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Europa ist wichtig für uns alle. Nicht wählen gehen, ist keine OptionFoto: Stefan Boness

Wann wird das Europa-Parlament gewählt?

In Deutschland ist der 9. Juni der Wahltag. In den anderen 26 Mitgliedsstaaten werden zwischen dem 6. und 9. Juni ­deren Mitglieder für das Europäische ­Parlament gewählt, die Wochentage hängen jeweils von traditionellen nationalen Wahltagen ab.

In Deutschland werden am 9. Juni zudem in acht Bundesländern Kreis-, Stadt- und Gemeindevertretungen gewählt.

Wer wird gewählt?

Bundesweit stimmen die Wahlberechtigten über die 96 Abgeordneten ab, die Deutschland zukünftig im Europäischen Parlament vertreten sollen. Insgesamt werden bei dieser Wahl europaweit 720 Parlamentsmitglieder gewählt, die genaue Anzahl pro Land richtet sich nach der Bevölkerungszahl, mindestens sind es aber sechs Abgeordnete. Das EU-­Parlament hat seinen Sitz in Straßburg, tagt im Wechsel aber auch in Brüssel.

Wer darf wählen?

Aufgerufen sind EU-weit rund 500 Millionen Menschen. In Deutschland wird erwartet, dass zusätzlich zu den knapp 61 Millionen Wahlberechtigten noch rund 4 Millionen hier lebende EU-Bürger*innen auch hier ihre Stimme abgeben. Das Wahlalter in Deutschland für die Europawahl ist zum ersten Mal auf 16 Jahre abgesenkt, ebenso auch in Öster­reich, Belgien und Malta. In Griechenland darf ab 17 Jahren gewählt werden, in allen anderen Staaten gilt weiterhin die Vollendung des 18. Lebensjahres zur Wahlberechtigung. Da es kein EU-Wahlgesetz gibt, gelten die einzelstaatlichen Regelungen des jeweiligen Wahllandes für alle, die dort wählen.

Was macht die Wahl besonders?

Das Europäische Parlament ist das einzige direkt gewählte Organ der EU. Schaut man sich weltweit um, gibt es keine andere überstaatliche Institution, die direkt gewählt wird. Gleichzeitig hat das EU-Parlament seit seiner Gründung im Jahr 1952 seinen Einfluss auf die Belange der EU beharrlich erweitert. So kann es heutzutage unter anderem starken Einfluss nehmen auf die europäische Gesetzgebung und die Besetzung der EU-Kommission, einer Art EU-Regierung. Direkt gewählt wird das EU-Parlament übrigens erst seit 1979.

Gibt es Fraktionen im EU-Parlament?

Derzeit gibt es sieben Fraktionen im ­euro­päischen Parlament sowie 51 fraktionslose Abgeordnete. Die Parlamen­tarier*innen schließen sich darin ­länderübergreifend nach politischen Richtungen zusammen. Erforderlich sind dazu mindestens 23 Abgeordnete aus einem Viertel der EU-Länder, also sieben. Aktuell bilden die 177 Mitglieder der Euro­päischen Volkspartei, EVP, die größte Fraktion. Aus Deutschland gehören ihr 30 Abgeordnete von CDU und CSU an.

Wie entscheidet das EU-Parlament?

Im EU-Parlament fehlt der aus dem Bundestag bekannte Gegensatz zwischen Fraktionen, die die Regierung beziehungsweise die Opposition bilden. Je nach Abstimmungsthema entstehen wechselnde Mehrheiten. Deshalb ist es wichtig, sich vor der Wahlentscheidung genau die Positionen der einzelnen Parteien anzusehen, die zur Wahl stehen.

Wer steht an der Spitze des Europäischen Parlaments?

Aus ihrer Mitte heraus wählen die Parlamentsmitglieder ein Präsidium und einen Präsidenten oder eine Präsidentin. Derzeit hat Roberta Metsola aus Malta dieses Amt inne. Sie gehört zur EVP-­Fraktion.

Wie beeinflusst das Parlament die Zusammensetzung der EU-Kommission?

Zum einen wählt das Parlament den Präsidenten beziehungsweise die Präsidentin der EU-Kommission. Derzeit ist das die Deutsche Ursula von der Leyen, CDU. Sie wurde vom Europäischen Rat** vorgeschlagen. Der sollte dabei das Wahlergebnis berücksichtigen.

Zum anderen bestätigt das Parlament die Liste der EU-Kommissar*innen, also der Mitglieder der Kommission. Jedes EU-Land schlägt einen Kommissar oder eine Kommissarin vor. Zugestimmt werden muss der gesamten Liste dann vom EU-Parlament, aber erst nachdem die Vorgeschlagenen eine Anhörung durch die jeweiligen Fachausschüsse des Parlaments bestanden haben. Für welchen Fachbereich die Kommissar*innen zuständig sein sollen, entscheidet deren Präsident*in. Die Aufgaben der EU-­Kommission sind mit denen einer Regierung vergleichbar.

Wie kann das Europäische Parlament Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen?

Das Europäische Parlament ist eines der beiden gesetzgebenden Gremien der Euro­päischen Union. Gemeinsam mit den Vertretern der Regierungen der Mitgliedsstaaten, dem Rat der Europäischen Union**, ist es für den Erlass von Rechtsvorschriften zuständig, die wiederrum in den einzelnen Ländern in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Vorgeschlagen werden können die Rechtsvorschriften allein von der Europäischen Kommission. Häufig kommt es zu weitreichenden Änderungsverfahren. Weil diese oft zeitraubend sind, wird ein Teil der Vorschläge vorab in sogenannten informellen Trilogverfahren verhandelt. Dann sitzen Vertreter*innen aller drei Gremien an einem Tisch und versuchen bereits vorab Kompromisse zu finden. Allerdings gibt es Bereiche wie die Wettbewerbs- oder die Außen- und Sicherheitspolitik, in denen die Mitspracherechte des Parlaments noch nicht so weit gehen.

Doch das Europäische Parlament kann viel bewegen. Oft betreffen die Entscheidungen auch die Arbeits- und Lebenswelt, zum Beispiel über soziale Rechte, Arbeitszeiten oder gleiche Löhne, aber auch über Umwelt- oder Verbraucherrechte. Daher ist es wichtig, dass im EU-Parlament Politiker*innen sitzen, die sich für Gerechtigkeit stark machen.

Was gehört noch zu den Aufgaben des EU-Parlaments?

Das EU-Parlament stimmt ebenso wie der Rat der EU** über den Haushaltsentwurf ab, den die EU-Kommission vorlegt. Außerdem kontrolliert das Parlament die anderen beiden Gremien. Es kann auch Untersuchungsausschüsse einsetzen oder Klagen beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Alle EU-Institutionen müssen dem Parlament regelmäßig Bericht erstatten. Außerdem können die Parlamentarier*innen parlamentarische Anfragen an die Kommission und den Rat stellen, mündlich wie schriftlich. Das ist ein weiteres Mittel, um politische ­Themen in der Diskussion zu halten.

** Unterschieden wird zwischen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Rat. Der Erstgenannte wird auch Ministerrat genannt und repräsentiert die Regierungen der Mitglieds­staaten. Sie übernehmen für je ein halbes Jahr dessen Leitung. Derzeit hat Belgien die Ratspräsidentschaft inne, am 1. Juli übernimmt Ungarn. Für unterschiedliche Politikbereiche tagt der Rat auch auf Ministerebene. Der Europäische Rat besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten. Sie treffen sich mindestens zwei Mal pro Halbjahr. Als übergeordnete Institution sollen sie Impulse für die EU-Politik geben oder bei Konflikten zwischen Staaten Kompromisslinien finden.

Wo finde ich weitere Informationen?

Viele können sich am 9. Juni das erste Mal an der Wahl zum EU-Parlament ­beteiligen. Etwa, weil sie nun im wah­l-fähigen Alter sind oder aufgrund von Einbürgerung in einem EU-Land nun das Stimmrecht haben. Über die Wahl informiert ausführlich und gut strukturiert die Bundeszentrale für politische Bildung: bpb.de/themen/politisches-system/politik-einfach-fuer-alle/276624/europa-waehlt

Auch das EU-Parlament bietet eine Webseite, die kompakt und verständlich ­wesentliche Sachverhalte und Abläufe erklärt elections.europa.eu/de. Diese gibt es in 24 Landessprachen und jeweils in „Leichter Sprache“ elections. europa.eu/de/easy-to-read. Das heißt, in den Texten werden Fremd- und Fach­wörter sowie zu lange und verschach­telte Sätze vermieden. So sollen insbesondere jene erreicht werden, die Lese- oder Verständnisschwächen haben, ­gerade Deutsch lernen oder auf leichte Sprache angewiesen sind. Da diese ­Menschen zu den häufig vernachlässigten Wähler*innen gehören, ist ihnen dieses Infoangebot besonders zu empfehlen.  Henry Steinhau

Das erwartet ver.di von Europa

Für ver.di ist klar: Wir brauchen mehr ­Europa, aber anders. In vielen Bereichen braucht es eine stärkere europäische ­Zusammenarbeit, gleichzeitig müssen soziale Errungenschaften in den Mitgliedstaaten geschützt werden.

Deshalb fordert ver.di:

  • Eine solidarische Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Ziel muss die Verbesserung und Angleichung der Arbeits- und Lebens­verhältnisse in allen EU-Mitgliedstaaten sein.
  • Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge. Bildung, Kultur, Gesundheit, Wohnen, Mobilität, der Schutz vor sozialen Schieflagen, eine intakte Umwelt – das hält die Gesellschaft zusammen.
  • Einen beschäftigtenfreundlichen Binnenmarkt. Fairer Wettbewerb braucht klare Regeln und wird über gute Dienstleistungen und Produkte und nicht über Lohn- und Sozialdumping ausgetragen.
  • Transparente Rechtssetzung. Externe Einflüsse auf politische Entscheidungen müssen nachvollziehbar dokumentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das betrifft insbesondere Einflussnahmen während der sogenannten Trilogverhandlungen, also wenn Kompromisse zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament ausgehandelt werden.
  • Eine gerechte Handelspolitik. Handelsabkommen müssen die Rechte von Arbeit­nehmer*innen schützen, sollen keine Sonderrechte für Investor*innen vorsehen und dürfen keine öffentlichen Dienstleistungen betreffen.
  • Faire Lieferketten. Dafür bedarf es verbindlicher Regeln und Kontrollen, damit der unternehmerischen Sorgfaltspflicht entlang von Lieferketten nachgekommen wird.

Was Europa schon geliefert hat

In den letzten Jahren hat die EU mit einigen neuen Instrumenten und Gesetzen ihre soziale Dimension gestärkt. Dazu zählen:

  • Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der EU, die von den Mitgliedstaaten auch fordert, dass möglichst viele Beschäftigte unter den Schutz von Tarifverträgen fallen
  • Entgelttransparenzrichtlinie zum Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles in der gesamten EU
  • Finanzierung gewerkschaftlicher Weiterbildung und Qualifikation mithilfe des Europäischen Sozialfonds
  • Aufnahme der Verhandlungen zur Überarbeitung der Richtlinie für Europäische Betriebsräte, um die Mitbestimmung in transnationalen Unternehmen zu stärken
  • Gründung der Europäischen Arbeitsbehörde zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich der Arbeitskräftemobilität
  • die Richtlinie zu Plattformarbeit, um in diesem Bereich Scheinselbstständigkeit einzudämmen und echte Selbstständigkeit sowie gewerkschaftliche Interessenvertretung zu stärken