Ausgabe 08/2024
Standhafte Interessenvertretung
Alljährlich im November erhielt bei der Klinik-Technik GmbH (KTG) am Uniklinikum Heidelberg das Thema Tarifvertrag neue Brisanz: Während sich die etwa 100 Beschäftigten, die noch einen Arbeitsvertrag mit der Uniklinik oder dem Land haben, über ihre Jahressonderzahlung freuten, gingen die restlichen 160 Kolleg*innen leer aus. "Das hat jedes Jahr aufs Neue für Unmut gesorgt. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat dann, dass wir 2022 keine Corona-Prämie bekommen sollten", berichtet der Betriebsratsvorsitzende Stefan Michael.
"Wir haben viele Unterschriften gesammelt und am Ende durchgesetzt, dass jeder 400 Euro erhält. Das hat gezeigt: Wir können etwas erreichen. Das war so etwas wie der Startschuss der Tarifbewegung." Der Betriebsrat habe seinerzeit "den Stein ins Rollen gebracht", sagt der gelernte Feinmechaniker nicht ohne Stolz. Dafür hat der DGB Baden-Württemberg dem Gremium nun den Mitbestimmungspreis in der Kategorie Kleinbetrieb verliehen.
"Das Krankenhaus funktioniert nur im Zusammenspiel aller Berufsgruppen", ist Stefan Michael überzeugt. "Ohne Handwerker gibt es keinen Strom, kein Wasser, kein Abwasser, keine Heizung. Auch wenn man uns meist nicht sieht – wir sorgen dafür, dass der Laden läuft." Dennoch gliederte das landeseigene Universitätsklinikum die Technik 2010 aus und entledigte sich so der Tarifbindung.
Klar war, dass sich das nur mit einer gut organisierten Belegschaft ändern lässt. "Wir haben vereinbart, dass wir die Beitrittserklärungen für ver.di einsammeln und nur abgeben, wenn genug zusammenkommen. So hatten alle Sicherheit", erläutert Stefan Michael. Das funktionierte: Bald war die Mehrheit der betroffenen Beschäftigten Gewerkschaftsmitglied, so dass ver.di die Geschäftsleitung zu Tarifverhandlungen auffordern konnte.
Mehr als 30 Streiktage
Doch die beharrte darauf, Löhne und Arbeitsbedingungen mit dem Betriebsrat zu regeln – nicht mit der Gewerkschaft. "Wir haben klar gesagt, dass wir das nicht mitmachen", betont Stefan Michael. "Betriebsräte dürfen nur über Themen verhandeln, die üblicherweise nicht in Tarifverträgen geregelt sind. Und das ist auch richtig so." Hätte die betriebliche Interessenvertretung damals entgegen der gesetzlichen Vorgaben gehandelt, wäre die Tarifbewegung wahrscheinlich gescheitert. Auch so brauchte es mehr als 30 Streiktage allein dafür, den Arbeitgeber an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Letztlich brachte die Kombination aus öffentlichem, politischem und betrieblichem Druck das Management zum Einlenken. Es unterzeichnete einen Tarifvertrag, mit dem die Bedingungen in der KTG an den Uniklinik-Tarifvertrag angeglichen werden. "80 bis 90 Prozent der Leute haben monatlich mehr Geld in der Tasche", berichtet Stefan Michael. Hinzu kommen die Einführung einer Jahressonderzahlung und die Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden pro Woche. Künftige Lohnerhöhungen im Uniklinik-Tarifvertrag werden automatisch übernommen.
Der Betriebsrat sei "standhaft geblieben" und habe den Tarifvertrag gemeinsam mit den Beschäftigten und der Gewerkschaft erkämpft, lobte der baden-württembergische ver.di-Landesbezirksleiter Martin Gross bei der Verleihung des Mitbestimmungspreises. Und betonte: "Die wichtigste Botschaft dieser Auszeichnung ist: Betriebsrat, Beschäftigte und Gewerkschaft gehören zusammen!"