So wie internationale Sportverbände für faire Wettkämpfe Regelwerke geschaffen haben, so regelt die EU mit ihren Richtlinien unter anderem auch die Bedingungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt, um den wirtschaftlichen Wettbewerb innerhalb der Grenzen Europas fair zu gestalten. Das gilt auch für die Arbeit in den ­Häfen und zur See, die maritime Wirtschaft. Laut der Europäischen Transportarbeiterföderation (ETF) werden mittlerweile nahezu 90 Prozent aller Waren auf dem Seeweg und über die weltweiten Häfen ausgeliefert.

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Nachhaltig ist auch Hafenarbeit nur, wenn sie auch sozial istFoto: Imagebroker/picture alliance

In der Fachsprache der EU ist von einem „Level-Playing-Field“ die Rede, wenn es um einheitliche Wettbewerbsbedingungen geht. Bereits anlässlich der 13. Nationalen Maritimen Konferenz unter dem Motto „Standort stärken, Klima schützen, Zukunft gestalten“ Mitte September 2023 hatte ver.di ein klares Bekenntnis der ­Politik zur Maritimen Wirtschaft als einem wesentlichen Teil der kritischen Infrastruktur und zu ihrer Zukunftsfestigkeit gefordert.

Zwei Monate später schrieben rund 70 Beschäftigte der deutschen Häfen in einem Manifest: „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der maritimen Wirtschaft verändern sich dramatisch. Auch die technische Transformation (Digitalisierung, Automatisierung und der Einsatz von KI), der sozial-ökologische und demografische Wandel wird die Struktur in den Häfen beeinflussen. Dies hat auch Folgen für die Beschäftigten, der Stress steigt, die psychische Belastung nimmt zu.“ Maya Schwiegershausen-Güth, die für die Maritime Wirtschaft zuständige Bundesfachgruppenleiterin bei ver.di, betont, dass allein die Seehäfen und hafenabhängigen Industrien in Deutschland die Beschäftigung von 5,6 Millionen Menschen sichern. In ihrem Sinne müssten insbesondere die Automatisierung von Arbeitsprozessen, aber auch alle anderen Transformationsprozesse positiv mitgestaltet werden, um ­negative Beschäftigungseffekte zu verhindern sowie gute und gesunde Arbeitsbedingungen sicherzustellen, auch auf europäischer Ebene.

Auch die ETF hat im Vorfeld der Europa-Wahl ein Manifest aufgesetzt. Aus Sicht der Gewerkschafterin trifft es im Kern die Forderungen, die auch die Kolleg*innen an Bord und an der Kai-Kante im Hafen in ihrem Manifest festgehalten haben. „Wir wollen einen Neuen Deal für einen fairen maritimen Transport, in dem die Beschäftigten eine prominente Rolle spielen“, sagt Schwiegershausen-Güth. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit, die auch Teil des Grünen Deals der EU sei, macht sie klar, dass der nur nachhaltig sein könne, wenn er nicht nur grün, sondern auch sozial sei. „Es ist nicht hinnehmbar, dass auf dem Rücken der Beschäftigten über Sozialdumping Wettbewerbsvorteile angestrebt werden. So können beispielsweise Reeder von staatlichen Beihilfen profitieren, ohne soziale Verantwortung übernehmen zu müssen, und europä­ische Staaten unterbieten sich mit ­Billigflaggen und Steuergeschenken im Wettbewerb.“ Hier habe die EU eine entscheidende Regelungskompetenz und sollte sie auch nutzen.

Die wichtigsten gewerkschaftlichen Forderungen sind daher:

  • Unternehmen in der EU müssen europäische Standards an Land und auf See garantieren.
  • Alle Crewmitglieder, die regelmäßig zwischen EU-Häfen verkehren, müssen europäische Arbeitsbedingungen erhalten, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Wohnsitz.
  • Eine Klimapolitik, die soziale Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung einer alternden Belegschaft und den Herausforderungen aus einem gleichzeitigen digitalen und technologischen Wandel der Arbeitswelt, umfasst.

pewe