Alan Turing.jpg

Chemiekeule gegen Informatiker

Comictipp I – Zeichner dieser Comic-Biografie über den berühmten Informatiker Alan Turing ist Éric Liberge, der mit seiner flammenden Farbgebung schon 2008 die Dramödie über Religion und Endlichkeit Monsieur Mardi-Gras: Unter Knochen geprägt hat. In Der Fall Alan Turing hat Liberge neben der Grafik auch die Koloration übernommen. Dramatisch geht es in den Szenen des Gerichtsprozesses zu. Turing war der Homosexualität angeklagt. Dass er England geholfen hatte, die zur Verschlüsselung kriegswichtiger Nachrichten von den Nazis gebaute Kodierungsmaschine Enigma zu knacken, nützte ihm nichts. Eindrücklich sind viele der Bilder, etwa wenn der Holzhammer des Richters als gigantischer Atompilz herabsaust, während sich der diskriminierte und zur chemischen Kastration durch Hormontherapie verurteilte Turing mit weiblichen Brüsten vor Spiegeln imaginiert oder in eine Disney-Schneewittchen-Welt eintaucht. Dass der Erfinder der modernen Computerwissenschaft sich wegen der Folgen der grausamen Behandlung 1954 das Leben nahm, ist allerdings bittere Realität. Oliver Ristau

Text: Arnaud Delalande, Bilder: Éric Liberge, Bahoe Books. Aus dem Französischen von Mathias Althaler, ISBN 978-3-903290-44-0, 80 Seiten, farbig, Hardcover, 18 €

Prinz Gigahertz.jpg

KI im Poesiefluss

Comictipp II – Apropos Künstliche Intelligenz: Unsere allerliebste KI Prinz Gigahertz ist zurück! (siehe ver.di publik 4_2020). In Knight Of Love erfahren wir mehr über seine Zeit als Toyboy, der sich in Beziehungskriegen aufreibt. Die kühle grafische Inszenierung im Neon-Look geht in dem Nachfolger ein wenig in Richtung von Dieter Rams' Designs für die Firma Braun – alles wirkt noch reduzierter und stromlinienförmiger als im ersten Band. Oder, um den Designer von Weltruf zu zitieren: "Beschränke alles auf das Wesentliche, aber entferne nicht die Poesie." Entsprechend ökonomisch und poetisch verläuft hier der Erzählfluss, der zielsicher im Becken großer Dramen zwischen Eifersucht und Mord mündet. Das Schönste ist, dass ganze Sequenzen nur mit abgestuften Grüntönen und Schattierun- gen in Szene gesetzt werden; eine viel zu oft vernachlässigte Disziplin des Erzählens durch Farben, in der Lukas Kummer hier souverän brilliert. Oliver Ristau

Lukas Kummer, Verlag Zwerchfell: ISBN 978-3-943547-58-0, 104 Seiten, farbig, Softcover, 18 €