Ausgabe 03/2020
Schutzschirm der Gewerkschaft
Die einen arbeiten zu viel, die anderen haben keine Arbeit mehr. Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt quasi auf den Kopf gestellt. Mehr denn je brauchen die Menschen jetzt den Schutzschirm ihrer Gewerkschaft. ver.di hat deshalb mit Hochdruck daran gearbeitet, für die Beschäftigten schnelle finanzielle Hilfen zu erwirken, beispielsweise über den Abschluss von Tarifverträgen und Kurzarbeitergeldregelungen. Und ver.di hat Prämien für diejenigen erwirkt, die in der Krise am Arbeitsplatz besonders belastet sind.
Kurzarbeit in Kommunen
Aufgrund behördlicher Anordnungen wurden Theater, Museen, Bäder, Kultur- und Sporteinrichtungen sowie Schulen geschlossen. Viele Beschäftigte befinden sich in kommunalen Einrichtungen und Betrieben in Kurzarbeit. Im Nahverkehrsbereich gibt es erhebliche Arbeitsausfälle. Demgegenüber gibt es aber auch kommunale Bereiche, in denen jetzt besonders viel geleistet werden muss und es keine Kurzarbeit gibt. Beispielsweise für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Aber auch in Verwaltungen.
Wer im kommunalen öffentlichen Dienst angestellt ist und sich wegen des Corona-Virus in Kurzarbeit befindet, erhält tariflich gesicherte Finanzhilfen, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen. Den Tarifvertrag TV Covid haben ver.di, der dbb beamtenbund und tarifunion und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) abgeschlossen, um die Menschen bei Kurzarbeit vor zu großen finanziellen Einbußen zu schützen. Damit sind die Beschäftigten im kommunalen öffentlichen Dienst bei Kurzarbeit umfassend abgesichert. Der Tarifabschluss setzt aber auch Maßstäbe für andere Bereiche der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens.
Die Beschäftigten erhalten während der Kurzarbeit im kommunalen öffentlichen Dienst, unter Berücksichtigung des Kurzarbeitergeldes, 95 Prozent (bis EG 10 einschließlich) bzw. 90 Prozent (ab EG 11) ihres bisherigen Nettoentgelts, gesetzlich wären es nur 60 beziehungsweise 67 für Beschäftigte mit Kindern gewesen. Während der Kurzarbeit und für drei Monate danach sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen. Weitere Details des Tarifvertrags regeln unter anderem den Umgang mit Arbeitszeitkonten, Urlaub und Überstunden. Der Tarifvertrag ist am 1. April 2020 in Kraft getreten und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2020.
Prämien für Klinikbeschäftigte
ver.di setzt sich dafür ein, dass die Leistung derjenigen, die jetzt besonders viel arbeiten müssen, angemessen honoriert wird. Das Klinikum Mittelbaden in Baden-Württemberg hat als erstes Krankenhaus in Deutschland die ver.di-Forderung nach einer monatlichen Prämie von 500 Euro für Beschäftigte in der kritischen Infrastruktur erfüllt. In dem kommunalen Krankenhaus mit Standorten in Rastatt, Baden-Baden und Bühl, in den sechs zugehörigen Pflegeheimen, und auch in den Servicetochtergesellschaften bekommen Beschäftigte über drei Monate insgesamt 1.500 Euro zusätzlich ausgezahlt – steuerfrei laut Plänen des Bundesfinanzministeriums.
Klatschen alleine reicht nicht, das haben auch die Elblandkliniken in Sachsen erkannt, sie zahlen ihren Beschäftigten insgesamt einen Bonus von 500 Euro. Es handelt sich um die größte kommunale Klinikengruppe dort mit Standorten in Riesa, Meißen, Radebeul und Großenhain. Auch die Beschäftigten der Tochtergesellschaften wie Reinigung, Labor, Küche und Logistik erhalten die Prämie.
Und auch die Bundeshauptstadt zahlt ihren landeseigenen Beschäftigten in der Charité und bei Vivantes einen steuerfreien Extra-Bonus von 1.000 Euro. Damit bedacht werden rund 22.500 Krankenpfleger*innen, Ärzt*innen und Putzkräfte. Weitere Kliniken in Deutschland folgen diesen Beispielen. Beinahe täglich gibt es neue Nachrichten.
Prämien in der Pflegebranche
Auch in Alten- und Pflegeheimen arbeiten die Menschen wegen Corona stark an ihrer Belastungsgrenze. Deshalb haben sich ver.di und der Arbeitgeberverband BVAP auf Eckpunkte für einen Tarifvertrag zu einer Corona-Sonderprämie in der Pflegebranche geeinigt. Die Allgemeinverbindlichkeit wird beantragt. Damit soll die besondere Belastung der Beschäftigten in der stationären Langzeitpflege und in der ambulanten Pflege in der Corona-Krise honoriert werden. Beschäftigte in Vollzeit erhalten demnach mit dem Juli-Gehalt eine Sonderprämie von 1.500 Euro, Teilzeitbeschäftigte bekommen einen Anteil entsprechend ihren geleisteten Stunden. Die Prämie soll an Pflegefachkräfte, Pflegehilfskräfte und Pflegeleitungen gezahlt werden. Auch Alltagsbegleiter*innen, Betreuungskräfte und Assistenzkräfte sind einbezogen. Auszubildende in der Pflege sollen eine Prämie von 900 Euro erhalten.
ver.di begrüßt auch die Empfehlung der vormaligen Pflegekommission an die Bundesregierung, bundesweit einen Prämienanspruch von 1.500 Euro für alle Beschäftigten in der Altenpflege und in den ambulanten Diensten zu regeln und damit die besonderen Belastungen durch die Corona-Krise anzuerkennen. Und auch weitere Branchen und Beschäftigtengruppen hätten angemessene Anerkennung verdient, so der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke an.
Bundesweite Regelung abgelehnt
Noch im März, nachdem ver.di für die Beschäftigten im Lebensmittelhandel Prämien gefordert hatte, gaben die Supermarktketten Rewe und Aldi bekannt, für die Mehrarbeit während der Corona-Krise eine Extra-Prämie zahlen zu wollen. Metro-Deutschland zog mit und hat Warengutscheine für seine Mitarbeiter*innen angekündigt, ebenso die Schwarz-Gruppe, zu der die Discounter Lidl und Kaufland gehören.
Während der Lebensmittelhandel boomte, mussten viele andere Geschäfte schließen. So ist es positiv, dass viele Unternehmen wie Primark, H&M, Zara, Walbusch oder Fielmann eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 und 100 Prozent vereinbart haben. Mit scharfer Kritik hat ver.di im April jedoch auf die Absage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) reagiert, der eine bundesweite Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes im Einzelhandel auf 90 Prozent ablehnte. Dem gegenüber haben sich ver.di und der Handelsverband Nordrhein-Westfalen am 31. März 2020 auf einen Tarifvertrag über eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds im Rahmen der Corona-Krise für die Beschäftigten verständigt.
Krise im Luftverkehr
Einen kleinen Lichtblick gab es für die Beschäftigten der Fluggesellschaft Eurowings GmbH. ver.di hat sich mit der Low-Cost-Airline im Lufthansa-Konzern auf einen Tarifvertrag zur Einführung von Kurzarbeit für die Kabinenbeschäftigten geeinigt. Der Tarifabschluss sieht die Einführung von Kurzarbeit ab dem 1. April 2020 sowie die Aufstockung auf 90 Prozent des bisherigen Nettoentgelts vor. Auch eine Beschäftigungssicherung für die über 1.100 Kabinenbeschäftigten konnte ver.di vereinbaren. Der Lufthansa-Konzern hat aber auch angekündigt, den Betrieb der Germanwings einzustellen und die Konzernflotte zu reduzieren.
Insgesamt befindet sich die Luftverkehrsbranche in einer schweren Krise. In einem offenen Brief, initiiert von ver.di, stellen Betriebsräte und Personalvertretungen der gesamten Luftverkehrsbranche klare Forderungen für die über 300.000 Beschäftigten auf. Staatshilfen, die wegen der Corona-Pandemie nötig werden, müssten an soziale Bedingungen geknüpft werden. Aktuell ist jedoch das Gegenteil zu sehen. Einige Flughäfen haben damit gedroht, aus dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes auszusteigen. Der mehrheitlich in öffentlicher Hand befindliche Passagierabfertiger Aviation Handling Services in Hamburg ist aus dem kommunalen Arbeitgeberverband ausgetreten und hat Tarifflucht begangen.
Hilfe in Zeiten von Corona
In vielen Branchen kämpfen die Beschäftigten jetzt um ihre Existenz. Solo-Selbstständige erleiden Auftrags- und Einkommenseinbußen und brauchen dringend Soforthilfen. In der Logistikbranche haben sich die Arbeitsbedingungen der Fahrer*innen verschlechtert, die Löhne und Frachtraten sind unter Druck geraten. Friseur*innen blieben wochenlang ganz ohne Arbeit, das gesetzliche Kurzarbeitergeld reicht vorne und hinten nicht aus. Besonders bitter ist Kurzarbeit für Menschen mit sowieso schon niedrigen Löhnen. ver.di setzt sich deshalb besonders für Berufsgruppen im Niedriglohnbereich ein.