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In Indien sind Kühe heilig und Haustier, manchmal blockieren sie Straßen, manchmal auch eine TürFoto: ddp images

In klimatisierten Taxen durchquert unsere Reisegruppe Amritsar, eine indische Millionenstadt im Norden von Indien. Hitze, Lärm und buntes Treiben umhüllen uns. Rikschas, Busse, Autos und vollbepackte Lastkarren fahren an uns vorbei, auch gegen die Fahrtrichtung. Jeder scheint irgendwohin zu wollen. Unser Zielort liegt mitten in der Stadt.

Nachdem wir unsere Köpfe mit Tüchern bedeckt und ein Wasserbecken durchwatet haben, finden wir uns plötzlich in einer anderen Welt wieder. Sanfte Gesänge wehen aus Lautsprechern zu uns herüber. Menschen gehen im Uhrzeigersinn um den Goldenen Tempel von Amritsar. Wir reihen uns ein und spüren sonnenbeheizten Marmor unter den Füßen und spirituelle Ruhe. Am Tag kommen hier etwa 20.000 Menschen durch. Trotzdem wird es nicht hektisch. Auch nicht in den angrenzenden Hallen und Gebäuden, in denen für die Gläubigen und Besucherinnen und Besucher dieser Tempelanlage gekocht und Essen ausgegeben wird. Kostenfrei, niemand soll hier hungern. Religiöse Sikhs machen die schweißtreibende Arbeit. Alles ehrenamtlich. Die Töpfe und Pfannen, in denen sie rühren, sind unfassbar riesig und die Löffel so groß wie Schaufeln.

Ich befinde mich auf Bildungsreise in Indien. Niemals hätte ich mir so eine exotische Reise ohne Reiseleitung zugetraut. Aber nun bin ich hier und will nicht wie üblicherweise im Urlaub entspannen, sondern etwas lernen. Der Bildungsurlaub steht mir per Gesetz zu. Er wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt, doch jede/jeder Arbeitnehmer*in hat Anspruch darauf. Und zwar zusätzlich zum Erholungsurlaub. In fast jedem Bundesland gibt es fünf Tage. Trotz klarer Rechtslage wird Bildungsurlaub aber eher selten in Anspruch genommen. Viele wissen vermutlich nichts darüber oder trauen sich nicht, ihn zu beantragen.

Bildung hautnah

Einen Tag später fahren wir nach Dharamsala, in die Heimat der Exiltibeter. Dorthin, wo der Dalai Lama residiert. Die Bildungsreise befasst sich mit dem tibetischen Buddhismus. Das ist das Besondere an Bildungsurlaub: Es geht nicht um Wissen, das dem Unternehmen nützt, sondern um die persönliche Weiterbildung. Und darüber entscheidet jeder/jede Arbeitnehmer*in selbst. Die Reise muss lediglich als Bildungsurlaub anerkannt sein. Die Informationen dazu bekommt man vom Veranstalter.

In Dharamsala erfahren wir Bildung nicht nur im Unterrichtsraum, sondern hautnah, sobald wir durch den Ort schlendern. In jedem Café, jedem Souvenirshop und jedem Geschäft hängt ein gerahmtes Bild vom Dalai Lama. Nicht nur die tibetischen Mönche verehren ihn, auch weltweit erfährt er große Achtung. Und so ist der kleine Ort im Laufe der Jahre durch Touristen zu einer Kleinstadt angewachsen. Eifrig werden in den Geschäften und in den Gassen kleine und große Buddha-Statuen verkauft, mit Göttern verzierte Klangschalen, Gebetsmühlen und Armbänder aus bunten Steinen. Auch unsere Reisegruppe bekommt Zeit zum Schauen, Staunen und Entdecken. Mönche in braunen Gewändern wandeln an uns vorbei. Wir blicken auf Kochtöpfe am Straßenrand, aus denen es dampft, und wundern uns über Internet- und Telefonkabel, die sich wie Lassos von Haus zu Haus schwingen. Manchmal blockieren Kühe die Straße. Fremde Gerüche liegen in der Luft und Hunde dösen im Schatten.

Natürlich gehören zum Lernen auch Vorträge, doch bei dieser Reise ist das Erleben immer etwas Besonderes. Vor jedem Essen singen wir Om Shanti, Shanti, Shanti. Der Text beinhaltet den Wunsch, jedes Lebewesen, das gesamte Universum und man selbst möge in Frieden leben. Dann werden helle Fladenbrote gereicht, Gemüseschalen und würzige Dals mit rotem und gelbem Curry, denn mit leerem Magen lernt es sich auch hier schlecht.

Auch Ausflüge gehören zum Lernprogramm. So fahren wir über eine kurvenreiche Landstraße zu einem Kinderheim, in dem tibetische Waisen untergebracht sind. Rotwangige Mädchen spielen auf einem staubigen Fußballplatz. Im rostigen Tor harrt stoisch eine Kuh aus. Im Gebäude sind Enge und Armut nicht zu übersehen, trotzdem ist alles ordentlich aufgeräumt und auf den sorgfältig gemachten Betten liegen Teddys und Plüschtiere. Im Eingang sind winzige Schuhe abgestellt – sauber geputzt und ordentlich in einer Reihe.

Im Hof blättert die Farbe an den Klettergerüsten. Kinder verteilen sich lärmend und lachend darauf und essen ihr Pausenbrot. Auf meinem persönlichen Lernzettel notiere ich: Kinder sind überall auf der Welt Kinder. Doch eine kindgerechte Kindheit haben sie nur, wenn sie vor Krieg und Gewalt sicher sind und ein schützendes Zuhause haben. Wenn sie Zeit zum Lernen und zum Spielen haben. Wenn sie Liebe bekommen. Diesen Rahmen gibt ihnen das Kinderdorf.

Einsichten in andere Welten

Auch in den nächsten Tagen geht es um das Leben der Tibeter und ihre Flucht ins Exil, zum Beispiel beim Besuch einer Frauenorganisation. Zwei traditionell in Kleid und Streifenschürze gekleidete Tibeterinnen berichten von chinesischer Unterdrückung in Tibet und vom Leid der Frauen dort. Sie berichten von Verhaftung, Folter und sogar Zwangssterilisation. Vom Aussterben der Nomadenherden, von gefällten Bäumen und dem gewaltvollen Entreißen der Mineralien aus der Erde. Sie berichten aber auch über Hoffnung und neue Lebenswege im Exil. In Dharamsala haben die Frauen einen größeren Anteil am öffentlichen Leben, als sie das aus Tibet kennen. Zwar bewahren sie ihre Kultur, manche werden auch Nonne in einem der vielen Klöster hier, doch immer mehr Tibeterinnen werden Ärztin oder arbeiten in politischen und sozialen Einrichtungen.

Meine innere Stimme

Am vorletzten Tag rückt im tibetischen Ärztezentrum der zurückgelassene Alltag näher als manch einem lieb ist. Ein Vortrag im Gesundheitszentrum erinnert an die Wohlstandskrankheiten, die fast jeder mit sich herumschleppt. Ob Schlafmangel, nervöser Magen oder Migräne, gegen die Symptome gibt es Kräuterpillen, gegen die Ursachen nicht.

Eine tibetische Ärztin erinnert die Gäste aus dem fernen Europa daran, dass sie bei sich zuhause schon alles besitzen, was sie für ein glückliches Leben brauchen – eine schöne Landschaft, genug Essen und sauberes Wasser. Trotzdem reisen sie nach Asien, um dort etwas zu finden, was ihnen fehlt – Ruhe sei es, sagt die Ärztin. Zu viel Stress und Zeitmangel machten krank. Sie gibt den Tipp, bei Ärger einfach mal die Augen zu schließen, auf den Atem zu achten und der inneren Stimme Gehör zu schenken.

Mit einem Seufzen schließe ich die Augen und denke an gestresste Krankenpfleger*innen, an gehetzte Verkäufer*innen und an Verwaltungsbeschäftigte, deren Schreibtische vor Arbeit überquellen. Ja, man kann die Augen schließen, um durchzuatmen. Aber danach muss man sie wieder öffnen, wenn man wie ich für ver.di arbeitet und schon immer Gewerkschafterin gewesen ist. Mit oder ohne Buddhismus – ohne Gewerkschaft im Rücken würde unsere Arbeitswelt eine andere sein. In der Ruhe liegt die Kraft, in der Gewerkschaft die Stärke. Es braucht auch sie, damit die Gesundheit langfristig nicht unter der Arbeit leidet.

Bildungsurlaub finden

Die Reise nach Indien war ein Angebot des Lohmarer Instituts für Weiterbildung e. V.: liw-ev.de

Bundesweit sind Bildungsurlaube unter bildungsurlaub.de gelistet, jeweils auch nach Bundesländern. Außerdem bietet die Internetseite weitere Informationen zum Bildungsurlaub und informiert über die aktuelle Gesetzeslage.

Viele Lernbegierige verwenden ihren Bildungsurlaub auch für ein ver.di-Seminar. Einfach hier mal schauen: bildungsportal.verdi.de

Das gilt in Deinem Bundesland

Dein Anspruch auf Bildungsurlaub hängt davon ab, in welchem Bundesland Du arbeitest. Die Angaben gelten für Vollzeitstellen und 5 Arbeitstagen in der Woche.

Baden-Württemberg

Wieviel?

• Bis 5 Tage pro Jahr, keine Übertragbarkeit auf Folgejahre

• Anspruch nach 12 Monaten Beschäftigung im Betrieb

• Für Studierende der DHBW und Auszubildende 5 Tage für die gesamte Studien- bzw. Ausbildungszeit

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen mit Tätigkeitsschwerpunkt in Baden-Württemberg

• Beamt*innen im Sinne des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg

• Bei Studierenden der DHBW und Auszubildenden ist der Anspruch auf politische Weiterbildung und die Qualifizierung auf bestimmte Ehrenämter beschränkt.

Berlin

Wieviel?

• 5 Tage pro Jahr, ein Vorgriff auf den Anspruch im Folgejahr ermöglicht den Besuch von zweiwöchigen Seminaren

• Frühestens 6 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende (nur für politische Bildung)

•Nicht für Beamt*innen

Brandenburg

Wieviel?

• 10 Tage innerhalb von 2 Jahren

•Frühestens 6 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende

•Nicht für Beamt*innen

Bremen

Wieviel?

• 10 Tage innerhalb von 2 Jahren

• Frühestens nach sechs Monaten

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende

• Beamt*innen können als Bildungsurlaub anerkannte Kurse in der Regel nach der Bremischen Urlaubsverordnung in Anspruch nehmen.

Hamburg

Wieviel?

• 10 Tage innerhalb von 2 Jahren

• Frühestens 6 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende

• Nicht für Beamt*innen

Hessen

Wieviel?

• 5 Tage pro Jahr, Zusammenfassung von 2 Jahren in das 2. Jahr möglich

• Frühestens 6 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen, in Heimarbeit Beschäftigte sowie Personen in arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen

• Auszubildende (nur für politische Bildung und Ehrenamtsschulungen)

• Nicht für Beamt*innen

Mecklenburg-Vorpommern

Wieviel?

• 5 Tage pro Jahr

• Frühestens 6 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Beschäftigte außerhalb des Öffentlichen Dienstes

• Beschäftigte im Öffentlichen Dienst und Beamte (außer berufliche Weiterbildung)

• Auszubildende (außer berufliche Weiterbildung)

Niedersachsen

Wieviel?

• 5 Tage pro Jahr, Zusammenfassung von 2 Jahren auch im Rückgriff auf das abgelaufene Jahr

• Frühestens 6 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• keine Beamt*innen

Nordrhein-Westfalen

Wieviel?

• 5 Tage, der Anspruch des aktuellen Jahres kann zwecks Zusammenfassung auf das Folgejahr übertragen werden.

• Für Auszubildende 5 Tage insgesamt während der Ausbildung – ausschließlich für politische Bildung

• Frühestens 6 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende, nur politische Bildung

• nicht für Beamt*innen

Rheinland-Pfalz

Wieviel?

• 10 Tage in 2 Jahren, für Auszubildende 5 Tage pro Ausbildungsjahr

• Frühestens 6 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende, nur politische Bildung

• Beamt*innen, Richter*innen des Landes

Saarland

Wieviel?

• 6 Tage pro Jahr, davon die ersten beiden Tage mit vollständiger Freistellung, ab dem 3. Tag die Hälfte Eigenanteil (also Freizeit), also bei 6 Tagen insgesamt 4 Tage Freistellungsanspruch

• Frühestens 12 Monate nach Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende

• Beamt*innen, Richter*innen

Sachsen-Anhalt

Wieviel?

• 5 Tage pro Jahr, en bloc oder in Intervallen,

• Zusammenfassung von 2 Jahren ist möglich

• Frühestens 6 Monate nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende

• Sonderregeln für Beamt*innen

Schleswig-Holstein

Wieviel?

• 5 Tage pro Jahr, Zusammenfassung von 2 Jahren für längere Seminare ist möglich

• Frühestens 6 Monate nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses

Für wen?

• Arbeitnehmer*innen

• Auszubildende

• Beamt*innen des Landes und der Kommunen, Richter*innen

Thüringen

Wieviel?

• Bis 5 Tage pro Jahr, für Auszubildende 3 Tage im Jahr. Übertragbarkeit auf Folgejahre bei einer Ablehnung oder Rücknahme der Zustimmung.

• Der Anspruch entsteht erst nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit.

Für wen?

• Neben Angestellten und Arbeiter*innen dürfen auch Auszubildende, Personen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen tätig sind, sowie (Landes-)Beamt*innen und Richter*innen Bildungsurlaub nehmen.

In Sachsen und Bayern wird leider kein Bildungsurlaub anerkannt. Das bedeutet, die Reisen stehen einem zwar in der Regel trotzdem offen, die Arbeitgeber geben aber kein zusätzliches Frei. Interessenten müssten deshalb die notwendige Zeit von ihrem Jahresurlaub bestreiten.