Ausgabe 02/2019
Der Druck ist ohnehin zu stark
Marion Lühring ist Redakteurin der ver.di publik
Ob in Banken oder Verwaltungen, im Einzelhandel, in der Pflege, in Krankenhäusern oder im Erziehungswesen – die Beschäftigten klagen über Arbeitsverdichtung, Arbeitshetze, Zeitdruck und Mehrarbeit. Immer mehr Menschen fühlen sich körperlich und emotional ausgelaugt und können auch in ihrer Freizeit schlecht abschalten. Die gesetzlich vorgeschriebene vollständige Gefährdungsbeurteilung verlangt zwar zum Schutz der Menschen am Arbeitsplatz nicht nur den Blick auf physische, sondern ausdrücklich auch auf psychische Belastungen, doch nur jeder zweite Betrieb erfüllt das.
Der negative Trend hin zu immer mehr Arbeitsverdichtung dürfte der CDU / FDP-geführten Landesregierung Nordrhein-Westfalen bekannt sein. Trotzdem hat sie sich vor den Karren von Arbeitgeberverbänden und Wirtschaftslobbyisten spannen lassen und im Bundesrat eine Initiative zur Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes eingebracht. Das ist schäbig gegenüber den Menschen in der Pflege und in Krankenhäusern und überall dort, wo der Druck ohnehin schon viel zu stark zugenommen hat. Sollte die Gesetzesänderung kommen, droht beispielsweise Pflegekräften eine Zwölf-Stunden-Schicht, obwohl sie längst überlastet sind.
Die Regelungen im Arbeitszeitgesetz zum Schutz der Beschäftigten müssen bleiben, auch und gerade im Zeitalter der Digitalisierung. Überall sollen Computer die Arbeit angeblich erleichtern, auch in Krankenhäusern, doch der Druck hat nicht nachgelassen. Der Einsatz von E-Mails und Smartphone geht bis in den Feierabend hinein und raubt den Schlaf. Jetzt die Erholungsphasen zu verkürzen und Arbeitszeiten noch mehr auszuweiten, wäre fatal. Die Ursache für den zunehmenden Zeitdruck, der gravierende Personalmangel, lässt sich nicht durch längere Arbeitszeiten und kürzere Ruhephasen kompensieren, sondern nur durch mehr Personal. Deshalb darf das Arbeitszeitgesetz nicht verschlechtert werden, im Gegenteil, gerade jetzt müsste es gestärkt werden.