Streiks zur Weihnachtszeit

Viele Beschäftigte im Einzelhandel setzen ihren Arbeitskampf im Dezember fort. Sie wollen durchhalten - bis zum Erfolg

Von Gudrun Giese

Ende November: Proteste in Berlin

Eine Streikbewegung wie diese hat es im deutschen Einzelhandel noch nie gegeben. Aber schließlich geht es um viel: Die Arbeitgeber sind monatelang nicht von ihrer Forderung abgewichen, Zuschläge für Spät- und Wochenendarbeit zu streichen bzw. stark zu kürzen. Statt zwischen 4,5 und 6,5 Prozent mehr Lohn, wie von den ver.di-Landesbezirken gefordert, präsentierten sie Erhöhungen unterhalb der Inflationsrate, weniger als zwei Prozent.

"Die Motivation der Streikenden ist ungebrochen", sagt Bernhard Franke vom ver.di-Fachbereich Handel in Baden-Württemberg. "Wir zeigen, dass man auch in der Weihnachtszeit streiken kann." Die Arbeitgeber hatten nicht geglaubt, dass ver.di die Streiks auch in der Adventszeit fortsetzen würde. Doch die Beschäftigten starteten entschlossen in die nächste Runde.

Wer bezahlt die Spätarbeit?

Allein in Mainz beteiligten sich Ende November rund 4000 Kolleg/innen aus vier Bundesländern an einer zentralen Streikkundgebung. Die Beschäftigten hätten sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, in der Adventszeit zu streiken, erklärte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane. "Aber da die Unternehmen darauf beharren, die Beschäftigten die Rechnung für die verlängerten Ladenöffnungszeiten zahlen zu lassen, bleibt keine andere Wahl."

Die Umsätze im Einzelhandel sind seit der Freigabe der Ladenöffnungszeiten vor einem Jahr nicht gestiegen, wohl aber die Kosten. "Die Strategie der großen Konzerne, die im Arbeitgeberverband die Tarifpolitik bestimmen, ist offensichtlich auf die Reduzierung der Personalkosten gerichtet, um insbesondere Öffnungszeiten in den späten Stunden und am Wochenende noch gezielter und billiger gegen die Konkurrenz einzusetzen", heißt es in einer Resolution, die Berliner und Brandenburger Einzelhandelsbetriebsräte verabschiedet haben. Eine Streichung oder Kürzung der Zuschläge bedeute, die Beschäftigten die Folgen der Spät- und Sonntagsöffnungen, die gegen ihren Willen durchgedrückt wurden, selbst bezahlen zu lassen.

Die Unternehmen kalkulieren für das Weihnachtsgeschäft mit dem Einkommenszuwachs bei den Beschäftigten anderer Branchen. In einer Weihnachtspressekonferenz erklärte der Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Josef Sanktjohanser, die verfügbaren Einkommen seien "nominal um 3,5 Prozent, real um 1,75 Prozent" gestiegen. "Gut, dass Herr Sanktjohanser die diesjährigen Entgeltsteigerungen kennt", sagt Peter Weith von der ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhandel. "Um so bedauerlicher, dass er keinen Zusammenhang zu den Menschen herstellt, die im Einzelhandel arbeiten, seit Jahren auf Lohn verzichten und nun wie alle anderen höhere Mieten, steigende Energie- und Lebensmittelpreise bezahlen müssen."

Hunderttausende streiken

Bis Ende November hat es bundesweit bereits mehr als 1600 Streiktage im Einzelhandel mit hunderttausenden Kolleg/innen gegeben. In die Adventszeit starteten die meisten Landesbezirke mit mehrtägigen Streiks, so in Berlin-Brandenburg zwischen dem 29. November und dem 8. Dezember. Daran beteiligten sich unter anderem Beschäftigte von Reichelt, Real, Kaufland, Karstadt, Kaufhof und Ikea. Ähnlich war es in Baden-Württemberg, Hessen und anderen Bundesländern.

In Nordrhein-Westfalen hat ver.di die Kunden dazu aufgerufen, nicht in bestreikten Betrieben einzukaufen. "Weihnachten steht vor der Tür - wir auch!" Mit diesem Slogan wollen die Einzelhandelsbeschäftigten den Druck verstärken. Bei Redaktionsschluss lag noch kein Angebot der Arbeitgeber vor, das für ver.di verhandelbar war.

Um sich dagegen zu wehren, dass Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt werden, sucht ver.di einen Leiharbeiter, der bereit ist, gegen seinen Einsatz als Streikbrecher zu klagen.