Frank Werneke wurde mit 92,7 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen Vorsitzenden von ver.di gewählt

Immer wieder unterbrochen von starkem Beifall der rund 1.000 Delegierten hat der neue ver.di-Vorsitzende Frank Werneke auf dem ver.di-Bundeskongress in Leipzig deutliche Positionen bezogen. Für eine solidarische Gesellschaft, gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit, für eine Stärkung der Tarifbindung und gegen unsichere, schlecht bezahlte Arbeit, für soziale Gerechtigkeit und Demokratie – und entschieden gegen Rechts. „Wir nehmen das politische Mandat der Gewerkschaften ernst“, sagte Werneke, „und wir leben es.“ Es gelte, Spaltung zu überwinden, auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft.

In seiner Grundsatzrede setzte Werneke gleich zu Beginn auf eine Stärkung der Tarifbindung. Er wolle „Fortschritt in der Arbeitswelt und die Einkommensentwicklung durch Tarifverträge organisieren“. Er sage das „als leidenschaftlicher Tarifverhandler – und als jemand, der zuerst auf die eigene Kraft baut, statt auf politische Entscheidungen von Regierungen zu setzen“. Doch auch politische Weichenstellungen seien nötig: „Das Tarifvertragsgesetz muss geändert werden. Die Allge- meinverbindlichkeit darf nicht mehr an der faktisch vorgegebenen Vetomöglichkeit der Arbeitgeberverbände scheitern.“ Auch werde ver.di weiter dafür streiten, dass Bund, Länder und Kommunen öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergeben dürfen – und zwar „ohne Ausnahme“.

Das Gemeinwohl schützen

Wie wichtig die Stärkung der Tarifpolitik sei, werde auch angesichts der Situation in Bereichen der Sozial- und Gesundheitsversorgung deutlich. Beispiel Altenpflege. Die gehörte bis Mitte der 90er Jahre zur öffentlichen Daseinsvorsorge in der Verantwortung der Kommunen und Wohlfahrtsverbände. Nachdem die damalige Bundesregierung die Altenpflege für privates Kapital geöffnet habe, seien inzwischen auch „Hedgefonds groß in den Markt der Altenpflege eingestiegen“. Und die tarifungebundenen privaten Pflegeunternehmen, so Werneke, verschafften sich „systematisch über Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen Wettbewerbsvorteile“. Das müsse grundlegend anders werden: „Wir wollen wieder Gemeinwohl statt Profite auf Kosten der zu pflegenden Menschen und der Beschäftigten. Altenpflege und Krankenversorgung müssen der Verwertungslogik des Kapitals entzogen werden. Pflegeeinrichtungen sind keine Fabriken.“

Scharf kritisierte Werneke die „Entsicherung und Entwertung von Erwerbsarbeit“ als Folge der Politik der Agenda 2010 mit ihren Hartz-Gesetzen. Durch Mini- und Midijobs, durch Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen sei Arbeit „millionenfach entsichert worden“ und werde schlecht bezahlt. Rund 9 Millionen Menschen in Deutschland, mehr als jede und jeder fünfte Beschäftigte, müsse für einen Niedriglohn arbeiten. „Das ist eine Schande für Deutschland“, rief Werneke den Delegierten zu. Und: „Wir wollen Hartz IV überwinden. Herumreparieren reicht nicht.“ Prekäre Arbeit müsse eingedämmt werden, sachgrundlose Befristungen etwa gehörten abgeschafft, „und zwar alle“.

Eindeutige Position bezog der neue ver.di-Vorsitzende auch zum gesetzlichen Mindestlohn, dessen Durchsetzung einer der großen politischen Erfolge der Gewerkschaft ver.di gewesen sei. Der Mindestlohn müsse von derzeit 9,19 Euro auf 12 Euro erhöht werden – „ohne Ausnahme. Und noch in dieser Legislaturperiode“. Starken Beifall der Delegierten erhielt Werneke auch, als er sich für „einen konkreten Fahrplan für die Schaffung einer Rentenversicherung“ aussprach, „in die alle einzahlen, inklusive Abgeordnete. Das würde zu einem erfreulichen Realitätsschub in der rentenpolitischen Diskussion führen – und den können wir gut gebrauchen“. Ebenso hinzugezogen werden sollen Selbstständige bei einer Beteiligung ihrer Auftraggeber und perspektivisch auch zukünftige Beamtinnen und Beamte. Das Rentenniveau sei schrittweise wieder anzuheben, auf über 50 Prozent.

In der Klimapolitik, so Werneke, sei „eine ökologische Energie-, Verkehrs- und Agrarwende“ dringlich. Dabei müsse es allerdings sozial gerecht zugehen. Nötig sei insbesondere auch ein Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, „nicht nur in den Städten, sondern auch in ländlichen Räumen“. Und dazu gehörten auch mehr Beschäftigte zu guten Löhnen und Arbeitsbedingungen. Es brauche überdies eine stärkere Vernetzung der Verkehre und neuen Mobilitätskonzepte. Das aber sei eine öffentliche Aufgabe und dürfe nicht „Uber und auch nicht Drive Now – und damit etwa BMW, Daimler oder VW – überlassen werden.“

Klare Worte fand der neue ver.di-Vorsitzende auch in Hinblick auf den Umgang zahlreicher europäischer Regierungen mit geflüchteten Menschen. Sie setzten „immer stärker auf die Abschottung, auf Abschreckung und auf Abschiebung, statt die Ursachen zu bekämpfen“. Damit werde „tausendfach das Sterben vor den Küsten Europas billigend in Kauf genommen“. Dagegen richte ver.di die klare Botschaft: „Diese menschenverachtende Abschottungspolitik der Europäischen Union verurteilen wir zutiefst! Unsere Solidarität gehört den Menschen, die in Not und auf der Flucht sind.“ Die Delegierten bekräftigten das mit starkem Applaus.