Ereilt ältere Patienten im Ruhestand eine Krankheit mit nachfolgender Beeinträchtigung, ist die Bewilligung eines Schwerbehindertengrades in den meisten Fällen einigermaßen problemlos. Die Betroffenen füllen den Antrag auf Schwerbehinderung aus und schicken ihn an das örtliche Versorgungsamt. Dort wird der Grad der Behinderung (GdB) aufgrund der Versorgungsmedizin-Verordnung festgestellt und man erhält per Post einen Schwerbehindertenausweis.

Sehr kompliziert und langwierig aber kann es werden, wenn der oder die Betroffene noch im Berufsleben steht und nach einer Erkrankung oder Operation und einer sogenannten Heilungsbe­währung Beschwerden hat, die beim Versorgungsamt nicht vorgesehen sind. Dann schreibt man sich viele Briefe mit dem zuständigen Sachbearbeiter. Der kommt nach einiger Zeit und nach Prüfung der Unterlagen beispielsweise auf einen GdB von 40. Dabei ist er großzügig, denn offiziell ist man ja wieder gesund.

Mit einem GdB zwischen 30 und 50 kann man sich per Antrag bei der Bundes­agentur für Arbeit mit dem Status eines Schwerbehinderten gleichstellen lassen. Für den Beschäftigten gilt dann ein besonderer Kündigungsschutz und er oder sie hat Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben. Doch erst ab ­einem GdB 50 steht den Erkrankten auch eine Steuererleichterung zu, sie erhalten sechs zusätzliche Urlaubstage und können – wenn sie 35 Versicherungsjahre erreicht haben – zwei Jahre früher ohne Abschläge in die Rente gehen.

Alles im Ordner abheften

Dieser zähe Schriftverkehr mit dem Versorgungsamt beutelt die Erkrankten zwischen Hoffnung und Absage hin und her. Da ist es gut, ver.di-Mitglied zu sein. ­Sollte es im Betrieb oder der Dienststelle keine Schwerbehindertenvertretung geben, dann helfen dir auch Kolleg*innen in den ver.di-Bezirken beim Ausfüllen des Antrags. Auch steht dir die Unterstützung durch den ver.di-Rechtsschutz zu, der solche Zweifelsfälle außergerichtlich oder bis hin zur Gerichtsverhandlung übernimmt, wenn er Erfolgsaussichten sieht. Ist dies der Fall, übernimmt er auch den grässlichen Schriftverkehr.

Der ist für viele, die mit ihrer Erkrankung kämpfen, tatsächlich eine Zumutung. Bei jeder erneuten Prüfung des Vorgangs fordert das Versorgungsamt eine Auflistung aller beteiligten Ärzte oder Krankenhäuser mit Adresse und Tele­fonnummer sowie einer erneuten Schilderung sämtlicher Beschwerden. Am besten fotografiert man sich das einmal ab und heftet es bis zur nächsten Aufforderung ab. Denn gespeichert ­werden diese Angaben beim Amt offenbar nicht.

Hinzu kommen Verzögerungen durch allzu Menschliches. Es kommen Briefe, sorry, Fristverlängerung, der Sachbearbeiter ist krank. Dann ist einer der Ärzte beim Amt unpässlich, wodurch der Fall erst später weitergeprüft werden kann. Und so füllt sich langsam der Ordner mit Briefen, die der Rechtsschutz dir in Kopie zuschickt.

Ein solches Verfahren kann sich leider drei, vier zermürbende Jahre hinziehen und an den Nerven Zerren. Dennoch ist es wichtig, am Ball zu bleiben.

Wichtiger Hinweis: Die Bewilligung ist auffällig unauffällig im letzten Satz versteckt. Zum Glück liest der ver.di-Rechtsschutz den Brief zuerst und ruft dich an, um die frohe Botschaft zu verkünden bzw. um zu fragen, ob man denGdB akzeptiert. Wenn ja, wird das Verfahren beendet. Wenn nicht, greift man am besten zu einem größeren Ordner. Jenny Mansch

Infos zur Arbeit der ver.di-Schwerbehindertenvertretungen verdi.de/themen/mitbestimmung/schwerbehindertenvertretung

Antrag auf Gleichstellung: arbeitsagentur.de/menschen-mit-behinderungen