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Streik in einem Straßenbahn-Depot in Nordrhein-WestfalenFoto: Berg/picture alliance/dpa

Am 25. Oktober ist die Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst für die Beschäftigten von Bund und Kommunen erzielt worden. Einen Tag später stehen in Bayern Busse und Bahnen still. Die Beschäftigten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) streiken. Aber ist der ÖPNV kein Teil des öffentlichen Dienstes?

ver.di hat seit Beginn des Jahres in allen Bundesländern die jeweiligen Mantel-Tarifverträge für den Nahverkehr gekündigt, um mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) über einen Rahmentarifvertrag verhandeln zu können. So will ver.di grundlegende Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel Urlaub und Zulagen, bundesweit vereinheitlichen. Denn die Arbeitsbedingungen im ÖPNV sind derzeit nicht attraktiv.

Mira Ball, Leiterin der ver.di-Bundesfachgruppe Busse und Bahnen, berichtet von starker Arbeitsverdichtung. Während in den vergangenen 20 Jahren das Personal um 18 Prozent abgebaut worden ist, hat das Fahrgastaufkommen um 24 Prozent zugenommen. Durchschnittlich drei Überstunden pro Woche sind die Regel, Fahrdienste dauern bis zu 14 Stunden, sind allerdings häufig für einige Stunden unterbrochen, und diese Zeit wird nicht bezahlt. Und die knappen Pausen reichen meist nicht einmal mehr, um zur Toilette zu gehen.

Der Sparkurs hat zu einem Einstellungsstopp geführt, der Altersdurchschnitt des Personals liegt dadurch mittlerweile bei 49 Jahren. Bis 2030 muss etwa die Hälfte der Stellen neu besetzt werden, weil entsprechend viele Kolleg*innen in Rente gehen. Aber Personal fehlt auch schon jetzt. Und soll die Verkehrswende gelingen, wird noch einmal zusätzliches Personal gebraucht. Zur Förderung und Gewinnung von Nachwuchs muss die Arbeit in den ÖPNV-Unternehmen deutlich attraktiver werden, sagt Mira Ball. Doch bislang hat die VKA Verhandlungen über den bundesweiten Rahmentarifvertrag verweigert.

Verhandelt werden bislang nur die einzelnen regionalen Tarifverträge mit den jeweiligen Kommunalen Arbeitgeberverbänden. Themen sind die dringend notwendigen Entlastungen und weitere Regelungen. Auch dabei kommt es zu Warnstreiks, wie jüngst in Bayern. Bislang wurde das Tarifergebnis des öffentlichen Dienstes automatisch in Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen in die entsprechenden Tarifverträge übernommen. Diesmal verweigern die Arbeitgeber das. Gerade wegen der vereinbarten Corona-Prämie drängt jetzt aber die Zeit, hier zu Einigungen zu kommen. Sie muss noch in diesem Jahr ausgezahlt werden, damit sie steuer- und abgabenfrei ist.

Mira Ball warnt die Arbeitgeber vor dem Versuch, den Zeitdruck hinter der Corona-Prämie zu nutzen, um notwendige Entlastungen gegen die Corona-Prämie aufzurechnen. "Wir werden das nicht zulassen", sagt sie, schließlich gehe es um die Gesundheit der Beschäftigten. ver.di erwarte, dass die Regelungen zur Zahlung der Corona-Prämie übernommen werden, nicht zuletzt als Dank für den Einsatz der Beschäftigten während des Lockdowns im Frühjahr. "Alles andere wäre unredlich", sagt Ball. In den kommenden beiden Wochen will ver.di auf regionaler Ebene weiter verhandeln und erwartet, dass die Corona-Prämie und Entgelterhöhungen für die Beschäftigten im Nahverkehr vereinbart werden. Wenn nicht, sind weitere Konflikte und damit auch mögliche weitere Warnstreiks auf Länderebene programmiert. hla

Nach Redaktionsschluss ist es bereits zu ersten Einigungen auf Länderebene gekommen. Sie stehen jedoch noch unter Einigungsvorbehalt.

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