Ausgabe 07/2019
Smart geht's nur mit uns
Digitalisierung – das ist ein Wort, das viele Aspekte des technologischen Wandels umfasst und für viel Verunsicherung sorgt. Wenn neue Technologien die Arbeit übernehmen, kann das eine riesige Erleichterung sein und neue Möglichkeiten schaffen, kann aber auch Arbeitsplätze kosten. Gerade Frauen üben häufig Berufe aus, die durch Digitalisierung wegrationalisiert werden können – wie etwa durch elektronische Aktenführung oder durch Teilautomatisierung von Sachbearbeitungsprozessen. Die Automatisierung der sogenannten Lieblingsfrauenberufe betrifft vor allem Warenhandel und Vertrieb sowie Büro und Verwaltungstätigkeiten, sagt Amanda Witkowski vom Referat Mitbestimmung der Hans-Böckler- Stiftung. Dazu kommt – im Zuge der Digitalisierung – die Erwartung, ständig erreichbar zu sein, etwa im Home-Office. Das führt häufig zur Entgrenzung der Arbeit. Im Fokus steht nur noch das Ergebnis der Arbeit, nicht die dafür aufgewendete Arbeitszeit, einhergehend mit einer Arbeitsverdichtung. Das befürchten Frauen zurecht.
Aber: Digitalisierung schafft auch viele neue Jobs für IT-Expert*innen und bietet damit auch für Frauen eine große Chance. Allerdings sind aktuell die meisten Jobs in diesen Bereichen von Männern besetzt. Laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2018 die stattliche Anzahl von 7,9 Millionen sogenannten MINT-Fachleuten in Deutschland. MINT steht für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Davon sind nur 15,4 Prozent Frauen. Welche Chancen bietet also die Digitalisierung, welche Risiken bringt sie für Arbeitnehmer*innen?
Am 24. und 25. Oktober diskutierten darüber auf Einladung der ver.di-Frauen Hamburg und des Frauenbildungszentrums DENKtRÄUME etwa 70 Frauen auf einer Digitalisierungskonferenz in Hamburg. Der große Andrang zeigt, welche Bedeutung das Thema hat.
Im Eingangsreferat "Wie weiblich ist Arbeit 4.0?" machte Amanda Witkowski von der Hans-Böckler-Stiftung unter anderem klar, dass bei der Qualifizierung ein riesiger Gender-Gap, eine Kluft zwischen den Geschlechtern, klafft. Frauen in Teilzeit seien in der betrieblichen Weiterbildung stark unterrepräsentiert, nähmen die Angebote oft in ihrer Freizeit wahr und würden nur mäßig dabei finanziell unterstützt. In nahezu allen Branchen partizipierten Männer mehr an betrieblicher Weiterbildung als Frauen, auch in den deutlich weiblich dominierten Branchen.
Die Referentin plädiert dafür, die Digitalisierung aktiv durch Schulungen und Fortbildungen mitzugestalten und fordert ein stärkeres Nachfragen und Mitbestimmen bei den sogenannten Algorithmen, den Berechnungsregeln, die Computerprogrammen zugrunde liegen. "Algorithmen steuern und beeinflussen uns, sortieren aus, diskriminieren und sind dabei intransparent", zitiert sie das Datenschutz-Info
Witkowski stimmt mit dem Publikum überein, dass Geschlechterstereotype der Digitalisierung überwunden gehören. Es müsse dringend mehr Transparenz geben darüber, wie Programme in der Digitalisierung funktionieren, was sie genau beinhalten. Nur in Open-Code-Programmen, die über den offenen Quelltext überprüft werden können, kann festgestellt werden, ob darin Diskriminierung enthalten ist.
Bei der Podiumsdiskussion ging es um das Thema "Smart City", also die Frage, wie Städte im technologischen Wandel effizient, gerecht und ökologisch gestaltet werden können. Hier forderten die Frauen auf der Konferenz eine Stadt der kurzen Wege, echt gemischte Viertel, in denen alles Lebensnotwendige möglichst zu Fuß erreichbar ist (Bildung, Sport, Arbeit, Gemeinschaftstreffs, Einkauf). Und eine zentrale Station des Öffentlichen Personennahverkehrs, von der aus andere Viertel oder auch der Hauptbahnhof schnell erreicht werden können.
Ganz wichtig war den Frauen dabei, dass alle Bürger*innen frühzeitig in Stadtplanungsprozesse einbezogen werden – und nicht erst, wenn neue Umgestaltungspläne nur zur Einsicht öffentlich ausgelegt werden. Vom Hamburger Senat fordern die Frauen, dass er Beteiligungsforen schafft, in denen sie Ideen für die Smart City entwickeln und kritisch darauf achten können, dass die verschiedenen Bedürfnisse der Geschlechter im urbanen Leben berücksichtigt werden.
Frauen einbeziehen
Fazit der Konferenz: Die Frauen wollen die Herausforderung der digitalen Transformation in der Arbeitswelt gestalten. Berufliche Weiterbildung muss deshalb gestärkt, Beschäftigte müssen vor Kündigungen geschützt werden. Frauen wollen mehr Geschlechtergerechtigkeit und mehr Gestaltungsmöglichkeiten.