichen Nachbarländer zurück", kritisiert der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske.

Dabei wäre eine Steigerung im großen Interesse gerade der Arbeitnehmer/innen gewesen, die im unteren Lohnbereich arbeiten. Auch die Binnenkonjunktur hätte davon weiter profitieren, also gestärkt werden können.

Zum Ausgangspunkt für ihre Empfehlung hat die Kommission den Tarifindex genommen. Damit berücksichtigt sie, wie sich die tariflichen Stundenverdienste ohne Sonderzahlungen von September 2014 bis Juni 2016 entwickelt haben, diese sind um 3,2 Prozent gestiegen. Die Kommissionsmitglieder bezogen noch den Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst mit ein und einigten sich auf 8,84 Euro pro Stunde. "Eine Orientierung über den Tarifindex hinaus hätte die notwendige Anhebung möglich gemacht", sagte der ver.di-Vorsitzende. ver.di spricht sich zudem für einen schnellen Anstieg auf zehn Euro aus.

In der Mindestlohnkommission sitzen je drei stimmberechtigte Vertreter/innen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, zwei beratende Wissenschaftler/innen sowie der ehemalige Arbeitsdirektor des Energiekonzerns RWE, Jan Zilius, als Vorsitzender. Deren Entscheidung fiel einstimmig.

Kaufkraft steigt

Stefan Körzell, Mitglied des Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), ist einer der Gewerkschaftsvertreter in der Kommission. Er hält den Kompromiss für vertretbar. Immerhin würden davon rund vier Millionen Geringverdienende profitieren, sie hätten bei einer Vollzeitstelle monatlich rund 55 Euro mehr in der Tasche. Körzell geht auch davon aus, dass sich die höhere Lohnuntergrenze positiv auf die Wirtschaft sowie die Steuer- und Sozialsysteme auswirken werde. Schließlich bedeute jeder Cent umgerechnet rund 70 Millionen Euro mehr Kaufkraft pro Jahr.

Allerdings haben die Gewerkschaftsvertreter/innen zusätzlich zum gemeinsamen Evaluationsbericht der Kommission eine eigene Stellungnahme vorgelegt, die im Internet unter www.dgb.de/-/gdm abgerufen werden kann. Unter anderem kritisieren sie, dass sich in dem Bericht verschiedene wissenschaftliche Denkansätze und Studien wiederfinden, die allesamt einseitig die Position der Arbeitgeber wiedergeben. Dabei sei erwiesen, dass der Mindestlohn keine Jobs vernichtet habe. Stattdessen sei die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze gestiegen. Bezogen auf das Jahr 2015, in dem der gesetzliche Mindestlohn eingeführt worden ist, waren das zum Beispiel im Bereich Heime und Sozialwesen in Hamburg acht Prozent und im Berliner Gastgewerbe sogar 9,5 Prozent.

Aber auch die Einkommen in einzelnen Branchen seien deutlich angestiegen. Zu den Spitzenreitern zählen das Spiel-, Wett- und Lotteriewesen in Niedersachsen mit 23,7 Prozent, die Post-, Kurier- und Expressdienste in Thüringen mit 27,5 Prozent sowie das Gastgewerbe in Sachsen mit 20,1 Prozent. Zu diesen Steigerungen hat der DGB eine Datenkarte erstellt, die im Internet unter www.dgb.de/-/gdw abgerufen werden kann.

Insgesamt gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im April 2015 bundesweit 1,9 Millionen Arbeitsplätze, für die der Mindestlohn gezahlt wurde. In Ostdeutschland wurden elf Prozent der Jobs mit 8,50 Euro pro Stunde bezahlt, im Westen vier Prozent. Überwiegend waren es Minijobs. Zum gleichen Zeitpunkt erhielten rund eine Million Beschäftigte weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Der Grund dafür sind die zugelassenen Ausnahmen für bestimmte Gruppen wie Langzeitarbeitslose, Zeitungszusteller/innen oder Beschäftige, für die noch ältere Tarifverträge gelten, die noch niedrigere Zahlungen vorsehen.