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Joshua Kensy ist Mitglied des ver.di-BundesjugendvorstandesFoto: Privat

ver.di publik – Gas und Lebensmittel sind schon seit Monaten deutlich teurer. Viele junge Menschen machen sich Sorgen wegen der Inflation. War es das jetzt mit den Jahren des Wohlstands für sie?

Joshua Kensy – Für die Auszubildenden und Studierenden gab es auch vorher schon keine fetten Jahre. An einem Lebenshaltungsminimum zu hängen, zu überlegen, wie kriege ich mit Nudeln und etwas Soße ein günstiges Gericht gekocht, das gehörte schon immer zur Lebensrealität der Studierenden und Auszubildenden. Die Situation in der Inflation ist eher noch mal schärfer, so wie unter einem Brennglas.

Wo können junge Menschen sparen?

Die Sorge und Unsicherheit in Bezug auf die nächste Gasabrechnung ist groß und beschäftigt viele junge Menschen. Was passiert, wenn Gas- und Stromrechnung kommen? Wo stehe ich dann da? Wir haben hier eine besondere Situation: Menschen in Studium und Ausbildung sind nicht in der Lage zu sparen. Sie bekommen vielleicht Bafög, haben einen Studijob nebenbei, erhalten eine kleine Auszubildendenvergütung – diese Einkommen sind jedoch so auf Kante kalkuliert, dass man damit gerade so über die Runden kommt. Wenn es zu Teuerungen kommt, fallen Dinge weg wie das Heizen der Wohnung, die Freizeitgestaltung und bestimmte Lebensmittel. Hier wird am ehesten gespart. Junge Menschen müssen sich erheblich einschränken.

„Die Preise werden so schnell nicht fallen und die steigenden Kosten müssen auch in den nächsten Jahren getragen werden. Da braucht es gute Tarifverträge, gute Bezahlung auch im Ausbildungs- und Studienniveau.“

Wo ist der Optimismus der jungen Generation geblieben?

Ich beobachte eine gewisse Frustration unter uns jungen Menschen. Erst vor ein paar Tagen fuhr ich in Hannover nachts an einem großen Bürogebäude vorbei. Das Gebäude war von oben bis unten hell erleuchtet, um zwei in der Nacht, und kein Mensch war zu sehen. Das zeigt dieses Ungleichgewicht, dass bei vielen von uns eine gewisse Frustration auslöst. Viele junge Menschen kaufen eher reduzierte Artikel, heizen nicht mehr, duschen vielleicht weniger und kürzer, essen Nudeln mit Ketchup statt Pesto. Gleichzeitig fahren große Konzerne Riesengewinne ein, sitzen in sogar nachts wunderschön hell beleuchteten und beheizten Büros, kriegen nichts mit und steigern immer weiter ihre Profite. Es kommt immer weiter zu einer Spaltung, die Reichen werden reicher, die Armen immer mehr. Und letztere sind schon geübt darin zu sparen, ihre Lebenshaltungskosten gering zu halten.

Aber wurden junge Menschen in den Entlastungpaketen nicht ebenfalls berücksichtigt?

In den Entlastungspaketen wurden junge Menschen teilweise berücksichtigt, aber bei weitem nicht in allen Entlastungspaketen. Es ist schön, wenn in Entlastungspaketen mal hier eine Summe an Auszubildende und hier mal an Studierende ausgezahlt wird. Das ist aber nichts, was eine langfristige Sicherheit bietet. Die Preise werden so schnell nicht fallen und die steigenden Kosten müssen auch in den nächsten Jahren getragen werden. Da braucht es gute Tarifverträge, gute Bezahlung auch im Ausbildungs- und Studienniveau. Von der Energiepreispauschale für Studierende ist auch noch nichts angekommen. Millionen Studis warten noch immer auf ihr Geld beziehungsweise gibt es bisher noch nicht einmal eine Plattform, um das Geld zu beantragen.

Was bedeutet das jetzt für euch aus gewerkschaftlicher Sicht?

Ganz klar: Eine Ausbildungsvergütung muss zum Leben reichen. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, in Deutschland eine Mindestausbildungsvergütung einzuführen. Aber da darf für uns nicht Schluss sein. Wir müssen es schaffen, dass jede Ausbildung dazu führt, dass ich mir auch wirklich ein Leben leisten kann. Die Ausbildung ist nach der Schule letztendlich der Schritt ins Erwachsenenleben. Ich werde selbstständig, ich fange an, mein erstes Geld zu verdienen. Und damit muss es auch möglich sein, mir eine eigene Wohnung zu finanzieren und gerade auch in ländlichen Gebieten meine Mobilität zu gewährleisten. Ich muss ja schließlich auch irgendwie zur Arbeit kommen. Es kann doch nicht sein, dass junge Erwachsene auf Jahre weiterhin abhängig von ihren Eltern oder auf staatliche Unterstützung angewiesen sind und wir ihnen damit letztendlich auch den Zugang zur Eigenständigkeit verwehren.

Interview: Rita Schuhmacher