Clever und sittenwidrig

ver.di stellt Strafanzeige wegen Lohnwuchers

"Kleidung clever kaufen" und "Der Preis stimmt" - mit diesen Sätzen wirbt der Textildiscounter Kik bundesweit. Dass der Preis stimmt, glaube, wer will. Der Lohn stimmt jedenfalls nicht. Wer für Kik arbeitet, erhält 4,25 bis 5,25 Euro pro Stunde. Ein Hungerlohn.

Henrike Greven, Geschäftsführerin des ver.di-Bezirks Oberhausen/Mülheim, berichtet: "Vor einiger Zeit wandte sich eine Kik-Beschäftigte mit der Bitte an uns, ihr Gehalt zu prüfen. Ergebnis: Sie bekommt ganze 5,20 Euro Stundenlohn. Das ist Lohnwucher und sittenwidrig." Es blieb nicht bei diesem Einzelfall. Bis Redaktionsschluss meldeten sich sieben Kik-Kolleginnen, die ebenfalls mit solch niedrigen Löhnen abgespeist werden.

Märchen und Wirklichkeit

Sittenwidrig sind Löhne immer dann, so die Rechtssprechung, wenn die ortsübliche Tarifvergütung um mehr als ein Drittel unterschritten wird. Der Tariflohn einer ausgebildeten Verkäuferin liegt in Nordrhein-Westfalen bei 12,30 Euro. Nach Abzug eines Drittels müsste er mindestens 8,21 Euro betragen. Doch damit nicht genug. Bei der weiteren Prüfung der Zustände bei Kik stellte sich heraus, dass Aushilfen dort den gesetzlichen Urlaub von vier Wochen nicht erhalten. Sie werden lediglich unbezahlt von der Arbeit freigestellt.

Kik beschäftigt nach eigenen Angaben rund 18000 Menschen, davon 9000 so genannte Packerinnen als geringfügig Beschäftigte. Da das Unternehmen nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbands ist, muss es geltende Tarifverträge nicht anwenden, unterliegt aber natürlich den Gesetzen. In den Unternehmensgrundsätzen heißt es hierzu: "...müssen die Löhne und Gehälter den jeweiligen Gesetzen und dem allgemeinen Prinzip fairen und ehrlichen Handels entsprechen. Mindestbestimmungen sind ausnahmslos einzuhalten." Die Realität ist eine andere, nicht nur bei der Vergütung. So wird den Beschäftigten in der Regel keine Kopie des Arbeitsvertrags ausgehändigt. Wer krank ist, bekommt keinen Lohn. Nur für die tatsächlich anwesenden Stunden werden Verkäuferinnen und Packerinnen vom Unternehmen bezahlt.

Henrike Greven: "Wir gehen davon aus, dass wir hier nur auf die Spitze des Eisbergs gestoßen sind. Immer mehr Kolleginnen kommen zu uns. Sie haben den Mut, gemeinsam mit ver.di für ihr Recht zu streiten." Für manche geht es um Nachzahlungen von bis zu 10000 Euro. ver.di hat Strafanzeige gegen das Unternehmen gestellt und die Ansprüche der Beschäftigten beim Unternehmen geltend gemacht.Uwe Reepen