Ausgabe 01/2008-02
Künstliche Blase geplatzt
Von Annette Jensen |Künstliche Blase geplatzt
Die US-amerikanische Immobilienkrise wirkt sich weltweit aus. Wie viele Jobs sie in Deutschland kosten wird, ist noch nicht klar
USA: die täglichen Zwangsversteigerungen
Im vergangenen Frühjahr schien bei der größten Bank der Welt noch alles im Lot: Die Citigroup erwirtschaftete monatliche Gewinne von zwei Milliarden Dollar (1,37 Milliarden Euro). Inzwischen schreibt sie - wie viele Banken - tiefrote Zahlen. Von Oktober bis Dezember machte das US-Bankhaus fast 10 Milliarden Dollar Verlust.
Die Citigroup hatte in den vergangenen Jahren wie viele andere US-Banken eine Kaskade von Einnahmequellen aufgebaut. Nachdem die gewagte Konstruktion vor kurzem zusammengebrochen ist, verloren allein bei der Citigroup 4200 Menschen ihren Job, und weitere Entlassungen werden erwartet. Auch der Chef der Citigroup, Charles Prince, musste gehen. Im Gegensatz zu seinen untergeordneten Mitarbeiter/innen bekam er allerdings über 100 Millionen Dollar mit auf den Weg in die Arbeitslosigkeit.
Banken standen Schlange
Die Citigroup hatte, wie andere US-Banken auch, in den vergangenen Jahren vielen Menschen mit kleinem Einkommen Geld geliehen, damit sie den Traum vom eigenen Haus verwirklichen konnten. Die Zinsen waren niedrig. Und weil die Immobilienpreise in den USA stiegen und stiegen, schienen die Häuser eine gute Sicherheit darzustellen. Die Bankabteilungen, die die Kredite vergaben, interessierten sich kaum dafür, ob die finanzschwachen Bauherren das geliehene Geld auf lange Sicht würden zurückzahlen können - schließlich standen die Kollegen aus den Investmentabteilungen im eigenen Haus wie auch aus anderen Banken Schlange, um die Forderungen zu übernehmen. Finanzanalysten hatten nämlich in den Vorjahren beobachtet, dass Schuldner, die nur geringe Sicherheiten zu bieten haben, in der Regel brav ihre Kredite abstottern - also im Grunde ein kleines Risiko darstellen.
Sowohl die Investmentbanker der Citigroup als auch ihre Konkurrenten kauften im großen Stil private Kreditforderungen, die sie wegen der langen Laufzeiten der Verträge und aufgrund der Ausfallrisiken günstig bekamen. Daraus konstruierten sie neue Wertpapiere: Tausende von Hauskrediten, aber auch Auto- und andere Privatdarlehen wurden zu Fonds gebündelt und dann in Form von Anteilsscheinen weiterverkauft. Diese neuen Finanzprodukte gingen weg wie warme Semmeln, und auch viele deutsche Banken griffen zu - schließlich hatten drei internationale Rating-Agenturen die Produkte als "supersicher" eingestuft.
Auch die Citigroup reihte sich bei den Käufern ein. Die Bank gründete extra sieben Zweckgesellschaften, um solche Papiere in großer Anzahl zu erwerben - auf Pump. Mitte vergangenen Jahres hatten die Gesellschaften Vermögenswerte in Höhe von 87 Milliarden Dollar gehortet. Dass das Geld für die Einkaufstour nur geliehen war, erschien den Bankern als undramatisch: Schließlich waren die Zinsen ja niedrig, und die Gewinne würden die Ausgaben schnell wieder einspielen, glaubten sie.
Preise stagnierten, Zinsen gingen nach oben
Doch im vergangenen Sommer begann die ganze Konstruktion zu schwanken: Die Immobilienpreise in den USA stagnierten, während die Zinsen nach oben gingen. Nun konnten viele Bauherren ihre Raten nicht mehr bezahlen, und plötzlich gab es in den USA ein Überangebot an Eigenheimen. Die Preise sanken, und jetzt verloren viele Hypothekenkredite ihre Sicherung. So platzte die künstlich aufgepumpte Blase. Allein die Citibank hat inzwischen 17,4 Milliarden Dollar abgeschrieben - und das wird wohl immer noch nicht reichen.
Plötzlich wollten nun auch alle ihre aus den Darlehensverträgen zusammengeschnürten Wertpapiere loswerden. Doch auch hier gab es nun keine Kaufinteressenten mehr. Die sieben Zweckgesellschaften der Citigroup schätzen, dass ihre Wertpapiere heute noch höchstens 49 Milliarden Dollar wert sind. Zwar ist klar, dass eine Riesenbank wie die Citigroup nicht pleite gehen wird - schon weil die US-Regierung sie im Zweifel stützen würde, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Doch ohne milliardenschwere Finanzspritzen aus Kuwait und vom saudischen Prinzen Alwaleed hätte die Citigroup nicht stabilisiert werden können. Auch China hat sich bereits dafür interessiert, bei der Citigroup einzusteigen.
Schon alles überstanden?
Manche Marktbeobachter sagen, das Schlimmste der Finanzmarktkrise sei inzwischen überwunden - andere erwarten im Gegenteil, dass das ganze Ausmaß erst in ein paar Monaten sichtbar wird. Weltweit etwa 150000 Bankangestellte sollen bereits Opfer der geplatzten Spekulationsblase geworden sein. Die meisten Entlassungen gab es bisher in den USA und Großbritannien.
Ob auch in Deutschland Stellen in größerem Maßstab abgebaut werden sollen, ist noch unklar. "Viele Banken veröffentlichen ihre Zahlen im Februar. In der ersten Jahreshälfte wird dann wohl klar werden, in welchem Umfang die Krise in Deutschland Arbeitsplätze kostet", sagt Heike Joebges, Weltmarktexpertin am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.