Wenn der Sicherheitsbeschäftigte zum Observierungsobjekt wird, könnte ein Privatdetektiv engagiert sein

"Union Busting" heißt übersetzt: die systematische Bekämpfung von Gewerkschaften und/oder betrieblichen Interessensvertretungen mit dem Ziel, sie zu beseitigen. Es gibt Rechtsanwaltskanzleien, die sich darauf spezialisiert haben.

Bei ver.di in Hessen sehen sich zurzeit zwei verschiedene Bereiche mit dem Thema konfrontiert. Auf dem Frankfurter Flughafen haben die Sicherheitsfirma i-sec und der Wechselstubenbetreiber travel ex den einschlägig bekannten Rechtsanwalt Naujoks beauftragt. In beiden Fällen wurde der Betriebsratsvorsitzende gekündigt. Nach deutschem Recht ist es unzulässig, einem Betriebsratsmitglied zu kündigen. Wir haben mit dem Leiter des Landesrechtsschutzes von ver.di Hessen gesprochen.

ver.di PUBLIK: Am Frankfurter Flughafen ist zwei Betriebsratsvorsitzenden gekündigt worden. Sind Betriebsräte vor Kündigungen nicht mehr geschützt?

PETER KLENTER: Doch, selbstverständlich sind Betriebsratsmitglieder rechtlich gegen Kündigungen geschützt. Eine ordentliche Kündigung ist während der Amtszeit und bis zu einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit unzulässig. Eine fristlose Kündigung ist nur zulässig, wenn der Betriebsrat zustimmt. Erteilt er die Zustimmung nicht, kann der Arbeitgeber das Arbeitsgericht anrufen und ein sogenanntes "Zustimmungsersetzungsverfahren" einleiten. Das Besondere daran ist, dass die Kündigung erst wirksam wird, wenn eine letztinstanzliche Entscheidung vorliegt, also wenn das Bundesarbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung ersetzt hat. Soweit die Theorie, die auch in den allermeisten Fällen funktioniert. Praktisch haben der Arbeitgeber und seine Rechtsanwälte aber zwei Einfallstore: Erstens können sie das Betriebsratsmitglied von der Arbeitsleistung freistellen und versuchen, ihn auf diesem Weg aus dem Betrieb herauszudrängen. Da muss man sich dann wehren und als Betriebsratsmitglied gerichtlich durchsetzen, dass man weiterhin sein Amt ausüben kann und insbesondere Zutritt zum Betrieb hat. Zweitens können sie auf den Betriebsrat einwirken, dass er der Kündigung zustimmt. Das gibt es leider immer wieder. Dann greift wie bei jeder anderen Kündigung das Arbeits- und Sozialrecht: Man ist aus dem Betrieb raus, muss Kündigungsschutzklage führen und bekommt in der Regel erst mal zwölf Wochen kein Arbeitslosengeld.

Peter Klenter

ver.di PUBLIK: Wenden diese Betriebsratsbekämpfer noch weitere Methoden an?

KLENTER: Da wird natürlich tief in die Trickkiste gegriffen. Naujoks hat die Bücher "Die Kündigung von Unkündbaren" und "Schwarzbuch Betriebsrat" geschrieben. Das sind Werbebroschüren für sein Geschäftsmodell, Betriebsräte gegen Geld herauszudrängen. Die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR haben das Geschäftsmodell recherchiert: Da heuert etwa ein Altenpflegeheim einen Privatdetektiv an, der eine Flasche Schnaps neben eine Altenpflegerin stellt - und es erscheint wunderbarerweise sofort die Heimleiterin mit mehreren anderen Personen. Eine fristlose Kündigung wird ausgesprochen und Rechtsanwalt Naujoks vertritt den Arbeitgeber. Der bestreitet zwar, mit alledem zu tun zu haben, hat aber offensichtlich an den Vorgesprächen mitgewirkt. So geschehen im Jahr 2012 in Bad Nauheim. Drohen, kündigen, rechtswidrig den Geldhahn der Arbeitnehmer/innen zudrehen - das sind die scharfen Methoden dieses Vorgehens.

ver.di PUBLIK: Was können engagierte Betriebsräte dagegen tun? Gibt es aus rechtlicher Sicht Strategien, sich zu wehren?

KLENTER: Ja, Betriebsräte dürfen darauf vertrauen, dass wir in Deutschland gute Arbeitsgerichte haben, die Arbeitnehmerrechte effektiv schützen und sorgfältig arbeiten, um falsche Kündigungsgründe beiseite zu räumen. Es braucht einen starken und kompetenten gewerkschaftlichen Rechtsschutz sowie einen entsprechend guten Rechtsanwalt. Das Wichtigste ist aus meiner Sicht aber, dass wir verstehen, dass das Rechtliche wie immer "nur" instrumentell ist. Wer Betriebsratsmitglied wird, weiß, dass er oder sie sich auch persönlich in eine Risikozone begibt: Aus einer Privatperson wird eine öffentliche Person - man übernimmt eine soziale Rolle, auf die man auch persönlich vorbereitet sein muss. Dazu gehören soziales und politisches Bewusstsein und soziale Vernetzung in Gewerkschaften, politische Bildung und sozialer Einsatz. Es ist heutzutage zunehmend schwierig und auch nicht erwünscht, die persönlichen Qualitäten zu entwickeln, um sich in den Risikozonen zu bewegen. Aber es ist zum Glück nicht unmöglich.

Eine ungekürzte Version dieses Interviews findet sich auf https://hessen.verdi.de