Arbeitsverdichtung und schlechte Bedingungen treffen die Beschäftigten in immer mehr Branchen. Das belegen die Befragungen nach dem DGB-Index Gute Arbeit, so auch in den Branchen der Ver- und Entsorgung, wo ver.di im Frühjahr Daten erhoben hat. "Die Ergebnisse sind alarmierend", sagt Clivia Conrad, bei ver.di für die Tarifkoordination der Ver- und Entsorgung im öffentlichen Dienst zuständig, sie hat die Befragung in diesem Frühjahr begleitet. "Die Arbeitsintensität hat in der Branche enorm zugenommen – das zeigt sich als klarer Trend in den Antworten."

Angesichts von 14.570 Umfrage-Teilnehmer*innen aus kommunalen sowie privaten Ver- und Entsorgungsunternehmen könne niemand von Einzelfällen sprechen. Ein ebenfalls großer Teil der Befragten hat angegeben, sich weder für die aktuellen, noch für die künftigen Arbeitsaufgaben ausreichend qualifiziert zu sehen. "Den Kolleg*innen fehlen Informationen über entsprechende Angebote. In kleineren Betrieben kümmert sich zudem kaum jemand um Fort- und Weiterbildung", so Conrad. Außerdem mangelt es am Fachkräftenachwuchs. Unbesetzte Stellen verschärfen die Belastung zusätzlich.

Personalmangel bestätigt auch Frank Hofmann, Personalratsmitglied bei der Bodensee-Wasserversorgung, einem Zweckverband mit 320 Beschäftigten. "Wir bilden zwar regelmäßig aus und haben jährlich knapp unter zwanzig Azubis, aber trotzdem fehlt uns Personal, da wir durch ein zusätzlich geplantes Wasserwerk auch mehr Arbeit haben." Die Beschäftigtenbefragung kam aus seiner Sicht genau zur richtigen Zeit, um die Probleme der wachsenden Arbeitsbelastung deutlich zu machen. "Die Geschäftsführung bei uns ist sehr interessiert an den Umfrageergebnissen, wir hoffen bald über Verbesserungen zu verhandeln." Dass das noch ein längerer Weg wird, ist Hofmann klar, aber es passiere etwas, zeigt er sich optimistisch.

Logo_gute_Arbeit.jpg

Ergebnisse nutzen

Auch Timo Polk ist hoffnungsvoll, dass die schlechten Ergebnisse der Gute-Arbeit-Befragung am Ende Positives bewirken werden. Bei den Stadtwerken Wolfenbüttel, deren Betriebsratsvorsitzender er ist, fielen die Bewertungen einiger wichtiger Aspekte besonders mies aus. "Die Führungsqualität und die Unternehmenskultur schnitten im Vergleich zum Branchenergebnis unterdurchschnittlich ab." Das bestätigte die Erhebung zur Gefährdungsbeurteilung, die gleichzeitig mit weitgehend identischen Fragen wie bei der Gute-Arbeit-Umfrage stattfand. Da sich mehr als 70 Prozent der Beschäftigten beteiligt hätten, könne niemand aus der Leitungsebene die Ergebnisse abtun.

Polk ist zuversichtlich, dass die Ergebnisse konkrete Verbesserungen bringen werden. Mitte November wird das "Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt" (FIA), das sowohl die Branchenbefragung wie auch die Gefährdungs- beurteilung wissenschaftlich begleitet hat, Vorschläge vorstellen. "Anschließend wird es darum gehen, Beschäftigte und Leitung für die praktische Umsetzung zu motivieren. Schuldzuweisungen für die Missstände sollte es nicht geben." Schon im Spätsommer haben Workshops stattgefunden – jeweils für die technischen und die kaufmännischen Beschäftigten sowie für die Führungskräfte –, bei denen die Befragungsergebnisse diskutiert wurden. "Zwei Kollegen aus dem Betriebsrat waren dabei. Anschließend haben wir eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, die die Branchenbefragung mit den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung abgleicht", so Polk.

In der Branchenumfrage wurde auch ermittelt, worum sich ver.di vordringlich kümmern soll. An erster Stelle stand dabei für alle Berufsgruppen der Ver- und Entsorgung eine bessere Bezahlung, denn viele der Befragten bewerten ihr Einkommen als nicht leistungsgerecht. Aus der Energie- und Wasserwirtschaft fordern viele Beschäftigte gute Regelungen zu mobiler Arbeit sowie zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In den Teilbranchen Abfallwirtschaft und Bäderbetriebe sind Angebote zum Erhalt der Gesundheit wichtig.

Tarifkoordinatorin Clivia Conrad leitet aus den Umfrageergebnissen einen klaren Auftrag für die Entwicklung schnell wirkender und gezielter Verbesserungen in den am schlechtesten bewerteten Themenbereichen ab. "Wir fangen nicht bei null an, denn wir sehen, dass die Bedingungen in tarifgebundenen Unternehmen deutlich besser sind als in tariflosen." Dort hätten Betriebs- bzw. Personalräte bereits gemeinsam mit ver.di für akzeptable Bedingungen gesorgt. "Es gibt dringenden Handlungsbedarf – für die Arbeitgeber*innen zusammen mit uns."

Die Ergebnisse mit Erläuterungen gibt es online unter ver-und-entsorgung.verdi.de/branchen/umfrage