Mein Arbeitsplatz

Metin Catal, 52, Postbank Offenbach

Wir sind erst im Mai hier in die Filiale in der Waldstraße umgezogen. An den neuen Arbeitsweg habe ich mich schnell gewöhnt, das waren nur 200 Meter. Den Arbeitsplatz in den ungewohnten Räumen musste ich erst kennenlernen. Da helfen mir die Kollegen, die sind sehr, sehr aufgeschlossen und hilfsbereit. Ich arbeite seit 28 Jahren für die Postbank in Offenbach. Und ich bin blind. Ich mache den Schalterdienst in Vollzeit. Ich nehme Briefsendungen an, Express, Einschreiben, Paketsendungen und Retouren und verkaufe Brief-, auch Sonder- und Rollmarken und Shop-Ware. Sie können bei mir auch mit der EC-Karte zahlen.Mein Arbeitsplatz unterscheidet sich ein wenig von dem der Kollegen; die Theke ist breiter und hat mehr Platz für die Geräte. Die Computertastatur ist mit Braillezeichen extra gekennzeichnet, parallel dazu habe ich Kopfhörer für die Sprachausgabe. Die Technik übersetzt mir Schrift in Sprache. Rechts sind die Waage und mein zweiter Monitor, der mir das Gewicht der Postsendungen angibt. Da ist auch mein E-Mail-Verkehr drauf. Die Computer erleichtern mir meine Arbeit sehr. Als ich hier anfing, hatte ich einen sprechenden Taschenrechner, mit dem ich abkassiert habe. Für die Kunden, die mich noch nicht kennen, erklärt ein Schild: „Mein Name ist Metin Catal. Ich bin ein blinder Mitarbeiter der Postbank.“ Darauf werden auch meine Dienstleistungen aufgelistet, das, was ich bearbeiten kann, und auch, was nicht. Und da steht auch, dass ich ein „Gedächtnisweltmeister“ bin.Ich kann ganz wenig sehen, nur etwas hell und dunkel unterscheiden. Ich bin 1966 in einem kleinen Dorf in der Türkei geboren. Mein Vater kam 1969 nach Deutschland, er hat uns später nachgeholt. Seit 1974 lebe ich in Hessen. Dass ich blind bin, ist erst richtig bemerkt worden, als ich schon zwei Jahre alt war. Die Ursache ist unbekannt. Ich habe eine Schule für Sehbehinderte in Frankfurt besucht und dort die Blindenschrift eher nebenbei gelernt. Damals konnte ich normale Schrift noch mit dem Vergrößerungsglas erkennen. Das kann ich heute nicht mehr. Ich bin beim Blindenförderungswerk zum Telefonisten ausgebildet worden. Den Arbeitsplatz am Schalter in Offenbach habe ich 1990 von einem blinden Kollegen übernehmen können.Ich bin verheiratet, habe drei erwachsene Kinder und bin auch Großvater geworden. Ordnung ist für mich hier wie auch zu Hause ganz wichtig. Alles muss seinen festen Platz haben, sonst müsste ich jeden Tag suchen. Die Kollegen und Kolleginnen wissen das auch, sie sind sehr einsichtig. Sie helfen beim Suchen und Finden und stellen von sich aus alles wieder dahin, wo es hingehört. An meinem Schalter darf ich Kunden auch außerhalb der Warteschlange aufrufen. Viele kennen mich schon und kommen für Briefe und Pakete direkt zu mir. Die meisten sind sehr nett.Privat entspanne ich beim Lesen, wenn man Internet hat, hat man überall Zugriff. Und während der Fastenzeit, dem Ramadan, der gerade zuende gegangen ist, gehe ich in der Mittagspause in die Moschee und freue mich jedes Jahr auf das Zuckerfest. Heide Platen

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