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Viele haben ihre Verträge wieder gekündigt – auch das hatte NachteileFoto: Patrick Pleul/dpa

Der Vertrag schien eindeutig: Für jeweils 10.000 angesparte Euro sollte der Mann ab Rentenbeginn monatlich 37 Euro bekommen. Dann aber teilte die Zurich Lebensversicherung dem Kölner mit, dass er nur noch mit knapp 28 Euro rechnen könne. Das Zinsniveau sei so niedrig, dass der Rentenfaktor seines Riester-Vertrags neu berechnet worden sei, hieß es in dem Schreiben. Das geschah vor fünf Jahren und war keineswegs ein Einzelfall. Allein 700.000 Menschen, die beim Marktführer Allianz eine Police abgeschlossen hatten, bekamen damals ähnlich unerfreuliche Post.

Im November wird sich nun ein Gericht mit der Frage beschäftigen, ob ein Versicherer derlei Kürzungen vornehmen darf. Zwar hat der Kläger seine Unterschrift unter den Zurich-Vertrag gesetzt. Irgendwo in dem Papierstapel ist zu lesen, dass Änderungen möglich sind, "wenn sich die Lebenserwartung unerwartet stark erhöht bzw. die Rendite der Kapitalanlagen nicht nur vorübergehend absinkt". Doch eine solch einseitige Regelung ist nicht nur unfair, sondern auch unzulässig, ist die Bürgerbewegung Finanzwende überzeugt. Schließlich sieht der Vertrag nicht vor, dass der Kunde bei gut laufenden Kapitalmärkten auch mehr Rente bekommen könnte.

Tatsächlich warb die Zurich AG schon drei Jahre nach dem Kundenschreiben mit ihrer Finanzkraft – auch aufgrund starker Ergebnisse bei Lebensversicherungen. Derweil soll sich der Riester-Sparer aus Köln dauerhaft mit einer 25-prozentigen Rentenkürzung abfinden.

Ausstrahlung erhofft

Um dagegen vorzugehen, unterstützt die Bürgerbewegung Finanzwende erstmals einen Verbraucher bei einem Prozess gegen einen großen Versicherungskonzern. Schließlich lautet das Versprechen der staatlich geförderten Riester-Verträge, eine planbare und sichere Altersvorsorge zu garantieren. Gibt das Gericht dem Kölner in erster Instanz Recht, nützt das anderen Betroffen nicht unmittelbar. "Doch eine solche Entscheidung würde ausstrahlen", ist sich Britta Langenberg von Finanzwende sicher. Zum einen könnten sich andere Verbraucher*innen bei Klagen auf ein derartiges Urteil berufen. Zum anderen würde die Debatte über Sinn und Unsinn der Riesterrente neuen Schwung bekommen. Die nach dem damaligen Arbeits- und Sozialminister Walter Riester (SPD) benannte private Altersvorsorge startete 2002. "Damals wurde die paritätische Finanzierung der Rentenbeiträge aufgegeben. Die Beschäftigten sollten die Lücke durch private Vorsorge schließen", fasst Langenberg zusammen. Der Staat motivierte durch Zuschüsse.

Bald stand eine kaum durchschaubare Vielfalt an Verträgen zur Auswahl; vor allem durch die Beteiligung an Aktienfonds schienen gute Erträge möglich. Allerdings verlangten viele Anbieter hohe Gebühren und hatten leichtes Spiel, weil viele Käufer*innen überfordert waren, die kompliziert formulierten Verträge zu durchschauen. Finanzwende hat die Kosten von Riester-Policen vor zwei Jahren untersucht: Fast ein Viertel der Beiträge und staatlichen Zulagen gingen durchschnittlich für Vertrieb und Bürokratie drauf. Im Fall eines Angebots der Alten Leipziger waren es sogar 38 Prozent.

Über 17 Millionen Menschen haben irgendwann in den vergangenen 20 Jahren einen Riester-Vertrag unterschrieben. Viele haben ihn längst ruhend gestellt oder ganz gekündigt. Weil die Gebühren in den ersten Jahren meist am höchsten sind, haben sie oft viel weniger Geld zurückbekommen, als sie eingezahlt haben. Bei Aufgabe des Vertrags sind außerdem die staatlichen Zuschüsse zurückzugeben. Zwar haben sich etliche Verträge durchaus sehr gut entwickelt und die Kund*innen sind zufrieden, wie Finanztest nach der Untersuchung von 300 Beispielen bilanziert. Demgegenüber stehen aber auch sehr viele enttäuschte Kund*innen, die über hohe Gebühren, geringe Erträge und niedrige Renten klagen.

Während sich die Anbieter eine Reform der Riesterrente wünschen, plädiert Finanzwende für einen Neustart. Als kostengünstige Alternative verweist die Organisation auf Schweden. Dort gibt es eine staatlich organisierte Zusatzversicherung. Die Verwaltungskosten sind niedrig, die Bedingungen leicht zu durchschauen und es bleibt deutlich mehr Geld für die Rentenauszahlung übrig als in Deutschland. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag einen Prüfauftrag zur Riesterrente angekündigt. Passiert ist bisher allerdings nichts.