Aldi Nord sponserte arbeigeberfreundliche Betriebsräte-Organisation, PIN AG zahlte Gefälligkeits-Gewerkschaft - wie Arbeitgeber für ihre Zwecke Tarifpolitik und Interessenvertretung unterlaufen

Mit Hilfe von Pseudo-Gewerkschaften versuchen die Arbeitgeber in jüngster Zeit verstärkt, die gewerkschaftliche Tarifpolitik und betriebliche Interessenvertretung zu unterlaufen. Gefälligkeits-Gewerkschaften unterschreiben Gefälligkeits-Tarifverträge, und wo ein Betriebsrat partout nicht verhindert werden kann, wird er halt so geschult, dass er nicht allzu lästig wird. Und das geht so:

Anfang April wurde bekannt, dass der Lebensmitteldiscounter Aldi Nordüber Jahre hinweg einen Mitarbeiter der so genannten Betriebsräte-Organisation "Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger" (AUB) mit jährlich 120000 Euro bezahlt haben soll, der Betriebsräte bei Aldi Nord schulte. Eine finanziell gut unterfütterte Attacke gegen die Gewerkschaft ver.di. Die Gelder flossen nicht direkt, sondern bis Ende 2006 über eine Anwaltskanzlei an den ehemaligen Vorsitzenden der AUB, Wilhelm Schelsky.

Seit Februar 2007 sitzt Schelsky, früher Betriebsrat bei der Siemens AG, in Untersuchungshaft. Schelsky und seine AUB - nach Eigenauskunft "überparteilich, unabhängig, überbetrieblich" - waren über zwei Jahrzehnte hinweg mit insgesamt rund 50 Millionen Euro von der Siemens AG finanziert worden, um ein Gegengewicht zur IG Metall aufzubauen. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ermittelt gegen Schelsky und mehrere Siemens-Manager. Es geht um Delikte wie Untreue, Beihilfe zur Untreue, Steuerhinterziehung und die Beeinflussung von Betriebsratswahlen.

Strafanzeige gegen Aldi Nord angekündigt

Im Zug dieser Ermittlungen wurde auch die verdeckte Finanzierung der AUB-Aktivitäten durch Aldi Nord bekannt. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske bezeichnet das als "kriminelle Machenschaften" und einen "Bruch des Betriebsverfassungsgesetzes", das derartige Einflussnahme verbietet. ver.di hat eine Strafanzeige gegen Aldi Nord angekündigt.

Die AUB versucht unterdessen, sich als neue, nunmehr seriöse Organisation zu präsentieren. "Wir haben uns im Sommer 2007 völlig neu aufgestellt", heißt es in ihrer Pressemitteilung, "ein neuer Vorstand hat die schwierige Aufgabe übernommen, der AUB ein neues Gesicht zu geben". Schließlich wusste man von nichts: "Die laufenden Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Nürnberg bringen auch für uns neue Erkenntnisse ans Licht. So sind die vermutlichen Absprachen zwischen Herrn Schelsky und Aldi Nord uns nicht bekannt."

Von einer Finanzierung durch Arbeitgeber will auch der Vorstand der Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ) nichts wissen. "Der Vorwurf der Bestechlichkeit wird sich als haltlos erweisen", teilt die GNBZ-Spitze auf ihrer Homepage mit. ver.di hatte Anfang März einen Strafantrag wegen des Verdachts auf Finanzierung durch Dritte und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gegen die GNBZ gestellt. Wenig später übergab der Insolvenzverwalter des privaten Postdienstleisters PIN Group AG der zuständigen Staatsanwaltschaft Köln Belege, aus denen Brisantes hervorgeht: Die PIN Group AG soll der GNBZ allein vom Zeitpunkt ihrer Gründung im Oktober bis Anfang Dezember 2007 rund 133000 Euro über den Umweg einer Beraterkanzlei zugeschanzt haben.

Der damalige Vorstandschef der PIN AG, Günter Thiel, hat die Zahlungen Focus-Online gegenüber rundweg bestätigt und als "korrekt verbuchte Anschubfinanzierung" für die GNBZ bezeichnet. Mehrheitseigner der PIN AG war bis Dezember 2007 der Springer-Konzern.

Gerster war Erster

Die "korrekt verbuchte Anschubfinanzierung" für die GNBZ fügt sich in die Aktivitäten, mit denen die privaten Zustelldienste den zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband Postdienste ausgehandelten Mindestlohn für Briefzusteller unterlaufen wollen. Statt dem Arbeitgeberverband Postdienste beizutreten, hatten die privaten Zustelldienste im Herbst 2007 einen eigenen Verband gegründet, den "Arbeitgeberverband neue Brief- und Zustelldienste" mit dem ehemaligen Chef der Bundesagentur für Arbeit, Florian Gerster (SPD), an der Spitze. Der verkündete seinerseits als Erster die Gründung der GNBZ. Im nächsten Zug schlossen die beiden neuen Vereine einen Tarifvertrag über Mindestlöhne für Briefzusteller in Höhe von 6,50 bis 7,50 Euro ab. Der von ver.di ausgehandelte und für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag legt Mindestlöhne zwischen acht und 9,80 Euro fest.

GÖD unterschreibt einen Hungerlohn-Tarifvertrag

Beim Verhindern eines akzeptablen Mindestlohn-Tarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe profiliert sich unterdessen eine andere, in diesem Falle christliche Pseudo-Gewerkschaft, die "Gewerkschaft öffentliche Dienste" (GÖD). Nachdem ver.di das Angebot der Arbeitgeber über einen Mindestlohn in Höhe von 5,75 Euro abgelehnt hat, will nun die GÖD den Hungerlohn mit ihrer Unterschrift absegnen.

Und wieder eine andere Gefälligkeits-Gewerkschaft tat sich erst kürzlich beim Streik der Beschäftigten bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) hervor. "Wir brechen den BVG-Streik", ließ der Vorsitzende der "Gewerkschaft Verwaltung und Verkehr" (GVV), Klaus-Dietrich Schmitt, die Berliner via Boulevard-Presse wissen.

Schließlich, so der streitbare Mann in einem Schreiben an den BVG-Vorstand, sei es nicht hinnehmbar, dass man die Stadt und den BVG-Betrieb "vollkommen kampflos und bereitwillig der Willkür einiger ver.di-Funktionäre und deren verblendeter Gefolgschaft preisgibt".