Ausgabe 04/2008
Betriebe machen es Eltern schwer
Seit 2007 haben Eltern Anspruch auf 67 Prozent ihres Lohns, wenn sie für's Baby Pause machen. Weil andere Bedingungen nicht stimmen, ist Deutschland von Familienfreundlichkeit weit entfernt
Auch Papi packt jetzt mal mit an
VON HEIKE LANGENBERG
2007 sind in Deutschland erstmals seit zehn Jahren wieder mehr Kinder geboren worden als im Vorjahr. 680000 bis 690000 Neugeborene schätzt das Statistische Bundesamt. Genaue Zahlen werden erst im Juli vorgelegt. 2006 waren es 672000 Kinder. Ob dieser Anstieg etwas mit dem am 1. Januar 2007 eingeführten Elterngeld zu tun hat, ist unklar. Die Statistiker erfassen die Gründe für den Anstieg nicht.
Immerhin Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist sich sicher. "Bei den Geburten stehen alle Signale auf Wachstum", teilt sie auf der Homepage der CDU mit. Das Elterngeld sei ein wichtiger Baustein dabei. Ute Brutzki, die beim ver.di-Bundesvorstand im Bereich Frauen- und Gleichstellungspolitik arbeitet, hat ihre Zweifel. "Das Elterngeld allein ist nicht stark genug, um Eltern zu überzeugen. Familienfreundliche Rahmenbedingungen fehlen in Deutschland immer noch", kritisiert sie. Fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten zum Beispiel. Wenn das Elterngeld nach maximal 14 Monaten ausläuft, stehen die jungen Eltern meist vor der Frage, wer sich um den Nachwuchs kümmern soll, wenn sie wieder arbeiten gehen.
So erging es auch Nadja P.*, die in einem kleinen Ort in Niedersachsen wohnt. Nach der Geburt ihrer Tochter Luise erhielt die 35-Jährige ein Jahr lang 67 Prozent ihres Gehalts. Ihr Mann nahm seine Vätermonate nicht, er hatte erst kurz vor dem Ende ihrer Elterngeldzahlung den Arbeitgeber gewechselt. Einen Betreuungsplatz fand das Paar nicht: Im örtlichen Kindergarten gibt es keine Gruppe für unter Dreijährige. Also hat Nadja P. ihre Elternzeit erst einmal verlängert. Die finanzielle Lücke ist für die Familie nur verkraftbar, weil ihr Mann seit dem Jobwechsel mehr verdient. "Ich wäre gern wieder arbeiten gegangen", sagt die technische Zeichnerin, "zumindest halbtags". Doch die Chancen dafür schätzt sie als eher gering ein, bevor ihre Tochter drei Jahre alt wird.
Die meisten Männer nehmen nur zwei Monate
"Eigentlich hätte man erst die Kinderbetreuung ausbauen müssen", sagt Ute Brutzki. Doch das Elterngeld sei wahrscheinlich leichter durchzusetzen gewesen, vermutet sie. Genutzt wird es häufig. 571000 Anträge wurden 2007 bewilligt. Rund zehn Prozent stammten von Männern. Auch hiervon ist die Bundesfamilienministerin begeistert. Schaut man sich die Statistik genauer an, zeigt sich, dass fast 36000 Männer nur zwei Monate Elternzeit genommen haben. Das ist die Mindestdauer, wenn Mutter und Vater 14 Monate lang den Lohnersatz bekommen wollen. Steigt nur einer der beiden aus dem Berufsleben aus, wird das Geld für zwölf Monate gezahlt. Knapp 87 Prozent der Mütter beantragen das Elterngeld für diesen Zeitraum.
Auch in den Betrieben haben es die Eltern nicht leicht. So haben Rückkehrer/innen zwar einen Anspruch auf einen gleichwertigen, nicht aber auf den gleichen Arbeitsplatz. Insbesondere Männer halte das davon ab, in Elternzeit zu gehen. "Ich kenne keine Veröffentlichung, in der die Arbeitgeber Väter auffordern, die Vätermonate zu nehmen", sagt die Gewerkschafterin. Ähnliches hat auch die ver.di-Untersuchung "Die Vätermonate kommen" ergeben. In vielen Betrieben fehlen Ansprechpartner für Vereinbarkeitsfragen. Selbst gute betriebliche Regelungen werden kaum bekannt - und genutzt. So gibt es bei dem Energieversorger Vattenfall die Möglichkeit, auf den alten Arbeitsplatz zurückzukehren, wenn man weniger als ein Jahr für ein Kind aus dem Beruf aussteigt. Das weiß kaum ein Beschäftigter.
Vom Vorbild Schweden lernen
ver.di fordert außerdem, sich am schwedischen Elterngeldmodell zu orientieren. Hier ist eine gleichmäßige Aufteilung der Elternzeit verpflichtend für den Geldbezug. Außerdem sollte bei zeitgleicher Teilzeitarbeit beider Eltern das Elterngeld nicht halbiert werden. "In der jetzigen Fassung fördert das Gesetz die Nichterwerbstätigkeit eines Elternteils", begründet Ute Brutzki die Forderung. ver.di setzt sich auch dafür ein, dass das Elterngeld auf 80 Prozent des Nettoeinkommens erhöht wird. Weil bei der derzeitigen Regelung alle betrieblichen Sonderzahlungen nicht berücksichtigt werden, sinke das tatsächliche Jahreseinkommen während des Elterngeldbezugs auf weit unter 67 Prozent. Außerdem sei die soziale Ausgewogenheit nicht gewahrt. Den Elterngeldvorgänger, das Erziehungsgeld, hätten Menschen mit geringen Einkommen immerhin 24 Monate lang bekommen.
*Name geändert