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Beschäftigte von Karstadt Sports und einigen Berliner Filialen der Galeria Karstadt Kaufhof demonstrierten vor dem Hauptstadtsitz der Signa Holding in Berlin gegen die angekündigten Schließungen. Es bleiben drei weitere Filialen in Berlin erhaltenFoto: Christian Jungeblodt

Nachdem die Signa-Holding zum Jahresbeginn die beiden verbliebenen Warenhausketten Karstadt und Galeria Kaufhof zusammengeführt und ver.di für die Kolleg*innen sowohl die Rückkehr in die Tarifverträge als auch eine Standort- und Beschäftigungssicherung ausgehandelt hatte, schien Ruhe eingekehrt zu sein. Doch dann kam Corona – und Signa-Chef René Benko nutzte die Pandemie, um das Filialnetz weiter auszudünnen.

Einmal mehr demonstrierten am 30. Juli Beschäftigte von Karstadt Sports und auch einigen Berliner Filialen der Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) vor dem Hauptstadtsitz der Signa Holding gegen die angekündigten Schließungen. Am selben Tag wurde das Aus für vier Sporthäuser (Bremen, Dortmund, Hamburg-Harburg, Karlsruhe) zurückgenommen. Vielleicht war der Zeitpunkt ein Zufall, doch immerhin bedeutet die Rücknahme für rund 200 Beschäftigte den Erhalt ihrer Jobs. Vier Tage später kamen nach dem Einsatz Berliner Politiker*innen und Verbandsvertreter*innen auch drei weitere Warenhäuser in der Hauptstadt von der Schließliste – allerdings befristet und gegen die Zusage, dass die Häuser am Hermannplatz und am Ku'damm zügig und komplett umgebaut werden dürfen. Am 11. August wurde bekannt: Auch die Konzernzentrale und die GKK-Filiale am Limbecker Platz in Essen werden bleiben.

Nach Stand 12. August sollen statt ursprünglich 62 nun noch 46 von 172 GKK-Niederlassungen Ende Oktober bzw. Ende Januar 2021 geschlossen werden. Von Karstadt Sports bleiben 14 von 30 Filialen. Für die Warenhauskette und die Sporthäuser hatte Signa nach Umsatzverlusten während der Pandemie Anfang April ein Schutzschirmverfahren beantragt, das zum 1. Juli in ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung überging. Häuserschließungen und der damit verbundene Arbeitsplatzabbau sollen die Reste der Warenhauskonzerne Karstadt und Galeria Kaufhof sichern helfen.

"Wir sind hier weit und breit der einzige Anbieter für Sportartikel", sagte während der Demo am 30. Juli Ruth Olbrich, Betriebsratsvorsitzende des Berliner Hauses an der Joachimsthaler Straße. "Die Umsätze sind gut, aber Signa hat wohl kein Interesse am Weiterbetrieb." Auch ein Kollege aus dem Sporthaus in der Hamburger Mönckebergstraße zeigte sich zwar kämpferisch, doch wenig optimistisch. "Der Räumungsverkauf hat begonnen, und wir haben gehört, dass der Arbeitgeber Häuser sogar schließen würde, wenn gar keine Miete gezahlt werden müsste."

Was richtig ärgert

Besonders erbost die Karstadt Sports-Beschäftigten, dass ihnen nach Schließung ihrer Häuser keine Transfer-, Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesell- schaft finanziert werden soll. "Eine Sechs-Monats-Finanzierung der Transfergesellschaft mit 3,4 Millionen Euro kostet René Benko weniger als das Jahresgehalt eines Managers", sagt dazu Orhan Akman, Leiter ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhan-del. Im Zuge der Tarifverhandlungen hatte ver.di Transfergesellschaften für alle von Schließungen betroffenen Beschäftigten des Unternehmens ausgehandelt. Erst im Juli hatte ein Beteiligter am Insolvenzverfahren erklärt, dass eine finanzielle Ausstattung einer Transfergesellschaft bei Karstadt Sports nicht drin sei. Doch ohne Geld funktioniere das nicht, so Akman: "Nur mit einer finanzierten Transfergesellschaft können Menschen weiterqualifiziert und auf einen neuen beruflichen Weg vorbereitet werden."

Die Beschäftigten der GKK-Schließ- filialen einschließlich Karstadt Feinkost können dagegen die Möglichkeit der Weiterbildung in einer Transfergesellschaft für sechs Monate nutzen. Deren Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft ist finanziell gesichert. Zudem hat ver.di in schwierigen Tarifverhandlungen vor Beginn des Insolvenzverfahrens erreicht, dass keine weiteren Stellen in den verbleibenden GKK-Häusern abgebaut werden, die Flächentarifverträge erhalten bleiben, ein Tarifvertrag zu guter, gesunder Arbeit vereinbart wurde und sich die Beschäftigten am Zukunftskonzept für die Warenhäuser beteiligen können. Wie künftig die Großimmobilien in besten Innenstadtlagen genutzt werden, ist offen. Ähnliche Mieter wie die Warenhäuser dürften sich kaum finden lassen.