Die Konfliktmanagerin

Der Gewerkschaftsrat von ver.di, die ehrenamtliche Führung, hat eine neue Vorsitzende. Monika Brandl, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Telekom Konzernzentrale, verspricht eine Politik mit Reibungspunkten

"Es muss wieder zum guten Ton gehören, in einer Gewerkschaft zu sein"

CongressCentrum Leipzig, der ver.di-Bundeskongress ist beendet. Während sich die Delegierten nach sieben Tagen voller Beratungen, Wahlen und Reden wieder auf den Weg nach Hause machen, sitzt die Führungsspitze des Gewerkschaftsrats noch zusammen und vergleicht die Terminkalender. Ein Treffen muss her, so bald wie möglich. "Wir müssen uns kennenlernen und uns eine Richtung geben", fordert die neu gewählte Vorsitzende Monika Brandl. Was erwarte ich? Was bringe ich ein?, sind unter anderem Fragen, die sie klären möchte. Damit die sechs neu gewählten Präsidiumsmitgliedern so schnell wie möglich ein gutes Team werden. Selbstverständlich für die ausgebildete Kommunikationstrainerin.

Monika Brandl ist auch Coach für Einzel- und Gruppenberatung in Konfliktsituationen - das wird ihr bei der ehrenamtlichen ver.di-Arbeit weiterhin nützlich sein, da ist sie sich sicher. Der Gewerkschaftsrat ist das höchste Gremium der Gewerkschaft zwischen den Bundeskongressen. Er gibt die Leit- linien der ver.di-Politik vor. Und Monika Brandl hat sich vorgenommen, gemeinsam mit dem Bundesvorstand ver.di voranzubringen. "Es wird Reibungspunkte geben", davon geht die 54-Jährige aus.

So tritt sie selbstbewusst gegenüber den ver.di-Funktionären auf: "Ohne die Ehrenamtlichen ist ver.di weder bunt noch aufregend - das aber wollen und müssen wir für unsere Mitglieder sein, um sie für uns zu begeistern. ver.di lebt durch die Ehrenamtlichen."

Gleichzeitig weiß sie, dass die Hauptamtlichen in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden - "daher brauchen wir gute Leute, die offen für unsere Werte stehen". Monika Brandl wurde schon kurz nach Eintritt ins Berufsleben bei der Deutschen Bundespost in Regensburg Vertrauensfrau, später Personal- und Betriebsrätin. Doch bis zum Jahr 2000 hat sie auf die Freistellung verzichtet: "Ich will bei den Leuten bleiben." Persönliche Kontakte sind ihr wichtig.

Während des Kongresses läuft sie durch die Reihen, grüßt, stellt sich vor: "Ich bin die Monika." Sie weiß, was sie will, weiß aber auch, dass sie das nur gemeinsam mit anderen erreichen kann. Konflikte trägt sie lieber offen aus, als sie durch vermeintliche Harmonie zu übertünchen. Bei der DGB-Frauenkonferenz haben die ver.di-Frauen unter ihrer Führung "eine halbe Nacht lang" mit den IG-Metall-Frauen diskutiert. Thema war der Mindestlohn. Mit Erfolg. Beide Seiten haben sich auf einen Kompromiss geeinigt - und die ver.di-Frauen haben es so geschafft, dass der Mindestlohn überhaupt Thema für den Gewerkschaftsbund wurde.

"Aufregend bunt, beruhigend stark", ist ein Slogan, mit dem ver.di in der Gründungsphase für sich geworben hat. Der reizt Monika Brandl heute noch, auch deswegen hat sie sich zur Wahl an die Spitze des Gewerkschaftsrats gestellt.

"Es muss wieder zum guten Ton gehören, in einer Gewerkschaft zu sein", ist ihre Vision der ver.di-Zukunft. Das ist kein kleines Ziel in Zeiten des Mitgliederschwundes. Deswegen gilt ihr besonderes Augenmerk der Mitgliederentwicklung. Und da liege eine ihrer Stärken, sagt sie bestimmt: "Ich kann Leute mitnehmen."

Konflikte frühzeitig ansprechen

Mitgenommen hat sie zumindest die Frauen im Bundesfrauenrat, an dessen Spitze sie seit ver.di-Gründung gestanden hat. Frauen aus fünf verschiedenen Gewerkschaften musste sie damals zusammenbringen, für sie eine reizvolle Herausforderung. Von jeder gewerkschaftlichen Kultur wollte sie das Beste erhalten. Was das ist? Für jede das, was sie am besten kennt, denn "Gewohntes macht man lieber", weiß Monika Brandl aus ihrer Arbeit bei der Telekom.

Geschaffen hat sie mit dieser Politik eine Atmosphäre, in der alle das Gefühl haben, wichtig zu sein. "Jede kann reden, jede leistet ihren Beitrag", beschreibt sie die Maximen im Bundesfrauenrat. Das klingt anstrengend, ist aber erstaunlich effektiv, sagt eine, die diesen Führungsstil schätzt. Monika Brandl spricht von Wertschätzung.

Darum ging es ihr auch schon 1986. Damals war sie als jüngste Gruppenleiterin im Fernmeldeamt Regensburg für Beanstandungen im Rechnungswesen zuständig. Sie führte ein, was heute unter Begriffen wie Personalentwicklung und Zielführungsgesprächen als neues Personalmanagement gilt. "Für mich war wichtig, mit den Leuten zu reden. Sie sollten nicht erst in der Beurteilung erfahren, was ich von ihnen halte." Nur wenn man wisse, was man voneinander erwartet, könne man optimal miteinander arbeiten. Das hält sie immer noch so.

Aber sie musste damals auch lernen, dass sie allein mit ihren Idealen von "teilnehmerorientierter Mitgestaltung" und Basisdemokratie nicht weiter kommt. "Die Leute haben von mir erwartet, dass ich auch Chefin bin. Ich musste die Richtung vorgeben", sagt sie. Sie hat ihren Weg gefunden, beides miteinander zu verbinden.

Wissen, wie die Stimmung an der Basis ist

Im April 2000 wechselte Monika Brandl als Mitglied des Gesamtbetriebsrat von Regensburg in die Telekom-Zentrale in Bonn. Immer wieder neue Umstrukturierungen, immer wieder neue Manager, immer wieder neue Konzepte bestimmen ihre Arbeit hier. "Den Beschäftigten sind viele Veränderungen abgefordert worden. Und sie versuchen immer noch, alles bestens zu machen", sagt Monika Brandl. "Auch wenn Vorstand und Anteilseigner der Telekom es nicht hören wollen, wir betonen als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat immer wieder, wie die Stimmung an der Basis ist."

Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Telekom Konzernzentrale und interne Dienstleister, Vorsitzende des Gewerkschaftsrats von ver.di - Monika Brandl ist viel unterwegs. Dennoch ist ihr Lebensmittelpunkt Regensburg geblieben, ihre Geburtstadt. Hier wohnt sie mit ihrem Mann und Freunden in einem gemeinsamen Haus. Hier lebt ihre Tochter. Hierhin fährt sie jedes Wochenende. "Das ist der Ort, an dem ich Kraft tanke", sagt die Gewerkschafterin.

Monika Brandl

geboren 1952, verheiratet, eine Tochter. Absolviert 1971 eine Ausbildung bei der Deutschen Bundespost in Regensburg, arbeitet bis 1974 in der Telegrafie, anschließend bis 1996 im Fernmelderechnungsdienst. Arbeitet sich dort bis zur Teamleiterin hoch. 1996 wird sie Gleichstellungsbeauftragte im Bezirk Süd. Tritt 1971 in die Deutsche Postgewerkschaft ein, ist erst Vertrauensfrau, später Personal- und nach der Privatisierung der Deutschen Telekom Betriebsrätin. Wird 2000 Mitglied der Geschäftsführung des Gesamtbetriebsrats, ist seit dem 1. Juni 2006 Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Deutschen Telekom GHS, Group Headquarters and Shared Services, zu deutsch Konzernzentrale und interne Dienstleister. Beim ver.di-Bundeskongress wurde sie zur Vorsitzenden des ehrenamtlichen Gewerkschaftsrats gewählt. Hobbys: Joggen, Reisen und Lesen.