Als wir am vereinbarten Treffpunkt ankommen, sitzt António Guerreiro schon auf den Stufen der Carmo-Kirche nahe dem historischen Zentrum. Es ist Vormittag, der Platz ruht menschenleer in der warmen Sonne. Der Guide unserer Food-Tour durch Faro springt auf, klatscht tatendurstig in die Hände und hofft laut, dass wir es mit dem Frühstück im Hotel nicht übertrieben haben. "Es sind zwar nur kleine Mahlzeiten, die wir kennenlernen werden, aber ein bisschen Platz muss im Magen noch sein." Doch vor dem Essen kommt die Kultur.

Also erst mal rein in die schattige Kühle der hübschen Barockkirche aus dem 18. Jahrhundert, an der immerhin mehr als hundert Jahre gebaut worden ist. Hauptaltar und Nebenkapellen strotzen vor Holzschnitzereien mit Blattgold und an denWänden mit den üppig verzierten Kacheln, für die Portugal berühmt ist. Aber es ist besonders der morbide Charme der Capela dos Ossos, der Knochenkapelle, der die Besucher fasziniert. Über dem Eingang mahnt ein Sinnspruch: "Halte einen Moment inne, und bedenke, dass du diesen Zustand erreichen wirst." Schluck! Wände und Decken der Knochenkapelle sind wie zu einem Mosaik mit Totenschädeln und anderen menschlichen Knochen bedeckt. Es sind die Gebeine zahlloser Römer und Gläubiger, mit denen die strengen Katholiken ihre Schäfchen zu maßvollem Leben anhielten, damit sie nicht in die Fänge der Todsünden gerieten.

Das Leib- und Magenthema

Wieder draußen blinzelt die Gruppe in die Sonne, und steuert nun in vollem Bewusstsein ihrer irdischen Vergänglichkeit die erste Gastro-Station der Tour an. Das Zentrum von Faro ist eher überschaubar, zwischen den Stationen liegt oft nur eine Straßenecke. Im Café Saudade em Portuguès - Heimweh nach Portugal - ist der Tisch für uns bereits gedeckt und António eröffnet das Gespräch mit seinem Leib-und Magenthema: den Petiscos. Nichts ärgert den Stadt- und Food-Experten mehr, als wenn man die preiswerten, traditionellen portugiesischen Snacks nur wegen der vergleichbaren Größe mit den spanischen Tapas verwechselt. Noch dazu nennen einige Faro-Wirte sie der Einfachheit halber selbst Tapas. Das Wort ist den meisten Touristen ein Begriff. Dagegen leistet António Guerreiro tägliche Überzeugungsarbeit und pocht auf Unterschiede in Zubereitung, Gewürzen und Charakter.

Vor uns steht ein Glas mit heißem Wasser und einem Zweiglein Polei-Minze, der poejo. Dazu kommen Zimt und Honig. António ruft dazwischen und verweist auf dessen hohe Qualität. Portugiesische Bienen werden nicht etwa wie anderswo mit schnödem Zuckerwasser übertölpelt, sondern mit der reinsten Blütenpracht des Landes verwöhnt.

António, studiert und auslandserfahren, hat eine klare Vorstellung, was er als Anbieter der "Eating Algarve-Tour" erreichen möchte: den Besuchern nicht nur die Kulturgüter, sondern auch die Vielfalt und Qualität der einheimischen Küche nahebringen, die ihr Licht jahrzehntelang unter den Scheffel gestellt hat. "Dabei wachsen hier allein in den einfachen Hausgärten die Spitzenprodukte", schwärmt António. Koriander, Petersilie, Oregano, Minze und seine Tochter Poejo - all das landet täglich frisch gezupft auf den Tellern.

Zunächst aber mussten die Gastwirte selbst überzeugt werden. "Ich habe am Anfang die ganzen alten kleinen Lokale abgeklappert und ihnen von meiner Idee erzählt, Land und Leute an ihren Tischen zusammenbringen zu wollen. Indem sie dort essen, wo wir Einheimische auch hingehen. Da haben viele erst mal abgewunken." Man habe schon genug zu tun, das örtliche Stammpublikum reiche ihnen völlig, und dann auch noch das Englisch, so die Einwände. Doch auch hier wechseln die Generationen, und es schlossen sich immer mehr dem neuen kulinarischen Selbstbewusstsein von António an. Sie gehören nun zum Verbund von überwiegend jungen Gastropartnern, die bei den unterschiedlichen Food-Führungen ihre jeweiligen lokalen Spezialitäten servieren. Für die Teilnehmer sind Speis und Trank im Preis der Führung inbegriffen. Das bringt Nutzen für alle Beteiligten.

Mit Mandeln, Orangen und Knoblauch bestreut

Derweil knabbert die Gruppe am schmackhaften Tiborna, früher ein ganz typisches Frühstück. Das geröstete Brot ist in Olivenöl getränkt und einmal mit Tomaten, ein anderes Mal mit warmem Käse belegt, der mit Mandeln, Orangen und Knoblauch bestreut ist. Noch ein Schlückchen Tee und weiter geht's. Auch der Trend kleiner Craft-Biere hat Faro längst erreicht; in der Hipster-Bar A Moca unweit des Marktes erfrischt ein leichtes Bier mit Orangenaroma, dazu ein Pastel de Bacalhan, ein kleiner Kabeljaukuchen, stilecht mit Vollbart serviert. Zum Feiern preiswerter und ebenfalls lecker: Das lokale Bier unten am Hafen kostet nur 1 Euro 20.

Runter damit und weiter im Programm. Angenehm kühl ist es im Museu Regional do Algarve, dem Regionalmuseum. Detailverliebt ist hier das bäuerliche Leben der Vergangenheit aufgebaut: Historische Trachten, ein Schlafzimmer mit betender Witwe, die Männerkneipe, Wissenswertes über die Kork-Ernte, die hier immer noch viele Arbeitsplätze sichert. Ein mit Bindfäden errichtetes Modell zeigt die logistisch komplexe Arbeit der Austernfischer jenseits des Hafens in der Lagune Ria Formosa. Deren Austern landen mehrheitlich in Frankreich, doch vor Ort lassen sie sich allenthalben fangfrisch schlürfen.

Inzwischen wartet in der kleinen Petisqueria 3Em Pipa schon das Mittagessen. Auf den Tisch bringt Chefkoch Vasco einen rustikalen Topf mit Kartoffeln, gebratenen kleinen Tintenfischen, Koriander, Knoblauch und den coquinhos fritos, frittierte Kokosraspeln, dazu gibt es Rotwein.

Klassische Gerichte mit modernem Dreh - diese Rezeptur der neuen Gastronomen macht dem internationalen Touristenmenü in Faro bereits starke Konkurrenz. Lediglich ein Restaurant am Hafen ist noch übriggeblieben aus der Zeit, als die Pommes mit Schnitzel auf beleuchteten Bildern für teuer Geld angepriesen wurden. Ein deutliches Zeichen für den kulinarischen Zeitenwandel in der Algarve setzt auch der alternative Burgerladen gleich um die Ecke vom Hafen. In einer winzigen Gasse hat er ganz frech genau vis-à-vis von McDonald's seine Bänke vor die Tür gestellt. Und die sind voll.

Am Horizont die Austern

Weitere Stationen warten. Gleich hinter einem der Wahrzeichen der Stadt, dem Arco da Vila am Hafen, breitet sich das herrliche Mosaik auf dem Boden der Fußgängerzone aus; Verschwörungstheoretiker haben hier ihre Freude an Freimaurer-Codes. Das Centro Interpretado verschafft den Besuchern geografische Klarheit, auf Stichen mittelalterlicher Stadtpläne ist zu erkennen, wie nah das Meereswasser einst bis zum Eingangstor der historischen Altstadt stand.

Die kleine Bar 31 vermeidet die Verwendung industriell verarbeiteter Lebensmittel, die Tische sind aus Holzpellets, und der Abfall wird getrennt. Zu einem Weißwein wird hier ein Ricotta-artiger Ziegenfrischkäse mit Honig und Walnüssen serviert, danach passt wirklich nichts mehr rein. Ein letzter Verdauungsspaziergang hoch zum Glockenturm der Sé Kathedrale, der den Besuchern zum Abschied einen Panoramablick über die Gassen und Dächer der historischen Altstadt gönnt bis hinunter zur Marina und dem Horizont voller Austern.

Foto oben rechts: Blick auf den Hafen von Faro

Oben links: Petisco aus Meeresfrüchten

Rechts: Petiscos sind etwas ganz anderes als die spanischen Tapas

Unten: In der Knochenkapelle Capela dos Ossos

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