Ein Wandgemälde mit dem Wort "Danke" erstreckt sich entlang der gesamten Fassade eines Krankenhauses in Lwiw. Es ist seit Beginn der Pandemie hier. Heutzutage ist es noch relevanter – Tausende von Ukrainern aus dem ganzen Land, die unter dem russischen Angriffskrieg und Beschuss besonders leiden, werden hier wieder zum Leben erweckt. Da die Stadt nicht direkt an der Front liegt, werden jede Woche neue Patienten mit Evakuierungszügen aus Krankenhäusern direkt von den Schauplätzen der Kriegshandlungen hierhergebracht.

Es gibt derzeit keinen Mangel an medizinischem Personal in Lwiw und in den Krankenhäusern der großen Städte im Westen des Landes. Vielmehr hat die Erste Medizinische Vereinigung von Lwiw (ein Zusammenschluss von drei städtischen Krankenhäusern), die seit Kriegsbeginn am 24. Februar die meisten Patienten in der Region aufnimmt, viele medizinische Mitarbeiter eingestellt. So hat die Kinderärztin und Kardiologin Natalija Weiser zuvor in Mariupol Kinderherzen gerettet und arbeitet jetzt im St. Nikolaus Krankenhaus von Lwiw.

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Olha VorozhbytFoto: privat

Wenn Ärzte zum Arbeiten in sicherere Regionen ziehen, ist es für sie am wichtigsten, einen Ort zu finden, an dem sie eine Arztpraxis haben können; ihr Gehalt beziehen sie weiter am bisherigen Arbeitsort laut Gesundheitsminister Viktor Ljaschko. Dank dieser Entscheidung bleibt ein erheblicher Teil der Ärzte aus den Kriegsgebieten in der Ukraine. Je näher man jedoch der Front kommt, desto schwieriger wird die medizinische Versorgung. So arbeitet nach Angaben der Militärverwaltung von Charkiw derzeit nur noch etwas mehr als die Hälfte des medizinischen Personals der Vorkriegszeit in den medizinischen Einrichtungen der Region.

Auch in den befreiten Gebieten von Kyjiw und Tschernihiw mangelt es an medizinischem Fachpersonal. Die Situation wird weiter durch die Tatsache verschlimmert, dass die russische Armee mehr als 900 medizinische Infrastruktureinrichtungen in dem von der Ukraine kontrollierten Gebiet zerstört hat (die Statistiken enthalten keine Informationen über vorübergehend besetzte Gebiete). 127 medizinische Gebäude wurden vollständig dem Erdboden gleich gemacht.

Mehr Geld, mehr Pflegekräfte

Am meisten fehlt es heute an Pflegekräften. Doch dieser Mangel steht nicht in direktem Zusammenhang mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Der Mangel an medizinischem Nachwuchs ist in der Ukraine schon lange zu spüren. Niedrige Löhne sowie die Möglichkeit, im Ausland mehr zu verdienen, veranlassten Pflegekräfte bereits lange vor Februar 2022, auszuwandern und den Arbeitsplatz zu wechseln.

Das Problem ließe sich einfach mit höheren Löhnen lösen. Doch inzwischen steht die ukrainische Medizin vor anderen, ernsteren Herausforderungen. Die große Zahl von Kriegsverletzten, sowohl Zivilisten als auch Militärs, mit der auch die Zahl der Ukrainer, die Gliedmaßen verloren haben, erheblich zugenommen hat, hat die Nachfrage nach Rehabilitationsärzten, Orthopädietechnikern und Psychiatern stark erhöht. Angesichts der Brutalität der russischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung muss die Ukraine stärker an der Entwicklung dieser drei medizinischen Bereiche arbeiten.

Um all diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, wurde im Juni auf der Grundlage der Ersten Medizinischen Vereinigung von Lwiw beschlossen, ein modernes Rehabilitationszentrum – mit dem bezeichnenden Namen "Ungebrochen" – zu gründen. Während die Behörden nach Geldmitteln suchen, um das Zentrum selbst zu bauen, sammeln Ärzte und Pflegekräfte neue Erfahrungen, retten Menschen und bilden sich dabei weiter aus. Doch sowohl das medizinische Personal als auch die Patienten haben einen langen und dornigen Weg vor sich.

Olha Vorozhbyt ist stellvertretende Chef-Redakteurin des ukrainischen Nachrichtenmagazins Ukrajinskyi Tyschden. Seit der Ausgabe 03_2022 schreibt sie regelmäßig für uns ein Update aus der Arbeitswelt in der Ukraine.