Ausgabe 06/2019
Der Staat hat die Schlüsselrolle
Eine ausführliche, überaus konzentrierte, streckenweise auch sehr emotionale Debatte führten die Delegierten des Bundeskongresses zum Thema ökologischer Umbau. Zur Abstimmung stand ein Leitantrag des ver.di-Gewerkschaftsrats. „Die fortschreitende Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen muss gestoppt werden,“ heißt es da gleich zu Beginn. Und: „ver.di stellt sich dieser großen gesellschaftlichen Herausforderung.“
Dem vorangestellt ist die Voraussetzung: „Der ökologische Umbau kann nur gelingen, wenn die betroffenen Menschen mitgenommen werden. Unsere gewerkschaftliche Aufgabe ist es, betriebs- und tarifpolitisch dafür zu sorgen, dass die ökologische Transformation einhergeht mit mehr guter Arbeit und sozialer Sicherheit. Dabei ist die Umweltbewegung ein wichtiger Bündnispartner.“ Der ökologische Umbau, heißt es da weiter, sei „in erster Linie eine politische Gestaltungsaufgabe.“ Das erfordere einen „aktiven Staat“, denn der Staat spiele „beim sozial-ökologischen Umbau eine Schlüsselrolle, die er mit einer aktiven Investitionspolitik, Industrie- und Dienstleistungspolitik sowie Struktur- und Regionalpolitik ausfüllen muss“. Der Bogen der konkreten Vorschläge im Antrag ist weit gespannt.
Allem voran steht die Forderung nach einer entschiedenen Ausweitung der öffentlichen und sozialen Dienstleistungen im sozial-ökologischen Sinn. Im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs-, Kultur- und Wohnungsbaubereich gebe es große Versorgungslücken, die „nicht durch profitorientierte Geschäftsmodelle privater Unternehmen geschlossen“ werden. Erforderlich seien überdies massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie etwa die Verkehrsinfrastruktur, Energie, Wohnen und Gebäude. So sei ein „attraktives und gut abgestimmtes Angebot von öffentlichem Nah- und Fernverkehr“ für das Gelingen eines ökologischen Umbaus von erheblicher Bedeutung.
Kosten des Umbaus „gerecht verteilen“
ver.di unterstützt „einen geregelten Ausstieg aus der Kohleverstromung“, verweist aber in dem Antrag abermals explizit darauf, dass dieser sozialverträglich gestaltet werden muss, „dass die vom Ausstieg aus der Kohleverstromung betroffenen Beschäftigten in den Stein- und Braunkohlekraftwerken und im Tagebau umfassend und vollständig abgesichert werden müssen“. Gewährleistet werden müsse auch, dass Strom, Wärme und Mobilität „auch für Geringverdiener erschwinglich bleiben“. Generell müsse es Leitlinie sein, dass die Kosten des ökologischen Umbaus „gerecht verteilt werden“.
Insbesondere Mitglieder der ver.di Jugend unter den rund 1.000 Delegierten machten sich in der Debatte engagiert für eine Erweiterung des Antrags um ihre Forderung nach Erhalt des Hambacher Forstes in Nordrhein-Westfalen stark. Der Wortlaut: „Der Bundeskongress spricht sich ausdrücklich gegen die geplante Rodung des Hambacher Forsts sowie die generelle Zerstörung von Dörfern und Natur für den Braunkohleabbau aus.“ Die Antragskommission auf dem Kongress hatte empfohlen, die Forderung, die auch in einem anderen Antrag (C039) enthalten war, dem Leitantrag lediglich als Arbeitsmaterial anzugliedern. Nach langer Debatte, und dies war der emotionale Teil, empfahl auch die Antragskommission die Aufnahme der zitierten Passage in den Hauptantrag C001. Dem folgten die Delegierten mit großer Mehrheit – unter dem Jubel und Beifall nicht nur der ver.di Jugend.
Der sozial-ökologische Umbau, die erforderlichen öffentlichen Investitionen, so heißt es in dem Antrag, erfordert „eine Stärkung der staatlichen Einnahmen mittels einer gerechten Steuerpolitik“. Eine Abkehr von der Politik der „schwarzen Null“ sei ebenso vonnöten wie die Abschaffung der sogenannten Schuldenbremse, die ab 2020 nach dem Bund auch für die Länder gelten soll. „Und damit die Reichen nicht zu Lasten der Allgemeinheit noch reicher werden, sind Steuersenkungen zugunsten der Unternehmen und der Vermögenden abzulehnen,“ so der Antrag. Im Gegenteil seien besonders hohe Einkommen und Vermögen endlich angemessen, also deutlich höher zu besteuern, als es bislang der Fall ist. knies