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Damit Fliegen sicher bleibt: Beschäftigte der Berliner Flughäfen wollen zurück in öffentliche HandFoto: Christian Mang

Berlin – Manche Unternehmen nutzen die Corona-Pandemie, um mit vereinfachten Verfahren Beschäftigte loszuwerden und dabei auch noch Abfindungen zu senken. Ein Beispiel aus jüngster Zeit: das Schutzschirmverfahren für die Wisag Ground Service Tegel GmbH (WGST), Tochter des Flughafendienstleisters Wisag mit Hauptsitz in Frankfurt/Main. Rund 350 Beschäftigte, die überwiegend seit Jahrzehnten am Berliner Flughafen Tegel in der Flugabfertigung arbeiten, könnten dadurch ihre Jobs verlieren.

Und so geht das: Wisag hat für die Tochtergesellschaft ein sogenanntes Schutzschirmverfahren beantragt – eine besondere Variante einer Insolvenz –, in dessen Verlauf das Management versuchen wird, "ein neues Geschäftsmodell für die WGST zu entwickeln, mit dem Ziel, für einen Teil der Belegschaft eine Perspektive zu schaffen", so wurde die Wisag-Gruppe in Medienberichten Ende Juli zitiert. Drei Monate hat das Unternehmen Zeit, ein Konzept zu entwickeln, ohne dass Gläubiger in diesem Zeitraum Forderungen geltend machen können.

Billig bis zum Schluss

Grund für das Schutzschirmverfahren sei der coronabedingte Einbruch beim Flugverkehr, macht die Wisag geltend. Doch das dürfte nur zum Teil zutreffen, da in Berlin unabhängig von der Pandemie ohnehin größere Änderungen beim Luftverkehr und der damit verbundenen Flugabfertigung bevorstehen. Ende Oktober soll schließlich der BER, der neue Berliner Großflughafen, acht Jahre nach seiner ursprünglich und zuletzt für 2015 ernsthaft geplanten Eröffnung ans Netz gehen, sollen Tegel geschlossen und Schönefeld, der derzeit zweite Berliner Flughafen in Betrieb, runtergefahren werden.

"Aus diesem Grund haben wir schon 2018 mit der Wisag AG tarifvertragliche Abfindungsansprüche für die Kolleg*innen vereinbart, die beim Wechsel zum BER ihren Job verlieren", sagt Enrico Rümker, für die Luftfahrt zuständiger ver.di-Gewerkschaftssekretär im Landesbezirk Berlin-Brandenburg. Bis zu 15 Monatsgehälter Abfindung wären für viele der langjährig Beschäftigten fällig geworden. Das von der Wisag nun gewählte Schutzschirmverfahren bedeute hingegen, dass alle Abfindungen gedeckelt seien – auf maximal zweieinhalb Monatsgehälter nach der Insolvenzordnung.

"Das Verhalten der Wisag lässt vermuten, dass die Corona-Krise und die absehbare Schließung von Tegel dazu benutzt werden, Kosten zu sparen und die teureren, aber am besten qualifizierten Altbeschäftigten billig loszuwerden", so Rümker. Bei denen handelt es sich um Kolleg*innen der früheren landeseigenen Globeground, die von der damaligen SPD-Linken-Regierung in Berlin 2008 an die Wisag verkauft worden war. Inzwischen mehren sich in der Berliner SPD die Stimmen, die die Flugabfertigung zurück in die öffentliche Hand holen wollen. Die nächste Lizenzvergabe dafür steht allerdings erst in zwei Jahren an.

Rekommunalisieren

"Nach Einschätzung von ver.di zeigt auch die jetzt erklärte Insolvenz, dass die Privatisierung und der Verkauf der Globeground schwere Fehler waren, die jetzt korrigiert werden müssen", sagt Rümker. Die Bodenabfertigung gehöre wieder in die Hand des Flughafens. Im September will der SPD-Abgeordnete Jörg Stroedter laut einem Pressebericht von Ende Juli einen Antrag auf die Rekommunalisierung der Flugabfertigung ins Berliner Abgeordnetenhaus einbringen. Ein Parlamentsbeschluss wäre ein starkes Zeichen, dass der politische Wille da ist, erklärte er. Der Verkauf von Globeground sei ein Fehler gewesen, sagt Stroedter.

So, wie das auch Enrico Rümker sieht. "Der Kardinalfehler war die Aufteilung des Unternehmens in viele Tochtergesellschaften, die in Konkurrenz zueinander stehen. Ohne den Verkauf wäre den Beschäftigten vieles erspart geblieben", sagt er. Auch ver.di setze sich deshalb für einen neuen kommunalen Anbieter für die Bodendienstleistungen an den Flughäfen ein.