Raue Sitten sind beim Textilfilialisten Zara, einem Tochterunternehmen des spanischen Inditex-Konzerns, an der Tagesordnung. So hat Zara in diesem Frühjahr die Betriebsratswahlen auf vielfältige Weise behindert. Kurzfristig angekündigte Filialschließungen sorgen regelmäßig für Aufruhr in den betroffenen Belegschaften. Und seit neuestem ist bekannt, dass bei Zara Kassenbelegpapier eingesetzt wird, das die hochgiftige Chemikalie Bisphenol S enthält.

Über diese und viele weitere Missstände informiert seit April 2017 ein von ver.di München initiierter und unterstützter Informationsblog (verdi-zara.blogspot.com), den engagierte Beschäftigte und Betriebsräte von Zara mit Inhalten füllen. ver.di hat sich für diese neue Form der Informationsverbreitung entschieden, damit die Beschäftigten nicht mehr auf Gerüchte angewiesen sind und Informationen blitzschnell aus erster Hand bekommen, heißt es dazu auf der Internetseite, für die ver.di verantwortlich zeichnet.

Im Fokus: die gesamte Lieferkette

Auch auf Facebook (facebook.com/martabeiverdi) sind die aktiven Zara-Blogger regelmäßig unterwegs. „Wir informieren über die Arbeitsbedingungen bei Zara, aber auch über die Zustände in den Textilfabriken in Bangladesch, Indien und der Ukraine, wo das Unternehmen zu Dumpinglöhnen die Ware für unsere Filialen fertigen lässt“, sagt Christian Berhorst, Betriebsratsmitglied bei Zara in München und einer der aktiven Blog-Autoren. „Schließlich geht es nicht nur um die Konditionen in unserem Betrieb, sondern um den Umgang mit Arbeitnehmerrechten im Textileinzelhandel und entlang der Lieferkette insgesamt.“

Tatsächlich drängen sich bei der Lektüre des Zara-Blogs Vergleiche mit H&M, Primark und Co. auf. Hier wie dort zählen die Beschäftigten wenig – geht es den Konzernen aus dem Bereich „Junge Mode“ doch vornehmlich darum, so viel Billigware wie möglich an die Kundschaft zu bringen. Alles was stört, wie Betriebsräte, Gewerkschaft, Nichtregierungsorganisationen, wird nach Kräften ignoriert oder auch aktiv in der Arbeit behindert.

Gift in Kassenbons

Besonders ärgerlich ist der „Fall“ Bisphenol S im Kassenbelegpapier. Bereits im Mai 2016 hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) das Papier untersuchen lassen, wobei die schon in geringen Dosen schädliche Substanz auch gefunden wurde. Als Betriebsräte bei der Geschäftsleitung nachfragten, was es mit dem Gift in Kassenbons auf sich habe, schickte die Zentrale ein Datenblatt, aus dem hervorging, dass die Belege keine Spur von Bisphenol A enthielten. Das hatte aber auch niemand behauptet – das vom BUND getestete Thermopapier aus den Zara-Kassen enthielt das viel schädlichere Bisphenol S.

Im Blog weisen die Zara-Beschäftigten darauf hin, dass der Arbeitgeber das Thermopapier bisher nicht ausgetauscht habe. „Bezeichnend ist auch“, so heißt es dort in einem Eintrag vom 1. Juni, „dass aufklärende Informationen über Bisphenol teilweise von Managern in den Filialen von Schwarzen Brettern entfernt werden, damit Mitarbeiter sie nicht lesen können!“ Offenkundig sei dem Unternehmen das Image wichtiger als die Gesundheit der Beschäftigten. Als einzige Maßnahme wurde mittlerweile Kolleg/innen, die längere Zeit krank waren, im betrieblichen Eingliederungsgespräch nahegelegt, für eine gewisse Zeit nicht zu kassieren, falls sie wegen der Belege verunsichert seien. Darüber hinaus unterlässt es das Unternehmen laut Blog, die „in großen Mengen anfallenden Bons in den Filialen ordnungsgemäß zu entsorgen“. Das giftige Thermopapier lande massenhaft bei Kartons und anderen Papierabfällen, wo es keinesfalls hingehöre.

Megastores statt angestammter Filialen

Von oben herab und ohne Beteiligung von Belegschaft und Betriebsrat handelt Zara auch bei anstehenden Filialschließungen. So wurde laut Infoblog Anfang des Jahres das Geschäft in der Kaufingerstraße geschlossen – die älteste Münchener Zara-Filiale und zugleich eine der umsatzstärksten in ganz Deutschland. Doch der Modefilialist setzt auf neue und größere Geschäfte, wie das Beispiel Köln zeigt, wo im Jahr 2015 „Filialen schließen mussten und danach wenige Meter weiter ein Megastore neu“ eröffnet wurde, heißt es im Blogeintrag vom 20. April. Betriebsräte und ver.di befürchten vor diesem Hintergrund das Aus für zwei weitere Zara-Filialen in München. Für das Geschäft in der Theatinerstraße läuft der Mietvertrag zum 31. Juli 2019 und für das in der Neuhauserstraße zum 31. Dezember 2019 aus.

Da Zara üblicherweise Mietverträge auf lange Zeit im Voraus verlängert, bedeutet das anstehende Auslaufen der zwei Verträge höchste Gefahr für die Beschäftigten, den Arbeitsplatz zu verlieren. Zudem hielten sich, so der Blog, seit längerem Hinweise, dass Zara das Gebäude von Sport-Scheck in der Neuhauserstraße übernehmen könne, um dort einen Megastore zu eröffnen.

„Betroffene Betriebsräte haben die Geschäftsleitung direkt angeschrieben und nachgefragt“, heißt es im Infoblog. Die Reaktion darauf – Schweigen. Doch die Betriebsräte wollen sich das nicht gefallen lassen, sagt Christian Berhorst. „Wir werden nachhaken, bis wir konkrete Antworten von der Geschäftsleitung bekommen. Unsere Kolleginnen und Kollegen dürfen nicht hingehalten werden, bis die Filialen dicht machen.“ Im Zara-Blog erinnern die Autor/innen daran, dass den Beschäftigten der möglicherweise von der Schließung betroffenen Sport-Scheck-Filiale ebenso Solidarität gebühre wie den möglicherweise danach dort einziehenden Zara-Beschäftigten. „Sie sind ebenfalls nur eine Spielfigur im Monopoly der großen Konzerne Inditex und Otto“, zu dem Sport-Scheck gehört, heißt es dazu im Blog.

Weitere Blogs

Mit Infoblogs unterstützt ver.di seit längerem Betriebsräte und aktive Gewerkschafter/innen in den Belegschaften verschiedener Unternehmen. Im Handel bestehen von ver.di unterstützte Blogs unter anderem beim Onlinehandel Amazon, der Buchhandelskette Hugendubel sowie den OBI-Baumärkten. ver.di achtet auf die Einhaltung der Gesetze: „Zensur wird unsererseits bei Einträgen ausgeübt, die offensichtlich unfair sind, klar die Unwahrheit verbreiten oder ins Niveaulose abgleiten.“

Ansonsten gilt für den im April 2017 gestarteten Zara-Infoblog, „über aktuelle Vorgänge rund um das Unternehmen Zara transparent und schnell (zu) informieren“. Und das macht er tatsächlich umfassend.