Mit der betrieblichen Gesundheitsförderung geht es derzeit gut voran. Eine Ursache: In Zeiten dünner Personaldecken schlägt jeder Ausfall von Beschäftigten für das Unternehmen negativ durch

VON MAIK SÖHLER

Das freut den Chef: Während der Arbeit Muskeln dehnen

Die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) erlebt einen Boom. Zwar stammen die letzten offiziellen Zahlen aus dem Jahr 2005. Der fünfte Präventionsbericht spricht von fast 3,8 Millionen Menschen, die sich 2005 an der Gesundheitsprävention und der betrieblichen Gesundheitsförderung beteiligten - zwölf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Über 600000 Arbeitnehmer haben demnach an Maßnahmen der BGF mitgewirkt, bei denen die Vermeidung oder Reduzierung körperlicher Belastungen und das Stressmanagement im Mittelpunkt stehen. Durchgeführt werden sie von den Krankenkassen in Kooperation mit den Unternehmen oder von den Unternehmen selbst.

Für 2006 liegen noch keine Zahlen vor. Aber die Tendenz sei "weiterhin positiv", sagt Brigitte Jürgens-Scholz, Leiterin der Geschäftsstelle des Deutschen Netzwerks für Betriebliche Gesundheitsförderung www.dnbgf.de.Den hohen Zuspruch erklärt sie damit, dass "früher schon die großen Betriebe viel gemacht" hätten und die BGF somit populärer geworden sei. Die Maßnahmen reichen von der Rückenschule, Blutdruckmessungen und Ernährungsberatung über eine Apfelpause für Nichtraucher (während andere qualmen gehen) und dem Betriebssport bis zu Gesundheitszirkeln. Firmen können Zuschüsse der Krankenkassen erhalten, wenn die Angebote bestimmten Qualitätsstandards entsprechen, die in einem Handlungsleitfaden der Kassen festgehalten sind.

Gesundheit lohnt sich

Jan-Heiko Leuschke, Leiter des Gesundheitsmanagements bei MTU Aero Engines in München, betont, BGF sei Prävention: "Wir fangen früh an, damit es erst gar nicht zu einer Erkrankung kommt." Oft würden Probleme wie erhöhte Fett- oder Zuckerwerte aufgedeckt, die nicht wehtun, aber langfristig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können. Seine Devise lautet: "Arbeitsplätze gesundheitsgerecht gestalten und präventive Unterstützung der Mitarbeiter." MTU hat ein Gesundheitszentrum fürs Muskel- und Herz-/Kreislauftraining errichtet; fünf Prozent der Belegschaft nutzen es regelmäßig.

Brigitte Jürgens-Scholz haben es die Gesundheitszirkel angetan. Zuerst verfasse ein betrieblicher Arbeitskreis einen Bericht, in dem auch krankheitsbedingte Ausfallzeiten für einzelne Abteilungen errechnet würden - anonym, versteht sich -, und richte danach in ihnen einen dieser Zirkel ein. Er besteht aus gewählten Mitarbeitern der Abteilung, die sich mit Arbeitsmedizinern, dem Betriebsrat sowie einem Moderator der Krankenkassen an einen Tisch setzen. Dort werde erarbeitet, welche Faktoren zu den hohen Ausfallzeiten beitragen. "Ein Beispiel: Es zieht ständig, deswegen gibt es viele Erkältungen, also wird die Ursache für den Zug beseitigt und ein neues Fenster eingesetzt", erläutert sie. Es gehe aber auch um Betriebsatmosphäre, um Zusammenarbeit und Führungsverhalten.

Horst Riesenberg-Mordeja, bei ver.di Referent für Arbeitsschutz und Unfallversicherung, betont andere Aspekte. Endlich habe sich die "Erkenntnis durchgesetzt, dass Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten für die Betriebe wichtige Güter sind und dass es Sinn macht, Geld und Arbeit dort hinein zu investieren". Kritisch merkt er an, in vielen Betrieben sei durch den Personalabbau die Mitarbeiterdecke so dünn geworden, dass jeder Ausfall von Beschäftigten negativ durchschlage. Auch deswegen achteten die Firmen verstärkt auf Gesundheitsprävention.

Fehlzeiten kosten

Jan-Heiko Leuschke erachtet die BGF auch deswegen als wichtig, weil die Kosten im gesetzlichen Gesundheitssystem enorm steigen und es dort zu Einschränkungen kommt. Jedes Unternehmen, das seinen Mitarbeitern BGF anbiete, positioniere sich gut. Zumal sich "Gesundheitsförderung für die Unternehmen allemal" lohne.

Brigitte Jürgens-Scholz fragt in diesem Zusammenhang: "Was kosten Fehlzeiten und was kostet Gesundheitsförderung?" und liefert die Antwort gleich mit: "Jeder Euro, den man in die BGF investiert, zahlt sich mehr als doppelt wieder aus" - durch weniger Fehlzeiten, eine größere Motivation und verbesserte Produktivität. "Das sind Zahlen, mit denen sich Unternehmen überzeugen lassen." Nach einer Studie des BKK Bundesverbandes sorgt jeder für die BGF eingesetzte Euro für Einsparungen im Gegenwert von 2,30 Euro.

Gesundheitsreform und betriebliche Gesundheitsförderung

Durch die Gesundheitsreform soll die betriebliche Gesundheitsförderung gestärkt werden. So zumindest wurde es angekündigt. In der vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegebenen Broschüre Die neue Gesundheitsversicherung heißt es dazu: "Einen großen Teil unseres Lebens verbringen wir am Arbeitsplatz. Und damit dieser uns nicht krank macht, werden die Krankenkassen an der Gesundheitsförderung in Betrieben mitwirken. Gemeinsam mit den Versicherten und den Verantwortlichen des Betriebes erarbeiten sie Vorschläge zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Arbeitnehmer. Dabei werden sie eng mit den Unfallversicherungsträgern zusammenarbeiten." Unklar ist derzeit allerdings, wann genau die beabsichtigte Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung in Kraft tritt.

Weitere Informationen unter: www.die-gesundheitsreform.de und www.bmas.bund.de