Die Ausstattung der Schulen, zusätzliche Busverbindungen, schnelleres Internet oder aber das Gefühl von fehlender Sicherheit? Die Bedürfnisse der Menschen sind nicht überall gleich. Worin soll der Staat als erstes investieren. Und: Vieles wurde in den letzten Jahren nicht angegangen, was den Menschen nun fehlt. Ob Schuldenbremse, Corona-Krise oder zuletzt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Gründe sind vielfältig, warum Investitionen nicht oder noch nicht getätigt wurden. Doch längst gibt es Nachholbedarf – in der Bildung, im Gesundheits- wesen, im Verkehr, beim Klima und an vielen anderen Stellen der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) hat im Oktober 2021 eine repräsentative Online-Umfrage durchgeführt und wollte wissen, wie zufrieden oder unzufrieden die Menschen hierzulande mit den staatlichen Investitionen sind beziehungsweise wo sie Investitionsbedarf sehen. In der Auswertung hat das Institut insgesamt acht Kategorien ausgewiesen:

  1. Öffentlicher Personennahverkehr und Bahn,
  2. Straßen,
  3. Fuß- und Fahrradwege,
  4. Mobilnetz und Internet,
  5. Kitas, Schulen und Universitäten,
  6. Gesundheit und Pflege,
  7. Klima- und Umweltschutz,
  8. Öffentliche Sicherheit.

Die Ergebnisse zeigen häufiger Unzufriedenheit mit Bereichen der öffentlichen Infrastruktur und auch regionale Unterschiede. Teilweise sind die Menschen zufrieden. Doch gut zwei Drittel wünschen sich höhere staatliche Investitionen.

Woran es mangelt

Am geringsten ist die Zufriedenheit in den Bereichen Klimaschutz sowie Bildung und Gesundheit. Hier sind im Schnitt nur 31 Prozent beziehungsweise 34 Prozent der Befragten zufrieden. Den mit Abstand größten Investitionsbedarf sehen die Befragten im Gesundheitswesen mit 87 Prozent, gefolgt von Bildung (79 Prozent). Mehr Investitionen in Klima- und Umweltschutz stimmen 70 Prozent zu.

Allerdings gibt es auch erhebliche regionale Unterschiede. Auf dem Land ist der Wunsch nach Verbesserungen der Gesundheitsversorgung noch höher als in der Stadt. Mehr Bedarf an Investitionen in den Klima- und Umweltschutz äußern dagegen häufiger Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen. In den neuen Bundesländern spielt öffentliche Sicherheit eine größere Rolle, Klimaschutz hingegen eine geringere. Im Westen ist es genau umgekehrt.

Insgesamt am wenigsten zufrieden sind die Menschen im Saarland. Der größte Investitionsbedarf wird in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz gesehen. Am größten ist die Zufrieden- heit im bundesweiten Durchschnitt bei der öffentlichen Sicherheit – die Hälfte der Befragten stellt ihr ein gutes Zeugnis aus. Aber: "Bundesweit ist die Zufriedenheit in allen Bereichen auffallend gering und der Wunsch nach Mehrinvestitionen sehr hoch", heißt es in der Auswertung.

Ausstattung und Fachkräfte fehlen

Die Befragungsergebnisse decken sich mit dem, was auch ver.di beobachtet. Ob öffentlicher Nahverkehr, Kitas und Schulen, Gesundheitswesen oder Verwaltung, überall fehlen Fachkräfte, sind notwendige Investitionen in die Zukunft versäumt oder aufgeschoben worden. Nun eilt es, vor allem beim Personal. Zwar lud der Staat erst kürzlich zum sogenannten Fachkräftegipfel ein. Dabei wurde aber vor allem deutlich, dass er selbst seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. In Kitas, Schulen – insbesondere den Berufsschulen – und Universitäten ist der Fachkräftemangel bittere Realität. Der Staat müsse vor der eigenen Tür kehren, findet denn auch ver.di. Zudem würden neben zusätzlichen Stellen auch bessere Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst gebraucht.

Dabei gehe es nicht nur um die Bezahlung, sondern auch um die Ausstattung und Weiterbildungsmöglichkeiten. Von der notwendigen, aber bisher verschlafenen Verwaltungsdigitalisierung ganz zu schweigen, schreiben der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke und der Bundesvorsitzende des dbb (deutscher beamtenbund und tarifunion) Ulrich Silberbach in einer gemeinsamen Presseerklärung dem Staat ins Stammbuch. Die Digitalisierung geht aber nicht nur in den Verwaltungen zu langsam voran, auch in den Haushalten kommt sie nicht richtig an. Rund zwei Drittel der Befragten aus der HBS-Analyse wünschen sich, dass der Staat in ein besseres Mobilnetz und Internet investiert.

ÖPNV ausbauen

Ein weiteres Beispiel ist der öffentliche Nahverkehr: Während Bund und Länder um die Finanzierung für eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets ringen, gebe es weiterhin keine Lösung für die Finanzierung eines attraktiven und zukunftsfähigen ÖPNV, kritisiert die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle anlässlich der aus ver.di-Sicht enttäuschenden Ergebnisse der Sonder-Verkehrsministersitzung im September. Im ganzen Land würden bereits die Fahrpläne im ÖPNV ausgedünnt und Linien eingestellt, weil Personal fehle. Noch in diesem Jahr seien zusätzliche Mittel von Bund und Ländern nötig. Gebraucht würden neben Investitionen in die Infrastruktur und einem Angebotsausbau vor allem aber auch attraktive Arbeitsbedingungen, um den Fachkräftemangel zu beheben.

So sehen das auch die Befragten der HBS-Studie. Öffentliche Investitionen in ÖPNV und Bahn, das wünschen sich 66 Prozent in der Stadt und 64 Prozent der Befragten auf dem Land. Hinzu käme der zusätzliche Gewinn für Klima und Umwelt – die Mehrheit hält auch das für wichtig.

Mehr über die HBS-Befragung zur Infrastrukturzufriedenheit und zu den Erwartungen der Menschen in Deutschland an Investitionen erfahren:

imk-boeckler.de/de/ faust-detail.htm?produkt=HBS-008383

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Foto: picture alliance/dpa

ÖPNV und Bahn

Knapp die Hälfte der Städter*innen, 48 Prozent, zeigten sich zufrieden mit dem öffentlichen Nahverkehr, auf dem Land sind es nur 31 Prozent, so das Ergebnis einer Befragung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (s. Haupttext). Beim Investitionsbedarf sind die Unterschiede weniger stark ausgeprägt: In der Stadt wünschen sich 66 Prozent mehr Investitionen, auf dem Land 64 Prozent. Das Institut vermutet, dass Menschen in der Stadt eher bereit sind, auf das Auto zu verzichten, dann aber auch stärker auf den öffentlichen Nahverkehr und seinen Ausbau angewiesen sind.

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Foto: Michael Tewes, "Auto Land Scape", published by Hatje Cantz

Straßen

Die Zufriedenheit mit Straßen, Brücken und Autobahnen liegt im bundesweiten Mittel bei 46 Prozent und damit vergleichsweise hoch. Der Unterschied zwischen Stadt und Land sowie Ost und West fällt kaum ins Gewicht. In allen Bundesländern findet sich eine leichte Mehrheit für eine Ausweitung der Investitionen in den Straßenbau, auf dem Land etwas mehr als in den Städten. Bemerkenswert laut Auswertung der Umfrage ist, dass in allen Bundesländern – mit Ausnahme von Brandenburg – die Verbesserung des ÖPNV und der Bahn eine höhere Priorität erhält als der Straßenbau.

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Foto: Jochen Tack/IMAGO

Fuß- und Fahrradwege

Die Zufriedenheit mit der Infrastruktur für Fußgänger und Fahrradfahrer unterscheidet sich kaum zwischen Stadt und Land oder West- und Ostdeutschland – sie liegt jeweils knapp unter 50 Prozent. Der Wunsch nach höheren Investitionen ist mit 53 Prozent so gering wie in keinem anderen Bereich. „Es liegt nahe, dass das mit dem immer noch geringen Verkehrsaufkommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zusammenhängt“, heißt es im Abschlussbericht.

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Foto: Manngold/imago images

Mobilnetz und Internet

In der Stadt sind 52 Prozent mit Mobilfunk und Internet zufrieden, auf dem Land sind es 44 Prozent. Der Stadt-Land-Unterschied verschwindet, wenn es um Mehrinvestitionen geht, jeweils rund zwei Drittel wünschen höhere Ausgaben. Das heißt: Die Befragten in der Stadt sind zwar insgesamt zufriedener mit dem Internet, wollen aber, dass das Netz noch besser ausgebaut wird.

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Foto: Christopher Clem Franken / VISUM

Kitas, Schulen, Universitäten

Nur ein Drittel der Befragten ist zufrieden mit dem Bereich Bildung. Stadt und Land sowie Ost und West unterscheiden sich hier kaum. Eher schon zeigt sich ein Gefälle zwischen Nord und Süd. Im Vergleich der Bundesländer schneidet die Zufriedenheit in Bayern mit 39 Prozent noch am besten ab, Mecklenburg-Vorpommern mit rund 20 Prozent am schlechtesten. In allen Bundesländern wünschen die Menschen deutlich mehr Ausgaben für Kitas, Schulen und Unis. „Bildung ist insgesamt also ein Bereich mit auffällig hohem und einheitlichem Investitionswunsch“, so das Ergebnis der Umfrage.

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Foto: picture-alliance / dpa

Gesundheit und Pflege

Bei Gesundheit zeigt sich nur rund ein Drittel zufrieden. Der Wunsch nach höheren Ausgaben ist in diesem Bereich mit Abstand am größten. Auf dem Land ist die Zufriedenheit noch geringer als in der Stadt. Gleichzeitig fordern fast neun von zehn Befragten in ländlichen Regionen mehr Investitionen im Gesundheitswesen, in der Stadt ist der Anteil etwas niedriger.

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Foto: picture-alliance / dpa

Klima- und Umweltschutz

Der einzige Bereich, in dem bundesweit weniger als ein Drittel der Befragten zufrieden ist, ist der Umweltschutz. Allerdings zeigen sich hier größere Differenzen zwischen Ost und West: In Westdeutschland ist die Zufriedenheit mit Klima- und Umweltschutz geringer als in Ostdeutschland. Beim Wunsch nach zusätzlichen Investitionen in diesem Bereich verhält es sich umgekehrt: In den alten Bundesländern wünschen 73 Prozent höhere Ausgaben, in den neuen 60 Prozent.

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Foto: picture-alliance / dpa

Öffentliche Sicherheit

In Bayern sind 62 Prozent mit der öffentlichen Sicherheit zufrieden, sechs Prozentpunkte mehr als in allen anderen Bundesländern. Dennoch ist die öffentliche Sicherheit auch in anderen Bundesländern der Bereich mit der höchsten Zufriedenheit. Die geringste Zufriedenheit weist Sachsen-Anhalt mit 41 Prozent auf. Nach zusätzlichen Investitionen gefragt, fällt auf, dass die Ostdeutschen ­einen höheren Bedarf sehen als die Westdeutschen. Zwischen Stadt und Land gibt es beim Thema Sicherheit kaum Unterschiede.

Kritische Infrastruktur – was ist das?

Gefährliche Viren, Naturereignisse wie Hochwasser oder Erdbeben, Terror, Krieg, herabstürzende Meteoriten, es gibt vieles, was Katastrophen hervorrufen und die Versorgungslage verschlechtern oder gar unterbrechen kann. In letzter Zeit ist häufig die Rede von sogenannter kritischer Infrastruktur. Wenn diese unterbrochen oder zerstört ist, hat das gravierende Auswirkungen auf die Versorgungslage und das Überleben.

Definition

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe definiert: "Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden."

Was gehört dazu?

Zu den KRITIS werden inzwischen zehn Sektoren gezählt: 1. Energie (mit Dienstleistungen wie Stromversorgung, Gas, Kraftstoff, Heizöl und Fernwärme), 2. Ernährung (z.B. Lebensmittel), 3. Finanz- und Versicherungswesen (z.B. Bargeldversorgung, aber auch Zahlungsverkehr), 4. Gesundheit (Medikamente, Impfstoffe und medizinische Versorgung). 5. Informationstechnik und Telekommunikation (Sprach- und Datenübertragung, Datensicherung etc.), 6. Siedlungsabfallentsorgung (erst seit 2021), 7. Medien und Kultur (Warnung, Alarmierung, Herstellen von Öffentlichkeit, Schutz von Kulturgut etc.), 8. Staat und Verwaltung (z.B. Gefahrenabwehr, Verteidigung, Gesetzgebung, Kontrolle der Regierung, Rechtsprechung etc.), 9. Transport und Verkehr (darunter auch Gütertransporte und Satellitennavigationssysteme etc.), 10. Wasser (Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung).

Wo lauern die Gefahren?

Mehr als 500 Unternehmen gehören zu den KRITIS-Sektoren. Sie alle müssen bestimmte, strenge Maßnahmen für den Schutz ihrer Einrichtungen ergreifen. Denn ihr Ausfall kann zu erheblichen Versorgungsengpässen und Gefährdungen führen. Wie schnell eine kritische Infrastruktur an ihre Grenzen kommen kann, hat jüngst die Pandemie vor Augen geführt. Personal erkrankte in Kliniken, wo schon zuvor das Personal knapp war. Die Folgen waren lange Wartezeiten auf Operationstermine, fehlende freie Betten bis hin zu Versorgungsengpässen mit Medikamenten. Ein weiteres Beispiel geben aktuell die Explosionen an den Gaspipelines mit der Folge von Gasmangel und steigenden Energiepreisen. Aber auch der Klimawandel wird künftig vermehrt Teile der Infrastruktur an ihre Grenzen bringen. Flutkatastrophen, Waldbrände und anhaltende Dürre führen schon jetzt zu Notlagen und Ernteausfällen. Zudem sind neue, noch unbekanntere Risiken wie durch Künstliche Intelligenz in Zukunft zu erwarten.

Was können wir tun?

Gemeinsam ist allen Infrastrukturleistungen: Um sie stabil zu halten, braucht es nicht nur materielle Ressourcen wie etwa Gebäude, Straßen, Energie und Transportwege, sondern auch gute Arbeitsbedingungen. Attraktive Arbeitsplätze ziehen Fachkräfte an und halten sie. Gut ausgebildetes Personal in ausreichender Zahl schafft insgesamt eine bessere Voraussetzung für eine stabile Versorgung der Bevölkerung. Am Ende profitieren alle: Beschäftigte, Verbraucher*innen und Bürger*innen.

Mehr über KRITIS erfahren: bbk.bund.de/DE/Themen/Kritische-­Infrastrukturen/Sektoren-Branchen/sektoren-branchen_node.html