Immer öfter werden Betriebsratsmitglieder behindert, boykottiert oder sogar fristlos gekündigt. Und immer öfter gehen die Fälle vor Gericht.

Fünfmal fristlos

Im Callcenter Simon & Focken in Hamm hat der Arbeitgeber versucht, gleich fünf Betriebsratsmitglieder auf einen Schlag fristlos zu kündigen, weil sie dem vorgelegten Schichtplan, der mitbestimmungspflichtig ist, nicht zustimmten. Weil sie ihren Job gut machen wollten. Es ging um Arbeiten an Fronleichnam. Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber wiederholt versucht hat, an Sonn- und Feiertagen Arbeitsschichten einzuplanen, denen der Betriebsrat nicht zustimmte. Das Arbeitsgericht gab dem Betriebsrat für seine Entscheidung zu Fronleichnam Recht. "Wir wollten für die Beschäftigten über einen Nachteilsausgleich für die Arbeit an einem Feiertag verhandeln. Das ist unser Job", sagt der Betriebsratsvorsitzende Andreas Piezocha.

Die Betriebsräte stimmten auch dem Kündigungsbegehren des Arbeitgebers nicht zu – jeder Fall musste einzeln mit einem Ersatzmitglied abgestimmt werden. Jetzt schwebe ein "Damoklesschwert" über ihnen, sagt Piezocha. Denn der Arbeitgeber könne noch das Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht anstreben.

Mit den Drohungen und Kündigungen habe das Callcenter Simon & Focken die Betriebsratsarbeit behindert, sagt Matthias Baumann von ver.di Westfalen. Für die Beschäftigten und für ver.di stehe fest, hier wolle man sich eines unbequemen Betriebsrates entledigen und "Widerstand gegen Sonn- und Feiertags- arbeit plattbügeln".

Ebenfalls vor Gericht landete die Behinderung eines Betriebsrats bei der Sparda-Bank in Hannover. Einer Bank, der es finanziell gut gehe, sagt Jörg Reinbrecht von ver.di Niedersachsen-Bremen. Die Beschäftigten bei der Bank seien "superaktiv" und hätten im letzten Jahr für ihren Tariflohn erfolgreich gestreikt. Das sei dem Vorstand ein "Dorn im Auge", so Reinbrecht, denn jetzt wolle die Sparda-Bank den stellvertretenden Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats, Detlev Hagenkord, kündigen. Angeblich habe der aktive Gewerkschafter, der offen und erkennbar an einer Telefonkonferenz teilgenommen habe, Beschäftigte abgehört. Laut Sparda sei seine Teilnahme nicht ordnungsgemäß gewesen.

Absurde Vorwürfe

Einem zweiten ver.di-Aktiven, der kein Mitglied des Betriebsrates war, sei ebenfalls gekündigt worden. Sein Verfahren wurde mit einem für den Kollegen positiven Vergleich vor dem Arbeitsgericht beendet. Auch hat das Arbeitsgericht am 25. Juni entschieden, dass die Kü digung von Detlev Hagenkord unrechtmäßig war. "Ich fand die Reaktion des Arbeitgebers übertrieben, zumal es mir ausschließlich um das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ging", sagt Hagenkord.

Die Vorwürfe der Sparda-Bank seien "völlig absurd," betont auch Jörg Reinbrecht. "Wir haben versucht zu vermitteln. Auch der Betriebsrat hat das versucht. Wir alle sind an der Kompromisslosigkeit des Vorstands gescheitert. Eindeutig sollen hier aktive Gewerkschafter abgeschreckt werden." In einer Petition solidarisierten sich über 5.000 Kolleg*innen und Kund*innen mit dem Betriebsrat und Gewerkschafter.

Radikaler Schnitt

Auch die Friseurkette Klier in Hamburg will ihren gesamten Betriebsrat loswerden und hat dazu sechs Kündigungen ausgesprochen. Da der Betriebsrat den Kündigungen nicht zustimmte, versucht das Familienunternehmen die Zustimmung vor dem Arbeitsgericht einzuholen. Inzwischen steht es aber 2:0 für den Betriebsrat. Jetzt habe Klier eine große Anwaltskanzlei zur Unterstützung geholt, sagt Peter Bremme von ver.di Hamburg. "Die wollten von Anfang an keinen Betriebsrat." Das Vorgehen sei Behinderung von Betriebsratsarbeit, die strafrechtlich verfolgt werden müsse. Optimistisch sei er, dass auch die übrigen Kündigungen abgelehnt werden.

"Wir haben als Betriebsrat gesetzlich geschützte Mitspracherechte und setzen uns für die Rechte der Beschäftigten ein, wie Pausen und Arbeitszeiten", sagt die Betriebsratsvorsitzende Katrin Rux. "Über die Kündigungen war ich geschockt, nachdem wir so viel für das Unternehmen und die Mitarbeiterinnen getan haben." Gestritten wird vor Gericht darum, ob die Arbeitszeit für die Betriebsratsarbeit richtig angegeben wurde. Klier will Vor- und Nachbereitungszeiten von Treffen nicht anerkennen. Da für jede Kollegin der Fall individuell verhandelt werden muss, sind es insgesamt sechs Gerichtstermine.

Schon während der Gründung des ersten Betriebsrats in Hamburg/Schleswig Holstein – vor gut sieben Jahren – waren Beschäftigte bei Klier in ihren Rechten behindert worden. Damals hatte Klier die Wahl angefochten und versucht zu behindern. Und auch die Betriebsräte in Berlin und Hannover stehen unter Dauerbeschuss: Seit Jahresanfang gibt es über 20 Gerichtsverfahren gegen sie. ver.di sammelt Solidaritätsunterschriften.

Besonders dreist sind die Versuche, die Betriebsratsarbeit zu behindern, bei Dachser Food Logistics. In einem Betrieb in Bremen hat der Arbeitgeber Rücktritte von Betriebsräten erkauft. Das Gremium musste neu gewählt werden. Eine Betriebsrätin, die Dachser verließ, legte Beweise vor. ver.di stellte Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit. Die Ermittlungen laufen noch. Auch muss das Arbeitsgericht über den Versuch des Arbeitgebers entscheiden, den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden auf eine schlechtere Stelle zu versetzen.

In einem weiteren Dachser-Betrieb in Memmingen bekam der Betriebsratsvorsitzende die außerordentliche Kündigung, weil er angeblich Informationen zu Diebstählen nicht weitergegeben hatte. Das Arbeitsgericht lehnte die Kündigung ab. Laut Robin Faber von ver.di wollte Dachser ein Zeichen gegen kritische Beschäftigte setzen.

Eingeschüchtert

Nach einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung wurden bei fast der Hälfte der dort untersuchten Fälle Behinderungen bei Betriebsratswahlen aufge- deckt. In 70 Prozent der Problemfälle wurden die Betriebsräte vom Arbeitgeber eingeschüchtert. Außerdem wurden Betriebsräte zum Rücktritt gedrängt oder es wurde juristisch gegen sie vorgegangen. Die Wahlen zu neuen Betriebsräten wurden in knapp einem Drittel der Fälle ganz verhindert.