Die Technische Universität (TU) Berlin beschäftigt rund 2.500 studentische Mitarbeiter*innen. Da kommen nicht nur viele Arbeitsstunden zusammen, die erfasst werden müssen. Regelmäßig kommen auch Mehrstunden vor. Doch bislang wurden nicht alle Stunden erfasst und entsprechend honoriert. Als 2017 an der TU die Software SAP (Systeme, Anwendungen und Produkte) für die Digitalisierung aller Verwaltungsprozesse eingeführt werden sollte, lag es für die TU nahe, SAP auch für die Zeiterfassung zu nutzen. Doch die Software stieß bei vielen studentischen Beschäftigten auf Kritik.

"Deshalb haben wir erst einmal eine Umfrage gemacht. Und die ergab dann tatsächlich, dass SAP mehrheitlich nicht gewünscht ist", sagt Kimberly Hartl, die damalige Personalratsvorsitzende. "Gleichzeitig sehnte man sich aber nach fairen Regelungen für alle." Verbindliche Regelungen mussten gefunden werden. "Die Idee war da, ein Gleitzeitkonto einzurichten. So wie es das auch schon für hauptamtlich Beschäftigte gab", erläutert Hartl. Das Gleitzeitkonto sollte regeln, ob, wann und wie viel Mehrarbeit geleistet werden darf und wie sie wieder abgebaut werden kann.

Im Team gemacht

Aufgrund der Umfrageergebnisse hat sich der Personalrat gegen eine Zeiterfassung mit SAP ausgesprochen. Darüber sei die Dienststelle nicht gerade begeistert gewesen, berichtet der amtierende Personalratsvorsitzende Marcel Fünfstück. Letztendlich habe sie aber die Umfrage anerkannt und sei zu Verhandlungen bereit gewesen.

Marcel Fünfstück, Kimberly Hartl, Jan Lübbe und Aris Harkat haben dann als Kernteam zusammen mit dem restlichen Personalratsgremium drei Jahre intensiv an der Dienstvereinbarung gearbeitet. "Das Kernteam ist auch deshalb wichtig gewesen, weil das Projekt wegen der kurzen Amtsperioden immer wieder neu im Gremium diskutiert werden musste", erläutert Jan Lübbe die Vorgehensweise. Neue Mitglieder hätten neue Perspektiven eingebracht. "Auch die mussten mitgenommen werden."

Parallel dazu sei der Austausch mit den studentischen Beschäftigten wichtig gewesen, sagt Aris Harkat. Auch sie haben die Möglichkeit bekommen, sich während des laufenden Projektes zu beteiligen. "Die Feedbackschleifen waren notwendig, um wichtige Hinweise bei der Umsetzung zu bekommen", so das Personalratsmitglied. Denn die Bedingungen für die studentischen Beschäftigten waren überall sehr unterschiedlich, genauso wie ihre Wünsche.

Es habe viele Grauzonen gegeben, erklärt Kimberly Hartl. Viele studentische Beschäftigte hätten "zig Überstunden" angehäuft, die laut Vertrag nicht hätten anfallen dürfen. "Die haben sie abgebummelt oder verfallen lassen." Auch gab es "zig Versionen von Arbeitszeiterfassungsbögen", die nicht mitbestimmt und vor allem fehlerhaft gewesen seien. Sogar Urlaub sei verfallen.

Auch Jan Lübbe bestätigt den bis dato "uneinheitlichen Umgang mit der Arbeitszeit". Gerade die Professoren hatten eine sehr unterschiedliche Herangehensweise. Oft seien sie von einer falschen Wochenarbeitszeit ausgegangen. "Viele Beschäftigte haben dadurch einige Stunden mehr gearbeitet, unbezahlt und ohne Aufzeichnungen dazu. Oft kursierten auch selbst gebastelte Excel-Tabellen, die das falsche Vorgehen dann noch scheinbar legitimierten."

"Der Wildwuchs wurde jetzt mit einer gut funktionierenden und einheitlichen Vorlage gestoppt. Nun ist klar geregelt, wie viel Mehrarbeit maximal anfallen darf und wie das Zeitkonto wieder auf Null zu bringen ist oder was beim Ausscheiden von studentischen Beschäftigten mit unverschuldeten Minusstunden passiert", erläutert Kimberly Hartl die Dienstvereinbarung. Wichtig findet sie, dass die Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigt wurden. Beispielsweise können die Plus- und Minusstunden über lange Zeiträume angesammelt werden. Gerade für die Gruppe der Tutor*innen, die vor allem im Semester arbeiten und häufig ihre Mehrarbeit in der vorlesungsfreien Zeit abbummeln, sei das besonders wichtig.

Eine Ampel für alle

Es kann jetzt nicht nur ein Arbeitszeitguthaben sondern auch ein Arbeitszeitdefizit aufgebaut werden. Es gibt eine Rahmenarbeitszeit und verbindliche Regelungen, wie beispielsweise der Erholungsurlaub zu gewähren ist. Leistungs- und Verhaltenskontrollen wurden verhindert. Erfasst werden die Zeiten von den Beschäftigten selbst in einem digitalen Zeiterfassungsbogen. "Der grenzenlosen Ausbeutung von studentisch Beschäftigten wurde ein Ende gesetzt", beurteilt Aris Harkat das Ergebnis.

Das Arbeitszeitkonto wird anhand eines Ampelsystems kontrolliert. Bei Grün ist alles in Ordnung. Gelangt das Arbeitszeitkonto in den gelben Bereich, gibt es einen Informationsaustausch mit der Führungskraft. Werden Pausenzeiten nicht eingehalten, gibt es zu viele Plusstunden oder wird die tägliche oder wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten oder werden Ruhepausen sowie der Arbeitszeitrahmen nicht eingehalten, erscheint auf dem Datenblatt ein rotes Kästchen mit einer Fehlermeldung. Die Zeiten werden trotzdem einberechnet, aber der Hinweis soll die Beschäftigten und Führungskräfte sensibilisieren, damit die Regelungen auch eingehalten werden.

"Ausdauer, Hartnäckigkeit und der Glaube an die Idee haben zum Erfolg geführt", sagt Marcel Fünfstück. "Jetzt haben wir nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch einen einheitlichen Umgang mit Arbeits- und Abwesenheitszeiten für die Beschäftigten erreicht." Ein zusätzliches Plus sei das mobile Arbeiten. "Die verbesserte Möglichkeit zur Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Familie bzw. Freizeit sowie die Möglichkeit, mobil arbeiten zu können, halte ich für besonders gelungen", sagt der Personalratsvorsitzende. Anderen, die das auch erreichen wollen, empfiehlt er "eine gute Informationspolitik und eine frühzeitige Einbindung der Beschäftigten, damit das auch von ihnen mitgetragen wird."

Kurz vor Jahresende gab es für die Dienstvereinbarung den begehrten Personalrätepreis in Silber:

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