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Weniger Kühe wären besser für die Umwelt, auch im AllgäuFoto: Hans-Bernhard Huber/laif

Die Minuten, bevor es losgeht, sind aufregend: Wer kommt in den Seminarraum geschlendert oder gelaufen, wer gelatscht oder gehuscht? Welche Menschen interessieren sich für unser Thema? Ich versuche oft, mir diese ersten Momente einzuprägen und später abzugleichen mit meinem Gefühl am Ende der Woche. Da ändert sich so manches.

Seit einigen Jahren leite ich gelegentlich zusammen mit Thomas Handrich Bildungsurlaube zu Nachhaltigkeits- und Zukunftsthemen – manchmal in Bildungsstätten, manchmal mobil von Ort zu Ort radelnd. Thomas ist ein alter Hase, er kennt sich bestens aus mit Bildungsmethoden für Erwachsene und hat vor zwölf Jahren das Unternehmen "Politische Radreisen" gegründet. Vor acht Jahren bin ich dazugestoßen – nachdem ich erst selbst eine seiner Teilnehmerinnen war, bin ich auf seine Seite gewechselt.

Nur eine Salami

Immer besuchen wir Menschen und enkeltaugliche Projekte in der jeweiligen Region. Und es gibt Diskussionen, Gruppenarbeit, Filme, Selbstreflexion. Unser Ziel ist es, dass die Teilnehmenden etwas mitnehmen für ihren Alltag. Ich habe lernen müssen, dass ich meine Erwartungen dabei nicht zu hochschrauben darf. Eine Woche ist nicht viel Zeit – und manche kommen mit der Vorstellung, dass sie vor allem Urlaub machen und Bildung eher ein Nebenaspekt ist. Doch die meisten sind sehr interessiert, manche engagieren sich zu Hause für eine zukunftsfähige Welt. Das berufliche Spektrum ist breit, die Vorkenntnisse unterschiedlich, die Alterszusammensetzung eher homogen 50+. Menschen aus dem öffentlichen Dienst und Rentner*innen sind meist überrepräsentiert.

Wenn wir die Werbung selbst organisieren, bemühen wir uns durch solidarische Preise, dass auch junge Menschen mitfahren. Generationenübergreifende Gruppen lernen am besten – das haben wir diesen Sommer im Allgäu wieder erlebt. Dort haben wir gemeinsam die Landwirtschaft erkundet, zahlreiche Gärtner*innen und Bauern besucht, die Vermarktungswege recherchiert und zusammen nach der "Planetary Health Diet" gekocht. Diesen Speiseplan für Mensch und Erde haben 37 internationale Wissenschaftler*innen entwickelt, um zu zeigen, dass alle Menschen auf der Welt gut und umweltfreundlich versorgt werden können: Wenig Fleisch und Milchprodukte, viel Gemüse aus der Region, Hülsenfrüchte und Nüsse. Es gab nur eine Salami für die gesamte Gruppe – und am Schluss war sogar noch ein Stück übrig und alle haben das Essen gelobt.

Vorbereitung ist alles, Verdienst nur mäßig

Ein paar Monate vorher waren Thomas und ich für drei Tage ins Allgäu gereist, um die Besuche vorzubereiten. Thomas ist später noch einmal alle Strecken abgeradelt: In einer über 20-köpfigen Gruppe darf man sich nicht verfahren, auch Schotterwege und falsche Kilometerangaben machen sofort schlechte Laune. Der Vorbereitungsaufwand für einen interessanten Bildungsurlaub ist groß und für die Teilnehmenden nicht wahrnehmbar, der Verdienst äußerst mäßig. Rechnet man den gesamten Zeitaufwand zusammen und zieht die Mehrwertsteuer vom Honorar ab, bleibt manchmal weniger als der Mindestlohn für die Weiterbildungsbranche übrig.

Im Allgäu waren alle angesprochenen Landwirt*innen gerne bereit, unserer Gruppe ihre Ställe, Felder und Biogasanlagen zu zeigen. Interessant ist, dass sowohl konventionelle als auch Biobauern zunehmend mit Melkrobotern arbeiten. Wo kommt das Futter her, wieviel Cent gibt es für einen Liter Milch, welche Rolle spielen Aldi & Co, wieviel Freizeit hat die Familie? Zwar bereiten wir die Besuche mit der Gruppe vor und Thomas und ich geben immer wieder kurze Inputs, um die Informationen in den großen Kontext einzuordnen. Was die Teilnehmenden dann aber wissen wollen, ist unabsehbar. Besonders spannend fanden viele den Zuchtbullen und Fragen zur künstlichen Besamung. Auch das Musiker-Paar, das das Gemüse aus ihrem wunderschönen Garten einfach verschenkt und sich "Stangenbohnenpartei" nennt, stieß auf großes, ungläubiges Interesse.

Spontan bleiben

Bei Veranstaltungen in Bildungseinrichtungen müssen wir im Vorfeld einen Lehrplan abgeben. Trotzdem ist es uns wichtig, immer auch auf das Interesse der Gruppe zu reagieren und nicht etwas Vorbereitetes abzuspulen. Abends oder frühmorgens sitzen wir zusammen und überlegen, was den Lernprozess jetzt weiterbringt. Wir haben viel mehr Informationen und vorbereitete Module im Gepäck, als zum Einsatz kommen. Und vieles entwickeln wir in der aktuellen Situation.

Wenn sich eine Gruppe selbstzufrieden zurücklehnt, gilt es sie mit einer Provokation wach zu kitzeln. Wenn jemand die Atmosphäre verpestet, braucht es Fingerspitzengefühl. Dass die Gruppe gemeinsam schwingt, es als Bereicherung empfindet, den Eindrücken der anderen zuzuhören und Vertrauen wächst, ist für manche die wichtigste Erfahrung ihrer Bildungswoche. Und für mich? Einen anspruchsvollen Bildungsurlaub zu leiten, macht Spaß – und ist extrem anstrengend.