Interview mit Olaf Seiche, Diplomingenieur beim TÜV Rheinland, über die Untersuchungen von Wellness-Angeboten

ver.di PUBLIK | Herr Seiche, wie kann sich der Verbraucher im Angebotsdschungel des Wellness-Marktes zurechtfinden?

SEICHE | Der Verbraucher kann sich zunächst dadurch zurechtfinden, dass er das Angebot des Hotels schon im Vorwege der Buchung, zum Beispiel im Internet, prüft. Er sollte sich vergewissern, ob das Angebot plausibel und die Beratung fachkundig ist. Und dann sollte er im Hotel anrufen und dabei auf eine vernünftige Beratung achten. Dabei muss er darauf aufpassen, dass die einzelnen Anwendungen auch tatsächlich von den Mitarbeitern erklärt werden können.

ver.di PUBLIK | Der deutsche Wellness Verband hat eine Kriterienliste erstellt. Sie prüfen als TÜV Rheinland für die Wellness-Hotels-Deutschland und für den Deutschen Medical Wellness Verband (DMWV). Hilft das dem Kunden weiter?

SEICHE | Die Kriterienliste der Wellness-Hotels-Deutschland und des Medical Wellness Verbandes ist zuverlässig. Da kann der Verbraucher bei den angeschlossenen und geprüften Häusern nichts falsch machen. Wir als TÜV Rheinland machen neutrale und unabhängige Prüfungen. Auch wenn der Gast in ein Wellness-Hotel geht, das vom deutschen Wellness Verband mit dem Prädikat "Exzellent" ausgezeichnet wurde, kann er sicher sein.

ver.di PUBLIK | Treffen Sie bei Ihren Untersuchungen auf viele schwarze Schafe?

SEICHE | Das Problem ist eher, dass diejenigen, die sich prüfen lassen, meist gut abschneiden. Die schwarzen Schafe stellen sich einer Prüfung erst gar nicht.

ver.di PUBLIK | Gibt es für die Untersuchung der Wellness neben den Qualitätskriterien spezifische Fragestellungen?

SEICHE | Ja. Wie kann man Emotionen messbar machen? Denn wenn sie in ein Wellness-Hotel gehen, dann spielen Emotionen bis zu 90 Prozent eine Rolle. Ob sie sich nach einer Hot Chocolate Massage besser fühlen oder nicht, dass hängt vor allem davon ab, wie diese emotional auf sie wirkt. Werden die Treatments ganzheitlich durchgeführt, sind sie authentisch - das sind dabei unsere Fragen.

ver.di PUBLIK | Medical Wellness im privaten Hotel geht das eigentlich? Oder wäre für Medical Wellness nicht auf jeden Fall der Kurbetrieb mit seiner ausgebauten medizinischen Infrastruktur vorzuziehen?

SEICHE | Ein ganz klares Jein. Wenn ein Hotel mit Medical Wellness wirbt, dann muss die ärztliche Betreuung sicher gestellt sein. Wenn ein Gast beispielsweise eine Distressing Woche macht, um die Akkus wieder aufzuladen, dann ist es unter Medical Wellness-Aspekten doch absolut notwendig, dass dies unter ärztlicher Betreuung passiert. Das Hotel sollte dazu in der Lage sein, etwa Kreislauf- und Blutwerte zu analysieren und die Erkenntnisse in die Betreuung einfließen zu lassen. Daraus folgt dann die Beratung für Ernährungsumstellung und Bewegung. Das geht natürlich nur unter ärztlicher Betreuung.

ver.di PUBLIK | Trotzdem wirkt die ärztliche Betreuung in den Medical Wellness Hotels häufig stiefmütterlich.

SEICHE | Das liegt sicherlich auch daran, dass es bislang noch keine klaren Qualitätskriterien für diesen Bereich gab. Hier schaffte der Medical Wellness Verband im Frühjahr dieses Jahres Abhilfe. Er hat zunächst Kriterien geschaffen für den Bereich Medical Wellness Hotels und Medical Wellness Kliniken. Folgen werden noch Kriterien für Day Spas, Regionen und weitere Themengebiete. Damit werden klare Standards gesetzt.INTERVIEW: EDITH KRESTA, foto: tüv

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