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Sporttherapeutin Katrin Balzer im Park der Schmieder KlinikFoto: Bernd Hartung

In einer Reha steht viel auf dem Spiel. Läuft alles gut, lernt eine Schlaganfallpatientin wieder sprechen. Ein Motorradfahrer kehrt nach einem Schädel-Hirn-Trauma in seinen Job zurück. Ein Parkinsonkranker kann nach Hause statt ins Heim. Unterstützt werden die Patient*innen von Sporttherapeuten wie Katrin Balzer. Die 43-Jährige arbeitet an der Schmieder Klinik in Heidelberg, einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung, die neben Pfleger*innen auch Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Neuropsychologen, Masseure und Sozialpädagogen beschäftigt.

Therapie durch Bewegung – das ist Katrins Ziel. Ihr Arbeitstag beginnt morgens halb acht mit einem Kleidertausch. Raus aus den eigenen Klamotten, rein in das weiße T-Shirt und die dunkelblauen Hosen, die schön durchdesinfiziert im Regal mit sogenannter "Poolwäsche" auf sie warten. Am Computer sitzt sie nur kurz, um ihren Tagesplan auszudrucken. Bis zu acht Therapien hat sie täglich. Acht Gelegenheiten, um, wie sie sagt, "positiv zu sein", die Patienten zu stärken und auf ihrem steinigen Weg zu begleiten.

Übungen, Motivation und Zuversicht

Koordination, Kräftigung und Ausdauer sollen in der Sporttherapie gefördert werden. Katrin bietet Gerätetraining an, Gymnastik- und Laufgruppen und Schwimmen. Sie führt Übungen vor, sie erklärt und motiviert, versprüht dabei gute Laune und Zuversicht. Es fällt ihr leicht, sagt sie, in der Arbeit mit Patienten fröhlich zu sein und Geduld zu zeigen. "Ich hab in der Klinik eigentlich immer gute Laune. Es kommt von den Patienten ja auch so viel zurück. Es ist ein Geben und Nehmen." Ärger, den sie vielleicht woanders hat, streift sie einfach ab, ungehalten ist sie nur anderswo. Auch auf ihre Stimme ist Verlass, die ja in ihrem Job laut, klar und strapazierfähig sein muss. Und wenn Katrin bei der Gymnastik gerade keine Hilfestellung leistet, macht sie sehr gern selbst mit beim Sportprogramm.

Ihre Patient*innen haben motorische Probleme oder kognitive oder beides. Sie kommen mit Schlaganfällen, Hirntumoren, Multipler Sklerose, ALS oder seltenen Syndromen in die Reha. Viele sind älter, manche ganz jung. Katrin macht Sitzgymnastik mit Zwanzigjährigen, denen ein Unfall den Lebenstraum zertrümmert hat. Sie turnt mit Vätern kleiner Kinder, deren Leben von Krebs bedroht ist. Sie hat mit schweren Erkrankungen zu tun und tragischen Fällen. Nichts, woran man sich gewöhnen könnte.

Aber sie sieht auch Verbesserungen. Denn selbst wenn viele chronische, neurologische Krankheiten fortschreiten und die Folgen schwerer Verletzungen nicht immer ausheilen: Während der Reha geht es für die allermeisten Patienten bergauf. Von Tag zu Tag werden sie fitter und lernen, mit ihrem neuen Leben zurecht zu kommen. Dass einer anfangs im Rollstuhl sitzt, später am Stock geht und sich irgendwann wieder frei bewegen kann, ist keine Seltenheit – und gehört zu den großen Glückserfahrungen ihres Jobs.

Einmal die Woche geht's in den Wald

Die Entscheidung, in die therapeutische Arbeit zu gehen, fällte Katrin schon während ihres Sportstudiums. "Ich wollte etwas tun, womit ich Erfolgserlebnisse habe. Ich bin ein Mensch, der gern Ergebnisse sieht." Nach Jobs im betrieblichen Gesundheitsmanagement und in einem Fitnessstudio war sie über sieben Jahre in einer ambulanten Reha-Einrichtung beschäftigt, die orthopädische Patienten versorgte. Dann bewarb sie sich auf eine freie Stelle als Sporttherapeutin bei der Schmieder Klinik in Heidelberg.

"Die Arbeit hat mich Demut gelehrt."
Katrin Balzer

Das Klinikum liegt oben am Hang und so nah am Wald, dass sich die Gäste schon mal über Käfer beschweren, die übers Fenstersims ins Krankenzimmer krabbeln, über Wespen und über mangelnden Handyempfang. Aber Katrin mag den Wald, an jedem Freitagnachmittag stapft sie dort mit einer von zwei Nordic-Walking-Patientengruppen herum, mal mit der langsamen, mal mit der schnelleren – der beste Wochenausklang, den sie sich vorstellen kann.

Die Arbeit habe sie Demut gelehrt. "Wenn ich nach Hause gehe, denke ich oft, dass ich eigentlich keine Probleme im Leben habe, und bin dankbar dafür, wie gut es mir geht", sagt sie. "Die Zipperlein, die ich manchmal habe, treten in den Hintergrund, wenn man sieht, mit welchen Schicksalen manche Menschen konfrontiert sind."

Zu viele Überstunden, zu wenig Personal

Mit den Arbeitsbedingungen in der Klinik ist sie zufrieden – obwohl auch hier die Personalausstattung schlechter ist als noch vor einem Jahrzehnt. Dass sich der Hausvertrag am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, dem TVöD orientiert, hat sie bei ihrer Anstellung richtig gefreut. "Kaum eine ambulante Einrichtung zahlt nach Tarifvertrag." Auch die Coronaprämie, die ver.di ausgehandelt hat, kam bei den Mitarbeiter*innen an.

Und doch gibt es Einiges in ihrer Branche, was ihr bitter aufstößt. Darum gehört sie seit 2017 nicht nur dem Betriebsrat an, sondern ist zudem seit 2018 für Baden-Württemberg Mitglied der Bundesfachkommission (BFK) Reha, die sich für gute Arbeitsbedingungen in ambulanten und stationären Reha-Einrichtungen stark macht. Und das ist nötig. "Die Reha-Einrichtungen gehen ja im Gesundheitsbereich ein bisschen unter, die große Masse bilden die Krankenhäuser."

Im März 2020 hat die BFK einen offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, geschrieben. Darin ist die Rede von der Schließung kleinerer Einrichtungen zugunsten großer gewinnorientierter Konzerne, die auf Sparkurs fahren. Von gestiegenen Anforderungen und einer wachsenden Zahl an Überstunden. Die Kommission fordert eine bedarfsgerechte Personalausstattung. Und faire Löhne. "Es gibt Einrichtungen, in denen Beschäftigte mehrere hundert Euro weniger verdienen als ihre Kolleg*innen im Akut-Krankenhaus des gleichen Trägers – räumlich nur durch eine Glastür getrennt", heißt es in dem Papier.

Ein oft erörtertes Thema ist auch die verkürzte Verweildauer in Krankenhäusern. Hin und wieder hört Katrin von Patienten, die frisch operiert und, wie es in einem Leserbrief eines Betriebsrates eines großen Reha-Konzerns heißt, der die Redaktion der ver.di publik erreicht hat, quasi "blutig" in die Reha verschoben werden. "In manchen Fachbereichen", sagt Katrin, "kommen sicherlich Patienten in die Reha-Kliniken, die eigentlich noch nicht rehafähig sind." Zum Beispiel in der Orthopädie, wenn seit einer notwendigen Operation erst wenige Tage vergangenen sind. Die Therapiemöglichkeiten sind dann deutlich eingeschränkt. Der pflegerische Aufwand dagegen steigt. Aus ihrem eigenen Arbeitsalltag in der neurologischen Reha kennt Katrin solche Fälle zum Glück nicht.

Mit Maske, ohne Pausen

Gerade befasst sich die Kommission intensiv mit dem Arbeitsschutz. Genauer: mit den bei der Arbeit derzeit vorgeschriebenen FFP2-Masken. Die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) empfohlene Tragezeit einer entsprechenden Maske beträgt bei mittelschwerer körperlicher Arbeit zwei Stunden, mindestens 30 Minuten Pause sollten sich anschließen. Eine Pause, in der zwar gearbeitet werden darf – aber nicht mit Maske.

Allerdings halten sich viele Arbeitgeber in der Reha nicht an diese Pausenzeiten. "Im Klinikalltag sieht vieles anders aus", sagt Katrin. Dabei weiß sie aus eigener Erfahrung, dass es nicht ohne ist, stundenlang Masken zu tragen. Der Atemwiderstand macht es zu Schwerstarbeit. Mehr Kontrolle, mehr Transparenz auf allen Ebenen fordert die Betriebsrätin deshalb.