Ausgabe 04/2018
Wasser regeneriert
Blick von oben ins Caldarium des Friedrichbades in Baden-Baden
„Der Jungbrunnen“ von Lucas Cranach ist eines der berühmtesten Gemälde des ausgehenden Mittelalters. Es war das erste Versprechen von ewiger Jugend. Alte und gebrechliche Frauen steigen auf der einen Seite eines Brunnenbeckens hinein, und wenn sie einmal hindurch gewatet sind, steigen sie rundum erneuert und verjüngt auf der anderen Seite wieder heraus. Kein Thermalbad der Welt vermag dieses Versprechen einzulösen. Aber dass Thermalbaden nahezu jedem Menschen Gutes tut, das ist seit Cranach vielfach bewiesen worden. Heute ist das Beleben durch warmes und mineralienhaltiges Wasser allein hierzulande in 100 Thermalbädern möglich.
Oase der Stille
Wer noch wie die alten Römer baden mag, kann das täglich im Friedrichsbad in Baden-Baden tun. Es wurde im 19. Jahrhundert auf den Ruinen einer ersten Therme errichtet, die der römische Kaiser Marcus Aurelius auf seinem Eroberungszug durch Europa bauen ließ. Er hatte Rheuma und lebte in den natürlich vorkommenden Thermalwassern von Baden-Baden 213 n. Chr. nach vielen Jahren des Leidens zum ersten Mal wieder auf. In Rom entstanden damals gerade auch die Caracalla-Thermen. Caracalla war Aurelius Spitzname, weil er meist einen ebenso benannten gallischen Kapuzenmantel trug. Die auf einem 109.000 Quadratmeter großen Gelände errichteten Caracalla-Thermen waren 300 Jahre lang viel mehr als eine Therme. Das Gebäude glich einer riesigen Freizeitanlage mit Sporthallen, Bibliotheken, Gärten, Kunstgalerien, Restaurants und sogar Bordellen.
Das Friedrichsbad dagegen bietet eine Oase der Stille, Reinigung und Erholung in klassizistischem Ambiente. Einmal in den hohen Räumen und verschiedenen Bade- und Schwitzräumen angekommen, sinkt die Pulsfrequenz schon nach einer halben Stunde. 25 Minuten baden in Thermalwasser senkt den Kortisol-Gehalt des Speichels, der als Stress-Indikator gilt, erheblich. Aber alles beginnt mit einer reinigenden Dusche. Von dort geht es in den ersten Wärmeraum, in dem es sich anfühlt wie an einem mollig warmen Sommertag. Der darauf folgende Schwitzraum mit seiner Betriebstemperatur von 65 Grad gleicht dann schon eher einer sehr heißen Sauna.
Im Mittelalter stand der Badezuber auf der grünen Wiese
In jedem Raum hängen Schilder mit dem Hinweis, wie lange man in ihm verweilen soll. Während der 15 Minuten im Schwitzraum schweift im Liegen der Blick über die alten mintgrünen Kacheln mit verschiedenen Pflanzen und Tieren. Bevor es weiter ins Dampfbad mit mineralischer Luft geht, wird noch mal geduscht. Im Dampfbad ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Das Wasser, das dafür sorgt, tropft an runden Kupferrohren runter. Bei der folgenden Bürstenmassage mit Seife hat jede/r die Wahl zwischen einer weicheren und härteren Bürste. Das klingt hart, ist aber wider Erwarten sehr angenehm. Anschließend geht es nochmal in die Dampfsauna zurück.
Runterkühlen
Erst dann beginnt die Abkühlung. Zunächst in einem 28 Grad warmen Becken, dann in einem Sprudelthermalbecken, von dort hinein ins sogenannte Caldarium unter der großen Kuppel, dem Heißwasserbad. An den Tagen, an denen die Geschlechter getrennt baden, ist es das einzige Becken, in dem Frauen und Männer aufeinander treffen. Noch einmal taucht man in ein 28 Grad warmes Becken, bis das eiskalte Tauchbecken die letzte Abkühlung liefert. Das volle Programm rundet eine Crememassage und eingehüllt in vorgewärmte Decken schließlich der Ruheraum mit Weckdienst ab. Aber eigentlich würde man jetzt auch gern einfach liegen bleiben. Alles kann jetzt mal warten.
Sonnenwinde im Blue Space
Gleich nebenan vom alten Friedrichsbad hat 1985 die neue Caracalla-Therme eröffnet, die erste Wellness orientierte Therme in Deutschland, mit warmen Außenbecken, in denen Wasserfälle Nacken massieren, einem eigenen Saunabereich und einem Blue Space, in dem man auf vibrierenden Liegen ruht, während Sonnenwinde in sphärische Klänge übersetzt werden. Ein Ort zum Chillen in einem großzügigen Thermalbad, wo auch heute wie zu Marcus Aurelius’ Zeit Rheumapatienten bei Wassergymnastik Linderung finden.
Den größtmöglichen Effekt hat das Thermalbaden, wenn es mit einem vorherigen Kreislauftraining einhergeht – das kann Laufen, Fahrradfahren oder eine andere sportliche Bewegung sein –, wenn auf das Baden eine Massage folgt und ganz wichtig am Schluss die Ruhephase. So können Schmerzen des Bewegungsapparats vermindert, Stress reduziert, Allergien und Rheuma behandelt sowie das Herz-Kreislauf-System stabilisiert werden. Welche Wirkung das Thermalbaden hat, hängt vor allem von den natürlich vorkommenden Mineralien im Wasser ab. Das Wasser im Friedrichsbad und in der Caracalla-Therme wird aus 12 Quellen gespeist, deren Wasser besonders fluorid- und natriumchloridhaltig sind. Das stimuliert und regeneriert den gesamten Körper gleichermaßen.
Natürlich sollten nach einem Aufenthalt im Thermalbad keine Pommes und Bratwürste gegessen und kein Alkohol getrunken werden. Sonst bliebe von der positiven Wirkung, die zwei bis drei Stunden in einer Therme mit sich bringen, nicht mehr viel übrig. Insofern ist auch Cranachs „Jungbrunnen“ kein gutes Vorbild. Dort wird nach dem Bad gleich wieder zu Tisch gevöllt.
Gutschein für die Therme statt für die Tankstelle
Arbeitgeber/innen können die Gesundheitsvorsorge ihrer Beschäftigten auf vielfältige Weise unterstützen. Zum Beispiel können sie ihnen monatlich steuerfrei einen sogenannten Konsumationsgutschein in einer Höhe von bis zu 44 Euro zukommen lassen für die Gesundheit. „Früher wurden diese Gutscheine oft an der Tankstelle eingelöst, heute immer häufiger für einen Besuch in der Therme“, sagt Stefan Kannewischer, an dessen Thermalbadkassen nicht nur mit Geburtstags-, sondern auch Konsumationsgutscheinen bezahlt wird.