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Das Personal ist sauer, die Einkommen wurden frontal angegriffenMarkus Gilliar/GES/picture alliance

Die Buchhandelskette Thalia hat den Berliner Betrieb mit seinen 13 Filialen rückwirkend zum 1. Januar 2021 aufgespalten, bei den Einkommens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten stehen die Zeichen auf maximale Konfrontation. Durch Betriebsübergänge sind zwölf der Filialen in eine andere Gesellschaft überführt worden, in die bereits existierende Thalia Nord. Für die 13. Filiale wurde eine eigene Gesellschaft gegründet.

Die Betriebsübergänge waren eine böse Überraschung für die Berliner Beschäftigten zum Jahresanfang, denn die Buchhandelskette hat mit dem Übergang in die neuen Gesellschaften den Tarifvertrag des Einzelhandels verlassen. Das bedeutet zukünftig vor allem deutliche Einkommensverschlechterungen. Und: Seit Jahresbeginn berechnet sich auch ihre Vergütung wie andernorts allein an ihren Verkaufserfolgen.

Widerspruchsrecht gegen einen Betriebsübergang verwehrt

Die 220 Beschäftigten in den Berliner Filialen stehen mit den neuen Entwicklungen vor vollendeten Tatsachen, ohne dass ihnen das gesetzlich verbriefte Widerspruchsrecht gegen einen Betriebsübergang gewährt wird. Auch der Betriebsrat war über die Pläne nicht informiert worden, obwohl ihm das per Gesetz zugestanden hätte. "Mit der Beendigung der Sozialpartnerschaft hat Thalia den Betriebsfrieden blitzartig aufgekündigt", sagt Erika Ritter, zuständige ver.di-Landesfachbereichsleiterin Handel in Berlin-Brandenburg.

In dem neuen Vergütungssystem wolle Thalia die Vergütung künftig nach "Unternehmenserfolg" vornehmen. Und den werde die Unternehmensleitung festlegen. "Das bedeutet nichts anderes, als dass es weniger gibt, wenn sich der vom Unternehmen geplante Erfolg nicht einstellt", sagt Erika Ritter. Besonders bitter für die Beschäftigten: Im Sommer finden Tarifverhandlungen für den Handel statt. Da die Buchhandelskette aber zum 1. Januar in die sogenannte OT-Mitgliedschaft (ohne Tarifbindung) beim Handelsverband gewechselt ist, werden die Beschäftigten nicht mehr von den Tarifverträgen im Handel profitieren.

Mit den Umstrukturierungen entledigt sich Thalia aber auch gleich noch des Betriebsratsvorsitzenden. Die Filiale, in der er beschäftigt ist, wurde in eine eigene Gesellschaft ausgegründet. Damit wolle Thalia sich eines für das Unternehmen unbequemen Betriebsrats entledigen, sagt Erika Ritter, "eines geradlinigen und klugen Betriebsratsvorsitzenden", wie sie betont. Um bei den Beschäftigten leichteres Spiel zu haben, habe Thalia ihn kurzerhand "kaltgestellt".

ver.di lässt Betriebsspaltung rechtlich prüfen

Rechtlich betrachtet handelt es sich um eine Betriebsspaltung und anschließend um einen Betriebsübergang nach Paragraf 613 a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Und dazu muss der Arbeitgeber zumindest versucht haben, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich zu verhandeln. Das ist nicht erfolgt. Der Arbeitgeber müsste auf jeden Fall die bisherigen Regelungen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen in den neuen Unternehmen weitergewähren. Diese dürfen vor Ablauf eines Jahres nicht zum Nachteil der Beschäftigten geändert werden. Es sei denn, es werden neue Abmachungen getroffen, wie es das Gesetz regelt.

ver.di prüfe deshalb jetzt, ob die Betriebsspaltung und die Betriebsübergänge rechtens sind, sagt Erika Ritter. Der Arbeitgeber habe mindestens gegen seine Informations- und Verhandlungspflichten verstoßen. "Außerdem gehen wir mit den Mitgliedern und den Beschäftigten bei Thalia ins Gespräch, um auszuloten, wie wir das Unternehmen wieder in die Tarifbindung zwingen können." Marion Lühring