ver.di publik: Wie hast du den Datenskandal bei euch im Callcenter wahrgenommen?

GIOVANNI LAPORTA: Wir hatten ein gutes und offenes Betriebsklima. Wir duzen uns, reden uns mit Vornamen an. Dann wurde uns das Datenleck mitgeteilt: Über das Ausmaß waren wir bestürzt, aber auch über die Medienaufmerksamkeit. Viele wussten, dass die Teamleiter angehalten waren, genauer hinzuschauen, wenn jemand krank war. Das schien mir unter dem Aspekt Fürsorgepflicht zu stehen, zum Beispiel wenn jemand Rückenprobleme hatte und einen anderen Stuhl brauchte. Oder es ging um Rückkehrgespräche, wenn jemand lange krank war. Auch gab es Anwesenheitslisten. Aber was da vielleicht mal gut und wohlwollend gemeint war, ist in einigen Fällen vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Damit wurden Menschen in ihrer Privatsphäre verletzt. Rückblickend hätte die Personal- und Rechtsabteilung dies unterbinden müssen.

ver.di publik: Wurde im Umgang mit Daten seither etwas verbessert?

LAPORTA: Es gab in einigen Bereichen ein ungesundes Halbwissen, was den Datenschutz angeht, und man war nicht ausreichend geschult. Es war zwar klar, dass wir sensibel mit Kundendaten umgehen müssen, aber im Umgang mit Mitarbeiterdaten hat Sensibilität gefehlt. Datenschutzregelungen sind jedoch wichtig, zum Beispiel das zeitgerechte Löschen von Daten. Inzwischen haben wir Konzepte und Schulungen für den Datenschutz bekommen. Einen Datenschutzbeauftragten hat es zuvor schon gegeben und auch eine Whistleblower-Adresse. Jetzt ist uns allen bekannt, dass jeder ein Auskunftsrecht über seine eigenen Daten hat. Wichtig war vielen, dass ein Teil der Führungsebene ging, denn die hat offenbar das Sammeln von Daten zum Teil gefördert, statt zu bremsen.

ver.di publik: Was hälst du von den BigBrotherAwards?

LAPORTA: Die Awards sind wichtig und richtig, auch wegen der Signalwirkung für andere.

ver.di publik: Bist du über das Bußgeld überrascht?

LAPORTA: 35 Millionen Euro sind viel Geld. Ich denke, die Summe muss aber wehtun, wenn man Kontrollmechanismen durchsetzen will. Es geht ja auch um eine europaweite Signalwirkung und um das Schärfen des Bewusstseins in anderen Unternehmen.

ver.di publik: Bekommen alle Beschäftigten Entschädigungszahlungen?

LAPORTA: Das Unternehmen zahlt freiwillig an alle 2.500 Euro, die seit der Verschärfung des Datenschutzgesetzes 2018 mindestens einen Monat im Service Center beschäftigt waren. Wichtig ist: Man verzichtet damit nicht auf weitere Entschädigungsansprüche. Das hat auch die Datenschutzbehörde ausdrücklich begrüßt. Wichtig ist für uns, dass mit einer teils erneuerten Führungsebene ein Neuanfang möglich ist.

ver.di publik: Wie ist denn das Betriebsklima jetzt?

LAPORTA: Es ist gespalten. Die neue Führungsebene unternimmt alles, damit es wieder gut läuft, aber wir haben noch kein optimales Betriebsklima. Die Menschen fühlen sich verunsichert, sind verletzt, wurden enttäuscht. Das war auch für mich eine sehr extreme Zeit, denn es war nicht leicht, einen Betriebsrat zu gründen. Unseren Betriebsrat gibt es jetzt seit drei Monaten. Dafür habe ich zusammen mit vielen anderen Kollegen gekämpft.

ver.di publik: Was empfiehlst du anderen Belegschaften?

LAPORTA: Ich empfehle, holt euch Hilfe, geht zu eurem Betriebsrat, wenn es einen gibt. Zieht die Gewerkschaften ins Vertrauen. Ich kann aber auch verstehen, wenn man das Gefühl hat, niemand hört einem zu, dass man damit an die Öffentlichkeit geht. Die Berichterstattung der Presse hat aber zum Teil zu einer Spaltung der Belegschaft geführt. Wir haben jetzt einen Betriebsrat, an den man sich wenden kann. Wenn es keinen gibt, hilft ver.di, seine Wahl durchzusetzen.

INTERVIEW: Marion Lühring