So sieht Jubel aus: Beate Müller

Diesen 10. November wird Beate Müller wohl nicht vergessen. "Das war wie im Fernsehen", erinnert sie sich, noch immer bewegt, "ich kleines Lichtlein saß auf der Nominiertenbank zwischen den Leuten von lauter Weltkonzernen, die Musik lief und dann wurde verkündet, wer den Publikumspreis gewonnen hat. Als es da auf einmal hieß ‚Klinikum Esslingen', konnte ich es nicht fassen!" Und da sei das Publikum aufgestanden und habe geklatscht. "Mein Team und ich haben uns umarmt. Das war der schönste Moment für mich."

Gleich zwei Preise - nach langem Kampf

Die erfahrene Betriebsrätin und ihr Team haben sogar zwei Preise bekommen: eine Sonderauszeichnung des Deutschen Betriebsräte-Preises in der Kategorie "Beschäftigungssicherung" und den Publikumspreis, über den die Teilnehmer/innen des Deutschen BetriebsräteTags abgestimmt hatten. Für Beate Müller ist das die Anerkennung für einen langen Kampf. Mehr als ein Jahr lang hat die Esslinger Betriebsrätin sich gemeinsam mit ihrem Gremium gegen den Verkauf des bisher städtischen Klinikums an einen privaten Klinikbetreiber gestemmt und es schließlich geschafft: Sie haben Aufsichtsrat, Oberbürgermeister und Gemeinderat davon überzeugt, gegen die Privatisierung zu stimmen. Beate Müller sammelte Unterschriften in der Belegschaft, diskutierte, stritt, drohte sogar. "Da darf man nicht empfindlich sein", sagt sie. Natürlich habe sie immer wieder angekündigt, "dass wir im Fall eines Verkaufs die Proteste ausweiten werden, dass wir die Bürger mobilisieren und ein richtiges Affentheater veranstalten werden. Man muss da taktisch und überlegt vorgehen. Dafür habe ich natürlich auch Prügel bezogen."

Beate Müller knickte nicht ein, auch wenn es schwere Momente gegeben habe, sie manchmal einfach müde und erschöpft gewesen sei. "Du musst dir ja dann auf einmal Fragen stellen, die du vorher gar nicht kanntest: Wie bringt man zum Beispiel so eine Sammlung von 1.200 Unterschriften der Mitarbeiter richtig zum Bürgermeister? Das sollte ja auch Wirkung haben. Aber sein Sekretariat teilte uns ganz kühl mit, dass es dafür in absehbarer Zeit keinen Termin geben würde." Beate Müllers Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass der Betriebsrat des Esslinger Krankenhauses doch überall gehört wurde und sich mit seinen Argumenten durchsetzen konnte. Nun gibt es eine Finanzierungszusage der Stadt und eine Agenda 2020, die das verschuldete Haus wettbewerbsfähig machen soll. Für Beate Müller ein "Wahnsinnserfolg".

Die Zukunft sichern

Stolz ist ebenso Karlheinz Kratzer. Auch er und sein Team gehören zu den Preisträgern des BetriebsräteTags, denn für ihn ist der Betriebsräte-Preis in Bronze ebenfalls eine Bestätigung für seine Arbeit. Noch wichtiger aber ist dem Betriebsrat des Energieversorgers N-ERGIE Nürnberg, dass es gelungen ist, ein ganzes Maßnahmepaket zu schnüren, um die Folgen des demografischen Wandels im Unternehmen abzumildern und etwas für die langfristige Personalgewinnung zu tun.

"Zukunft, Zeit, Zusammenarbeit" heißt der Demografie-Pakt, der in einer gemeinsamen Projektgruppe aus Betriebsrat und Personalabteilung entstand. Er fußt auf zwei Prinzipien: Das Unternehmen erhöht seit 2015 jährlich die Zahl seiner Auszubildenden und garantiert ihnen die Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Für Beschäftigung über den eigentlichen Bedarf hinaus gibt es den "Talentepool". Dafür geben die Beschäftigten einen Teil ihrer Arbeitszeit ab.

"Wir haben uns natürlich vorher gefragt, ob das überhaupt funktionieren kann", sagt Karlheinz Kratzer. "Wir haben eine detaillierte Abfrage bei den Mitarbeitern gemacht." Von der Resonanz waren sie überrascht: Schon am ersten Tag gab es 460 Rückmeldungen von Kollegen, die gern ihre Arbeitszeit reduzieren wollten.

Für das Unternehmen ist das ein Systemwechsel, der genau zur richtigen Zeit kommt: Bei 48,5 Jahren liegt das Durchschnittsalter der Belegschaft; etwa 1.000 der 2.600 Mitarbeiter werden bis 2030 altersbedingt aus dem Unternehmen ausscheiden. "Hätten wir jetzt nicht gegengesteuert und mit einem vernünftigen Vorlauf dafür gesorgt, dass uns dann das nötige Personal zur Verfügung steht, wären wir in eine Situation gekommen, in der der Betrieb nicht mehr handlungsfähig wäre", sagt der ver.di-Mann. Am Anfang seien die Gespräche "ein zähes Ringen" gewesen. "Da wird ja immer als erstes die Frage gestellt: Wer soll das denn bezahlen?" Weil der Betriebsrat aber Konzepte vorlegte, die zeigten, dass man die Neuausrichtung weitgehend kostenneutral gestalten könne, hat sich allmählich die Einsicht durchgesetzt, dass man "eine Win-Win-Situation" schaffen kann.

Der Betriebsräte-Preis

Der "Deutsche Betriebsräte-Preis" wird seit 2009 von der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb verliehen. Infos und Bewerbungen um den Preis 2017 auf www.deutscherbetriebsraete-preis.de

Der Personalräte-Preis

Mitte November wurde auch die Arbeit engagierter Personalräte mit dem Personalräte-Preis geehrt, der auf Initiative der Fachzeitschrift Der Personalrat verliehen wird. Den Preis in Gold bekam die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) der Uniklinik Düsseldorf für eine Kampagne über die Urlaubsplanung der Azubis. Silber ging an die Gemeinsame Arbeitsgruppe der Unikliniken Baden-Württemberg für ein Pilotprojekt, mit dem sie Daten zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz erhoben und Maßnahmen entwickelt hat. Bronze erhielt das Gremium des Badischen Staatstheaters Karlsruhe. Mit Sonderpreisen wurden die Gesamt-JAVen der Landeshauptstädte Dresden und München gewürdigt. Infos und Bewerbungen um den Personalrätepreis 2017 auf www.bund-verlag.de