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Krankenhäuser, die gebraucht werden, müssen dauerhaft auskömmlich finanziert werdenMarijan Murat/dpa

Kurz vor dem Jahreswechsel schlug die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Alarm. Die Lage sei „so schlecht wie nie“, 2023 erwarteten fast vier von fünf Häusern rote Zahlen. Und 71 Prozent gehen davon aus, dass es dieses Jahr noch schlimmer kommt. „Den Kliniken läuft die Zeit davon“, warnte DKG-Chef Gerald Gaß. 2024 drohe, zum „Rekord-Insolvenzjahr“ zu werden.

Doch Insolvenzen sind dabei nur ein Teil des Problems. Ein anderer ist, dass bereits etliche Fachabteilungen und Klinik­standorte aus wirtschaftlicher Not geschlossen werden. Welche Folgen das für die regionale Gesundheitsversorgung hat, zeigt exemplarisch der Landkreis ­Elbe-Elster im Süden Brandenburgs. Dessen kommunales Klinikum hat bislang drei Standorte inklusive Notaufnahmen: in Elsterwerda, Finsterwalde und Herzberg. Der Klinik Finsterwalde droht nun die Schließung, in Herzberg sollen die Geburts- und Kinderabteilung stillgelegt werden.

ver.di-Sekretär Ralf Franke befürchtet gravierende Auswirkungen auf die Versorgung in der Region, in der gut 100.000 Menschen auf fast 1.900 Quadratkilometern leben. „Anders als in Großstädten gibt es hier keine anderen Krankenhausträger, die Schließungen auffangen könnten“, gibt er zu Bedenken. Auch der Rettungsdienst könne das nicht leisten. „Um die Notfallversorgung über größere Distanzen zu sichern, bräuchte es mehr Rettungswagen und Hubschrauber. Und mehr Personal. Schon jetzt sind Stellen im Rettungsdienst unbesetzt.“

Für die Reform braucht es Geld

Besonders kleinere Krankenhäuser leiden unter zurückgehender Auslastung und struktureller Unterfinanzierung – aber auch unter einem Mangel an Fachpersonal. Die Probleme verstärken sich gegenseitig: Werden nur wenige Fälle behandelt, müssen Assistenzärzt*innen ihre Fachweiterbildung woanders absolvieren. Müssen dann ganze Stationen aus Personalmangel schließen, können auch Notaufnahmen nicht betrieben werden. Letztere sind ohnehin ein Zuschussgeschäft.

„Elbe-Elster ist eines von vielen Beispielen, das zeigt: Eine Krankenhausreform, die den Namen verdient, gibt es nicht zum Nulltarif“, sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler und fordert: „Wir brauchen einen Transformationsfonds, aus dem die nötigen Umstrukturierungen finanziert werden.“
Sylvia Bühler, ver.di-Bundesvorstandsmitglied

Die Bundesregierung will auf diese Probleme mit der Zentralisierung von Klinik­standorten reagieren. Auch in Elbe-Elster ist das Thema: In der Mitte des Landkreises könnte in dem Ort Doberlug-Kirchhain ein neues Fachkrankenhaus entstehen, die drei bestehenden Kliniken in Medizinische Versorgungszentren umgewandelt werden. Kostenpunkt: 150 Millionen Euro – in etwa so viel, wie das Land Brandenburg seinen insgesamt 54 Krankenhäusern pro Jahr an Investitionen zur Verfügung stellt. Die Landesregierung lehnte den Zuschuss für den Elbe-Elster-Kreis deshalb als zu teuer ab.

„Elbe-Elster ist eines von vielen Beispielen, das zeigt: Eine Krankenhausreform, die den Namen verdient, gibt es nicht zum Nulltarif“, sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler und fordert: „Wir brauchen einen Transformationsfonds, aus dem die nötigen Umstrukturierungen finanziert werden.“ Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schlägt hierfür ein zweckgebundenes Sondervermögen von mindestens 10 Milliarden Euro vor. Bühler betont: „Wenn Bund und Länder nicht schnell Lösungen finden, ist die Grundversorgung in vielen Regionen gefährdet.“

Das gilt auch für Eisenhüttenstadt an der Grenze zu Polen, wo die Geburtshilfe und die Gynäkologie im Städtischen Krankenhaus geschlossen werden. Diese seien schon lange defizitär, berichtet die Betriebsratsvorsitzende Annett Thielicke. „Früher haben andere Bereiche die Verluste ausgeglichen, aber das funktioniert nicht mehr.“ Werdende Mütter müssten künftig ins 30 Kilometer entfernte Frankfurt (Oder) oder gar ins doppelt so weite Cottbus beziehungsweise nach Bad Saarow fahren. Gerade im ländlichen Raum, wo der öffentliche Nahverkehr kaum ausgebaut ist, sind solche Distanzen ein echtes Problem.

Dennoch sieht auch Betriebsrätin Thielicke zur Stationsschließung keine Alternative, denn das Städtische Krankenhaus schreibt rote Zahlen. Obwohl das Haus Rücklagen bilden konnte, weil es zwölf Jahre keinen Tarifvertrag gab – „auf Kosten der Belegschaft“, sagt Thielicke. 2018 hat ver.di schließlich für die nicht-ärztlichen Beschäftigten immerhin wieder einen Tarifvertrag durchgesetzt, allerdings deutlich unter dem Flächentarifvertrag TVöD. Nun sei absehbar, dass die einst gemachten Rücklagen schnell aufgebraucht seien. „Und was passiert dann? Verkauf? Schließung“, fragt die Betriebsrätin.

Vor diesem Hintergrund müsse die Krankenhausreform schnell kommen, fordert die Krankenschwester. Und bis diese greife, müssten Not leidende ­Kliniken kurzfristig unterstützt werden. „Sonst gehen alte Strukturen kaputt, bevor neue geschaffen sind. Das wäre fatal.“

Fallpauschalen Ursache der Probleme

Das befürchtet auch Jörg Sponholz, der am anderen Ende der Republik, im rheinland-pfälzischen Saarburg, als Krankenpfleger arbeitet. Gerade erst musste der Kreis eine Bürgschaft für einen Kredit gewähren, damit das Kreiskrankenhaus im November und Dezember die Gehälter überweisen konnte. „Gleichzeitig warten wir auf Millionenbeträge der ­Krankenkassen, das ist völlig paradox“, kritisiert der Betriebsratsvorsitzende Sponholz.

„Kleine Krankenhäuser müssen OP-Säle, Zentralsterilisation, Röntgenabteilung, Notaufnahme rund um die Uhr und vieles mehr ebenso vorhalten wie große. Bei geringen Fallzahlen rechnet sich das im DRG-System nicht.“
Jörg Sponholz, Krankenpfleger und Betriebsrat

Strukturell sieht er die Ursache der Probleme im Finanzierungssystem über Fallpauschalen (englisch DRG). „Kleine Krankenhäuser müssen OP-Säle, Zentralsterilisation, Röntgenabteilung, Notaufnahme rund um die Uhr und vieles mehr ebenso vorhalten wie große. Bei geringen Fallzahlen rechnet sich das im DRG-System nicht.“ Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) immerhin 60 Prozent der Finanzierung über sogenannte Vorhaltebudgets statt über Fallpauschalen gewährleisten will, hält Sponholz daher für einen Schritt in die richtige Richtung. „Wichtig ist aber, dass das schnell kommt, sonst gehen viele Krankenhäuser vorher pleite.“

Welche problematischen Wirkungen das DRG-System entfaltet, zeigt auch das Beispiel Neuruppin. Das neuerdings als Universitätsklinik firmierende Krankenhaus im nördlichen Brandenburg hat zum Jahreswechsel die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) und die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) geschlossen. Dabei ging es laut einem Bericht der Märkischen Allgemeinen Zeitung darum, „Zeiten in den knappen Operationssälen freizumachen, um dort andere, besser bezahlte Operationen durchführen zu können“.

Hintergrund ist wohl, dass zum Beispiel für Polypen-OPs bei Kindern sehr niedrige Fallpauschalen gezahlt werden. Die Klinikleitung argumentiert jetzt, die Schließung der Bereiche sei nötig, um die Verluste zu verringern, die sich 2023 auf etwa 8 Millionen Euro summiert haben. Niedergelassene Ärzt*innen in der Region warnen hingegen davor, dass dies die Patientenversorgung gefährden könnte.

„Krankenhäuser, die gebraucht werden, müssen dauerhaft auskömmlich finanziert werden“, fordert der für die Neuruppiner Uniklinik zuständige ver.di-Verhandlungsführer Torsten Schulz. „Das ist auch nötig, um eine angemessene Bezahlung zu ermöglichen.“ In Neuruppin verdient eine Krankenpflegerin jährlich rund 7.300 Euro weniger als im TVöD, ein Physiotherapeut fast 9.000 Euro weniger. ver.di will das bei den Mitte Januar beginnenden Verhandlungen über einen neuen Haustarifvertrag ändern – auch, weil es sonst immer schwerer wird, genug Beschäftigte zu gewinnen und zu halten.

„Das beste Mittel gegen den Personalmangel sind gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen“, betont der Gewerkschafter. Und die Voraussetzung dafür sei eine bessere Finanzierung: „Bund und Länder stehen in der Pflicht, bei diesem so wichtigen Thema endlich in die Gänge zu kommen.“