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Bei der täglichen Hilfe dringend gebraucht, formell aber nur geduldetFoto: Hollemann/picture alliance/dpa Bildfunk

Von Rita Schuhmacher

Im öffentlichen Diskurs wird das Nachgehen einer Erwerbsarbeit als zentraler Pfeiler der "Integration" zugewanderter Menschen verstanden. Doch unterliegen viele Migrantinnen und Migranten einem Arbeitsverbot. Geflüchtete nach dem Asylbewerbergesetz dürfen gar nicht arbeiten. Geduldete Personen nur mit einer Arbeitserlaubnis. Eine solche können sie bei Aufenthalt in einer Landeseinrichtung frühestens nach sechs Monaten erhalten. Doch bei der Erwerbsarbeit geht es um mehr als finanzielle Unabhängigkeit. Es stellt eine wesentliche Form sozialer Teilhabe dar.

Aktuelle Fälle von geduldeten Kolle-g*innen in einer solchen Situation würden zeigen, wie kontraproduktiv die aktuelle Gesetzgebung sei, sagt Romin Khan, Referent für Migrationspolitik beim ver.di-Bundesvorstand: "Hier sehen wir gleich zwei Missstände, die sich gegenseitig bedingen. Betroffene müssen einer Erwerbsarbeit nachkommen, um nicht abgeschoben zu werden. Um aber eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, braucht es wiederum eine Genehmigung der Behörden, die oftmals verweigert wird."

Ende der Kettenduldung

Nun hat der Bundestag am 2. Dezember das "Chancen-Aufenthaltsrecht" beschlossen. Laut Koalitionsvertrag soll das Gesetz der bisherigen Praxis der Kettenduldungen entgegengesetzt werden. Menschen, die bis zum 1. Januar 2022 nur den unsicheren Status der Duldung hatten, sollen einmalig auf Probe eine auf 18 Monate befristete Aufenthaltserlaubnis bekommen. In dieser Zeit müssen sie nachweisen, dass sie etwa die deutsche Sprache beherrschen und ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können. Ist dem so, soll ihnen ein langfristiges Bleiberecht erteilt werden. Davon können laut Pro Asyl ca. 135.000 geduldete Menschen profitieren (65 Prozent von allen Geduldeten derzeit). Sie leben seit vielen Jahren in Unsicherheit in Deutschland.

In der Sachverständigen-Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat Anfang Dezember verwies Kerstin Becker vom Paritätischen Gesamtverband auf die Brückenfunktion in einer der bereits bestehenden Bleiberechtsregelungen. Es bedürfe jedoch noch wesentlicher Korrekturen, damit nicht das Ziel verfehlt werde, Kettenduldungen zu beenden sowie die Integration der betroffenen Menschen zu fördern. So müsse der Stichtag 1. Januar 2022 gestrichen werden, damit auch in Zukunft Menschen, die sich länger als fünf Jahre in Deutschland aufhalten, die Regelungen in Anspruch nehmen können.

Anne Courbois vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wies auf das Risiko für Unternehmen hin, geduldete Ausländer einzustellen. Es bestehe das Risiko, dass sie von einem Tag auf den anderen abgeschoben würden. Auch weil hier das Gesetzesvorhaben Verbesserungen verspreche, sei es grundsätzlich zu begrüßen. Mit Blick auf die Praxis gebe es Verbesserungsbedarf.

Romin Khan befürchtet, dass das Gesetz nicht den gewünschten Effekt bringt: "Es ist gut, dass es jetzt einige Verbesserungen bei dem Gesetz gibt, wie eine Verlängerung des Zeitraums auf 18 Monate, in denen die Bedingungen erfüllt werden müssen. Aber das Gesetz wird trotzdem für viele geflüchtete Menschen wenig Fortschritt bringen."

Keine Belohung für erfüllte Bedingungen

Das Bleiberecht dürfe nicht länger als eine Art Belohnung dafür gestaltet werden, dass man Bedingungen erfüllt, die man in der Realität gar nicht erfüllen könne. Viele Geflüchtete zum Beispiel können nicht sofort einen Job finden, wenn sie jahrelang von Arbeitsverboten betroffen waren, sagt Khan. "Wir brauchen praktikable und lebensnahe Lösungen." Dennoch sei es ein Schritt in Richtung moderner Migrationspolitik.

Die Bundesregierung hat gleich mehrere Reformen geplant, um die Migrationspolitik zu modernisieren. Auch die deutsche Staatsbürgerschaft soll für Ausländerinnen und Ausländer leichter zu erlangen sein. Einbürgerungen sollen unter bestimmten Voraussetzungen vereinfacht werden. Künftig soll es bereits nach fünf Jahren, statt wie bisher nach acht Jahren Aufenthalt, die Möglichkeit geben, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Bei "besonderen Integrationsleistungen" sogar schon nach drei Jahren – etwa bei besonderen schulischen oder beruflichen Leistungen oder ehrenamtlichem Engagement.

Einwanderungsland Deutschland

ver.di-Chef Frank Werneke begrüßt die geplante Reform des Staatsbürgerschaftsrechts: "Es ist richtig, wenn Menschen, die seit Jahren hier leben, arbeiten und wirtschaften, der Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert wird." Deutschland sei ein Einwanderungsland, und dazu gebe es angesichts der demografischen Entwicklung auch keine Alternative.

"Allein im Bildungssektor – inklusive der Kinder- und Jugendhilfe – brauchen wir bis 2025 rund 400.000 Fachkräfte mehr als heute, und im öffentlichen Dienst droht bis 2030 eine personelle Unterdeckung von rund einer Million Arbeitskräften", so Werneke weiter. Notwendig seien in Deutschland gute Arbeitsbedingungen und eine Willkommenskultur, die es Menschen attraktiv mache, zu uns zu kommen. "Dazu gehört auch die Chance, sich leichter und schneller als bisher für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden zu können. Auch vor diesem Hintergrund ist ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht längst überfällig."

Duldung ist kein Aufenthaltstitel

247.290 der in Deutschland lebenden, aber ausreisepflichtigen Personen verfügen über eine Duldung. Die meisten von ihnen kommen ursprünglich aus dem Irak oder Afghanistan. 65 Prozent der Geduldeten leben schon seit mehr als fünf Jahren in Deutschland (ca. 135.000 Personen). Diese Personengruppe kann nach Verabschiedung das Chancen-Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen.

Eine Duldung ist kein Aufenthaltstitel und verschafft keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland – es ist lediglich eine Aussetzung der Abschiebung und lässt die Strafbarkeit des illegalen Aufenthalts entfallen. Dennoch sind Betroffene zur Ausreise verpflichtet. Oftmals ist die Ausreise oder die Abschiebung jedoch überhaupt nicht möglich. Zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, wenn die Identität der Betroffenen nicht abschließend geklärt werden kann oder wenn es keine aufnahmebereiten Drittstaaten gibt. Die Verlängerung einer Duldung ist also an bestimmte Bedingungen geknüpft.