Heike Schmidt (59) und Carmen Laue (55) arbeiten seit 20 Jahren an der Celenus Klinik im thüringischen Bad Langensalza. Sie haben die Rehaklinik an der Salza mit aufgebaut, sie zum Erfolg gebracht. Jetzt bekamen sie die fristlose Kündigung. Sie können nicht fassen, was da passiert. „Wir waren von Anfang an dabei“, sagt die Physiotherapeutin Heike Schmidt. „Ich habe meinen Glauben an die Gerechtigkeit verloren“, fügt die Masseurin und medizinische Bademeisterin Carmen Laue hinzu.

Die beiden Frauen, die in der ver.di-Tarifkommission aktiv sind, sollen gehen, weil sie Patienten mit Flugblättern versorgt haben, so die Begründung des Arbeitgebers. Der Betriebsrat hat dem Kündigungsbegehren nicht zugestimmt. Und da die Frauen Ersatzmitglied im Betriebsrat sind, findet am 19. Juni das Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Nordhausen statt, das der Arbeitgeber beantragt hat.

Erfundene Vorwürfe und Mobbing

Das rabiate Vorgehen gegen die Betriebsräte ist kein Einzelfall. Immer öfter versuchen Reha-Kliniken, Streiks zu verhindern, und greifen sich dazu einzelne Beschäftigte heraus, die in der Gewerkschaft aktiv sind. Die Abläufe sind immer dieselben: Mit Hilfe von Anwälten konfrontieren die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter mit haltlosen Beschuldigungen, mit Mobbing und erfundenen Vorwürfen, um die gesamte Belegschaft einzuschüchtern. In Bad Langensalza trifft es zwei engagierte Frauen, die sich für einen Tarifvertrag mit fairen Löhnen stark gemacht haben. Es erwischt sie mit voller Härte, gefährdet ihre finanzielle Existenz, denn sie sind für drei Monate vom Arbeitslosengeld gesperrt.

Schon seit Monaten befindet sich ver.di im Tarifkonflikt mit der Klinik. Mehrfach versuchte der private Klinikbetreiber, Streiks per Gerichtsbeschluss untersagen zu lassen, drohte mit Abmahnungen, fristlosen Kündigungen und zuletzt mit fünf Aussperrungen. Die Betroffenen wurden unbezahlt von der Arbeit freigestellt, auch die Betriebsratsvorsitzende wurde ausgesperrt. ver.di hat dem Arbeitgeber eine Schlichtung im Tarifkonflikt angeboten. Bislang blieb das unbeantwortet.

1.000 Euro weniger

Nach ver.di-Berechnungen liegen die Entgelte bei Celenus um bis zu 42 Prozent unter dem, was in den Kliniken der Deutschen Rentenversicherung bezahlt wird. Das macht rund 1.000 Euro weniger in der Geldbörse. Das Personal, ob Service, Küche, Rezeption oder Physiotherapie, streitet deshalb für einen Tarifvertrag mit deutlichen Einkommensverbesserungen. Weil Celenus nicht verhandeln will, kommt es immer wieder zu Streiks, und die Klinikleitung versucht, die kämpferische Belegschaft einzuschüchtern. Darum auch die fristlose Kündigung, die mit der Arbeitsleistung der Frauen nichts zu tun hat, sondern am Verteilen von Flyern festgemacht wird.

„Wir haben die Flugblätter in unserer Freizeit und in Privatkleidung verteilt“, sagt Carmen Laue. „Dafür sind die Postfächer doch da, um Informationen für Patienten hineinzulegen. Zum Beispiel Therapiepläne. Warum dann nicht auch Streikinformationen?“ Die Frauen wollten den Reha-Patienten erklären, warum das Personal an manchen Tagen streikt, damit sie das verstehen. Bessere Löhne aber scheinen in die Pläne von Finanzinvestoren, die Profit machen wollen, nicht zu passen.

Die Celenus Klinik ist international weit verflochten: Die Konzerngesellschaft hat ihren Sitz im baden-württembergischen Offenburg und ist seit ihrer Gründung 2010 massiv expandiert. Zurzeit betreibt sie in Deutschland 17 Kliniken, hält aber auch die Mehrheit an der inoges Holding GmbH und ihrer Marke Salvea mit 30 Standorten in der ambulanten Rehabilitation. Eigentümer von Celenus ist die Orpea-Gruppe mit Sitz in Frankreich, die europaweit 790 Standorte hat, davon 165 in Deutschland.

Ein begehrter Markt

Internationale Finanzinvestoren kaufen verstärkt Gesundheitseinrichtungen in Deutschland. Wie lukrativ der Markt geworden ist, zeigt sich daran, dass sich die Käufe 2017 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt haben, wie eine jetzt er-schienene aktuelle Auswertung der öffentlich zugänglichen Informationen über den Kauf von Gesundheitseinrichtungen durch Private-Equity-Investoren zeigt. Die Investoren setzen auf hohe Renditen. Patientenwohl und Beschäftigte interessieren sie nicht, wie es der wachsende Arbeitsdruck belegt. Und immer öfter gehen die Arbeitgeber mit Hilfe von einschlägigen Anwaltskanzleien dagegen vor, wenn sich das Personal gewerkschaftlich organisiert und Tarifverträge und höhere Löhne fordert.

Im Fall von Heike und Carmen ist es die Kanzlei Beiten Burkhardt, die auch schon bei der Klinikkette Median gegen ver.di agiert hatte und 2015 mehrfach Streiks in den Kliniken in Bad Salzuflen und Bad Oeynhausen verhindern konnte, seit der niederländische Finanzinvestor Waterland den Reha-Betreiber übernommen hat. Ihre Anwälte preist die Kanzlei als „unternehmerisch denkende“ an. Bislang gelang es ihnen nicht, bei Celenus Arbeitsniederlegungen zu verhindern.

Wie wenig das Menschliche zählt, lässt sich auch daran erkennen: „Man hat uns am Tag der Kündigung, am 4. April, bis abends schuften lassen“, sagt Carmen Laue. Das bedeutet, sie und ihre Kollegin bekommen für die geleisteten Stunden keinen Lohn, weil das der Kündigungstag ist. Da wird jeder Cent aus den Menschen herausgepresst.

„Statt den Konflikt um den Tarifvertrag am Verhandlungstisch zu lösen, setzt der Arbeitgeber auf Einschüchterung“, sagt ver.di-Landesfachbereichsleiter Bernd Becker. Heike Schmidt und Carmen Laue bleiben dennoch zuversichtlich. Obwohl die beiden Frauen keinen Lohn bekommen und für drei Monate vom Arbeitslosengeld gesperrt sind, wollen sie kämpfen, bis zur letzten Instanz. Auch das sagen beide, wie aus einem Munde: Sie wollen ihre Arbeitsplätze zurück und rehabilitiert werden.

Von ihren Kolleginnen und Kollegen haben sie volle Rückendeckung. Es sind sogar noch mehr Beschäftigte in die Gewerkschaft eingetreten. Und auch bundesweit bekommen die Frauen große Unterstützung, schicken ganze Belegschaften Solidaritätsfotos. Darauf steht: „Wir sind Carmen und Heike.“ Und ver.di-Landesfachbereichsleiter Bernd Becker fasst zusammen: „Sie attackieren diese zwei, aber sie meinen uns alle.“