ver.di will die Organisation deutlicher auf ihre Mitglieder ausrichten

Von HEIKE LANGENBERG

Das Jahr 2008 hat für ver.di erfolgreich begonnen. Mehr als 84000 Menschen sind bis Ende Juni in die Gewerkschaft eingetreten, im Vorjahr waren es in zwölf Monaten insgesamt 94000. Im ersten Halbjahr 2008 überstieg die Zahl der Eintritte die der Austritte. "Wir müssen unsere tägliche Arbeit neu organisieren, um erfolgreicher zu sein", sagt der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Dazu liegt jetzt ein Konzept mit dem Titel "Chance 2011" auf dem Tisch, das derzeit in den Gremien auf allen Ebenen, von den Bezirken bis zum Gewerkschaftsrat diskutiert wird. Mitmachen ist dabei ausdrücklich erwünscht. Interessierte erkundigen sich bitte bei ihren Bezirken.

Im Mittelpunkt des neuen Konzepts steht die Mitgliederorientierung. Mitglieder sollen stärker einbezogen werden in Diskussionen, aber auch in das Finden und Setzen von Themen. Als positives Beispiel nannte Bsirske die Mitgliederbefragung im Anschluss an die Tarifrunde Öffentlicher Dienst. "Sie haben Einfluss und Gewicht bei der konkreten Gestaltung des Organisationshandelns", heißt es in dem Entwurf von "Chance 2011". Ein Weg, um das zu erreichen, sei, die Rollen von ehrenamtlichen Funktionär/innen und des hauptamtlichen Personals zu prüfen. Die hauptamtlichen Gewerkschaftssekretär/innen sollten sich stärker in Richtung von Prozessmanager/innen entwickeln. Die betriebliche Gewerkschaftsarbeit soll systematisch entwickelt und besser verankert werden. Dabei müsse ver.di es auch schaffen, Themen außerhalb der Tarifrunden zu setzen - betrieblich wie politisch. Angeregt wird auch ein flexibler Ressourceneinsatz. Vor allem soll der gewerkschaftliche Organisationsgrad gestärkt werden.

Strukturwandel berücksichtigen

Ende Mai wurde das Thema von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Funktionär/innen bei den so genannten Frühjahrstagungen diskutiert. Generell wurde befürwortet, sich stärker auf die Mitglieder zu konzentrieren. "Aber es fehlt die Frage, wohin die Reise geht in den nächsten zehn Jahren", sagte eine Kollegin aus dem Bereich Finanzdienstleistungen in Hessen. Wie könne man Ruheständler halten oder junge Menschen gewinnen? Der Vorsitzende des Bezirks Stuttgart, Thomas Böhm, kritisierte die "Managementsprache" des Papiers. Seiner Meinung nach werde das politisch-ökonomische Umfeld von Gewerkschaften ausgeblendet. Er verwies auf Positionspapiere des Landesbezirks Baden-Württemberg und des Bezirks Stuttgart.

"Zum Teil machen wir das alles schon, aber ist das zielgerichtet genug?", gab ein Kollege des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung in Rheinland-Pfalz zu bedenken. Ulli Schauen, Vorsitzender der ver.di-Bundeskommission Selbstständige, mahnte, auch an diejenigen zu denken, die nicht in festen Jobs tätig seien. Auf diesen Strukturwandel in der Arbeitswelt müsse ver.di reagieren, um zukunftsfähig zu sein. Andrea Becker, Geschäftsführerin des Bezirks Emscher-Lippe-Nord forderte, stärker über Ziele zu reden als über einzelne Formulierungen. Auch sie hielt das Papier in Teilen noch einer weiteren Überarbeitung wert.