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Im Streik: Die Beschäftigten der Schildautalkliniken in SeesenCJB-Foto

Eines haben die Klinikbetreiber Asklepios und Ameos gemeinsam: Nach außen scheinen sie ihre Beschäftigten zu schätzen. "Mitarbeitende sind der entscheidende Faktor", ist auf der Website von Ameos zu lesen. Und beim Asklepios-Konzern hat die "Bindung von qualifiziertem Personal" einen "sehr hohen Stellenwert". In der realen Welt der privaten Konzerne aber sieht es anders aus.

In Sachsen-Anhalt betreibt Ameos die einzigen tariflosen Akutkrankenhäuser im gesamten Bundesland. In den Kliniken in Aschersleben-Staßfurt, Schönebeck, Haldensleben und Bernburg verdienen Krankenpfleger*innen durchschnittlich 500 Euro weniger als in vergleichbaren Krankenhäusern in der Region. Der Befund: Ameos hat die Einkommensentwicklung im Jahr 2012 eingefroren. Damals übernahm das Schweizer Unternehmen die ehemals kommunalen Kliniken. Mit erheblichen Folgen für die Beschäftigten. Neben den bestehenden Reallohnverlusten fürchten die Mitarbeiter*innen nun auch um die Zukunft der Klinik-Standorte und um die Versorgungsqualität. Aufgrund der schlechteren Bezahlung wird es für die Klinikleitungen schwieriger, genügend Personal zu halten.

Junge Fachkräfte? Fehlanzeige!

Einige ihrer Kolleg*innen seien schon an die tarifgebundenen Kliniken in Magdeburg gewechselt, berichtet Dagmar Lampert. "Und zwar nicht allein wegen der besseren Bezahlung, sondern auch wegen der hohen Arbeitsbelastung auf einigen Stationen bei Ameos", sagt die 50-jährige OP-Schwester vom Klinikum Aschersleben. Ameos habe zudem Probleme, junge, neue Fachkräfte zu finden, sagt Bernd Becker. Er ist bei ver.di in Sachsen-Anhalt für das Gesundheitswesen zuständig. Sechsmal hat ver.di die betroffenen Ameos-Kliniken seit Juli 2019 bisher zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Ohne Reaktion der Arbeitgeber.

Stattdessen übt Ameos massiven Druck auf die Beschäftigten aus. Der Konzern droht mit Arbeitsplatzabbau und der Schließung ganzer Abteilungen. Um einen Tarifvertrag zu vermeiden, bietet Ameos einzelnen Beschäftigtengruppen individuelle Entgeltregelungen an. Doch die Beschäftigten fordern einen Tarifvertrag, der für alle Mitarbeiter*innen an allen Standorten Anwendung findet. Von den Drohgebärden ihres Arbeitgebers lassen sie sich nicht einschüchtern. Das zeigte auch ihre starke Beteiligung am zehntägigen Staffelstreik, zu dem ver.di die Belegschaften an den vier Standorten vom 2. bis zum 13. Dezember aufgerufen hat.

Eine von ver.di angebotene Notdienstvereinbarung hatte Ameos nicht unterzeichnet. Mutmaßlich um die Beschäftigten zu verunsichern und sie von der Teilnahme am Streik abzuhalten. "Doch das Maß ist jetzt voll", sagt Dagmar Lampert. Bernd Becker sieht das genauso: Reagiere Ameos bis Jahresende erneut nicht, folge Anfang nächsten Jahres die Urabstimmung über den Vollstreik.

Von Drohungen und Prämien

Auch Asklepios meidet Tarifverträge. In den Schildautalkliniken im niedersächsischen Seesen und der Asklepios-Klinik im bayrischen Lindenlohe haben die Belegschaften in den vergangenen Wochen immer wieder die Arbeit niedergelegt. Ihr Ziel: die Anwendung des "Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst" für alle Beschäftigten.

Die schlechte Bezahlung führt auch bei Asklepios zur Abwanderung von Fachpersonal. Drohungen und Versuche, die Belegeschaft mit Streikbrecherprämien zu spalten, sind an der Tagesordnung. Statt mit ver.di in Tarifverhandlungen zu treten, legte das Asklepios-Management den Betriebsräten an beiden Kliniken Angebote vor. "Dieses leicht verbesserte Angebot gilt aber nur für einen kleinen Teilbereich der Beschäftigten: die Pflege im Akutkrankenhaus. Für alle anderen, das heißt die Pflege in der Reha, Fachkräfte in der Therapie, Verwaltung et cetera gibt es nichts Neues ⁠", sagt Oliver Kmiec. Er ist Betriebsratsvorsitzender der Schildautalklinik in Seesen und weiß, dass nur Tarifverträge Verlässlichkeit bieten und Verbesserungen für alle Beschäftigten festschreiben.

Die Ameos-Belegschaften in Sachsen-Anhalt und die Asklepios-Beschäftigten in Bayern und Niedersachsen haben ein gemeinsames Ziel, von dem sie nicht ablassen werden. Sie fordern tarifvertragliche geregelte Arbeitsbedingungen und faire Löhne, damit ihren Kliniken nicht noch mehr Personal verlorengeht. Ihre Botschaft an die Klinikkonzerne ist kurz vor Weihnachten deutlich: Besinnt euch endlich auf eure vollmundigen Website-Ankündigungen.