Ausgabe 05/2008
Lohndrückerei durch Leiharbeit
ver.di macht gegen die Tarifflucht zahlreicher Zeitungsverlage mobil
Hannover | Immer mehr Verlage begehen Tarifflucht: Redaktionen und Belegschaften werden gespalten und ausgelagert, Mitarbeiter zu wesentlich schlechteren Bedingungen beschäftigt, Betriebsräte verlieren Zuständigkeiten. Vor allem der Einsatz von Leiharbeitern nimmt stetig zu. Paradebeispiel für "Lohndrückerei durch Leiharbeit" ist neben der Bremer Tageszeitungen AG die Oldenburger Nordwest Zeitung. "Qualität spielt kaum noch eine Rolle, Hauptsache die Bilanzen stimmen", sagt ver.di-Landesfachbereichsleiterin Medien, Amadore Kobus.
In einigen Fällen seien die neuen Redaktionskollegen und Verlagsangestellten sogar alte Bekannte. Sie hatten Zeitverträge, die ausgelaufen sind. "Diese Leih-Redakteure verdienen etwa ein Drittel weniger als vergleichbare Kolleginnen und Kollegen, die nach Redakteurstarif bezahlt werden. Außerdem haben sie längere Arbeitszeiten und weniger Urlaub, weniger Urlaubs- und Weihnachtsgeld."
Mehr Ausgründungen
Bremer Nachrichten und Weser Kurier: Die Blätter beschäftigen seit 2006 Leiharbeitnehmer und haben Redaktionen ausgelagert. Die Goslarsche Zeitung beschäftigt Redakteure über das Leiharbeitsunternehmen des Stader Tageblattes, einer 100-prozentigen Tochter des Zeitungsverlages. Neben Stade beschäftigt auch die Wilhelmshavener Zeitung Leihredakteure über die Personaldienstleistungsgesellschaft der Nordwest-Zeitung Oldenburg. Der Verlag Madsack schlägt in Leipzig und in Hessen den gleichen Weg ein. Ausgründungen für Verlagsbeilagen sind in Hannover bereits erfolgt.
Als eine Art Vorreiter stieg die Nordwest-Zeitung Oldenburg bereits vor vier Jahren ins Leihgeschäft ein. Mittlerweile laufen fast alle Neueinstellungen über die zur Unternehmensgruppe gehörende Nordwest Personaldienstleistungsgesellschaft (NWP). Die arbeitet nach Zeitarbeitstarifvertrag und zahlt je nach Berufsgruppe unterschiedliche Zulagen, deren Höhe nicht publiziert wird. Etwa 50 Mitarbeiter, mehr als ein Zehntel der Belegschaft, verleiht der Dienstleister an die eigene Verlagsgesellschaft, die Mitglied im Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger BDZV ist. Über die Hälfte der Leih- arbeiter sind Journalisten und Volontäre.
"Hier geht es nur um die Aushebelung des Branchentarifs durch Tarifflucht", sagt Betriebsratsvorsitzender Ulrich Janßen von der Nordwest- Zeitung. Juristische Auseinandersetzungen sind die Folge. Denn nach Janßens Auffassung ist die vom Verlag gegründete Verleihfirma nichts anderes als ein Strohmann zur Tarifumgehung. Nur zu diesem Zweck wurde die Verleihfirma NWP gegründet.
Der Betriebsrat stimmte der Leiharbeit nicht zu. Inzwischen ist die Sache vor dem Bundesarbeitsgericht. "Wir sind der Meinung, es handelt sich um reguläre Tätigkeit, nicht um Leihar- beit, und wir werden das jetzt hof- fentlich schlussendlich prüfen lassen", sagt Janßen. ver.di unterstützt die Betriebsräte in ihrem Einsatz gegen Lohndrückerei und Tarifflucht.