Nürnberg – Als Banu Büyükavci am 15. April 2015 verhaftet wird und für 34 Monate in Untersuchungshaft kommt, lebt die Fachärztin für Psychosomatik und Psychiatrie bereits seit zehn Jahren unbescholten in Deutschland. Längst besaß sie eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Im Leben nicht hätte sie sich vorstellen können, in dem Land, in dem sie sich ein selbstbestimmtes Leben aufgebaut hat und sie als erfahrene Ärztin gebraucht wird, für nahezu drei Jahre ins Gefängnis zu kommen. Vor allem nicht nach Stadelheim in München, in ein teils Hochsicherheitsgefängnis. Und vorstellen konnte sich Banu Büyükavci auch nicht, ausgerechnet Beate Zschäpe ihre Mitgefangene nennen zu müssen. Eine Rechtsextremistin, Mitglied der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund und als Hauptangeklagte im NSU-Prozess als Mittäterin bei der Ermordung von zehn Menschen – wie Büyükavci überwiegend türkische Mitbürger*innen – zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der eigentliche Grund, warum Banu Büyükavci inhaftiert wurde, ist ein bis heute nicht nachvollziehbarer Grund. Aber bis heute belastet dieser vermeintliche Grund ihr Leben. 2019 wurde sie erneut für drei Wochen in Untersuchungshaft genommen, am 28. Juli 2020 wurde nach 234 Verhandlungstagen ihr Urteil gesprochen, dreieinhalb Jahre Gefängnis, die sie im Prinzip mit der U-Haft abgegolten hat. Und obwohl dieses Urteil bisher nicht einmal rechtskräftig ist, droht ihr nun aktuell die Abschiebung in die Türkei, wo sie unter dem Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan Haft und Folter erwarten.

Banu Büyükavci ist seit sieben Jahren auch aktives ver.di-Mitglied, in verschiedenen Gremien engagiert sie sich, vor allem im Migrationsausschuss ver.di Mittelfranken und im Landesmigrationsausschuss von ver.di Bayern. Was kann man also einer Person vorwerfen, die für ihre Patient*innen unverzichtbar ist und sich für Menschen mit Migrationshintergrund wie sie selbst einsetzt?

Die Anklage lautete auf Mitgliedschaft in der TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch), beziehungsweise die Bildung des Auslandskomitees der Partei. Die TKP/ML ist allerdings nur in der Türkei verboten, nicht aber in Deutschland. Einzig aufgrund der 2002 vom Bundesjustizministerium erteilten Verfolgungsermächtigung nach den Terroranschlägen auf die USA 2001 konnte der Prozess nach dem sogenannten Terrorismusparagraphen 129a/b eröffnet werden. Banu Büyükavci wurde und wird aber keine konkrete strafbare Handlung vorgeworfen; allein ihre politische Gesinnung reichte offenbar aus, um sich als Beschuldigte in einem der größten "Terrorprozesse" – wie in den großen überregionalen Medien zu lesen war – wiederzufinden.

Der Einsatz der Kolleg*innen

Für die Kolleg*innen des bezirklichen Migrationsausschusses in Nürnberg ist bereits seit 2015, seit Banu Büyükavcis erster Inhaftierung, eines ganz klar: "Wir stehen hinter Banu, denn Banu gehört zu uns. Gemeinsam mit dem kompletten Bezirk Mittelfranken und den Kolleg*innen der Landesebene werden wir uns auf den verschiedensten Ebenen einsetzen, gleichwohl alles dafür tun, dass Banu nicht ausgewiesen wird", sagt Charly Johnson, die Vorsitzende des Landesmigrationsausschusses ver.di Bayern, des Migrationsausschusses Mittelfranken und eine der Initiator*innen der Soli-Kampagne #banumussbleiben ist.

Bei ver.di Mittelfranken und ver.di Bayern sind viele Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Abschiebung zu verhindern. Erster Erfolg: Der Stadtrat von Nürnberg setzt sich beim bayerischen Innenminister für Banu Büyükavcis Bleiberecht ein. Jeden Mittwoch treffen sich nichtsdestotrotz rund 150 Unterstützer*innen vor dem Nürnberger Gewerkschaftshaus zu einer Mahnwache, bis ihr Bleiberecht gesichert ist. "Es müsste doch mit dem Teufel zugehen", sagt Ulli Schneeweis, Gewerkschaftssekretär bei ver.di Mittelfranken und Mit-Initiator der Kampagne für Banu Büyükavci, "wenn eine bestens integrierte, weltoffene und konziliante Frau wie Banu vom deutschen Rechtsstaat tatsächlich ausgewiesen würde, nur weil sie einer Organisation angehört, die Erdogan nicht passt." Petra Welzel

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